Die Volkszählung kann die Menschen in der Hansestadt neidisch machen - und ärgern

Der Deutsche staunt, der Hamburger wundert sich - die Volkszählung ist voller Überraschungen. Doch während die Befragung unser Bild von der Bundesrepublik in erster Linie korrigiert, wirft es die Selbstwahrnehmung der Hansestadt in Teilen über den Haufen. Kaum zu glauben, dass man in einem Gemeinwesen, welches für seine Bürokratie und seine Buchhaltung genauso gefürchtet wie geachtet ist, mit 80.000 Menschen zu wenig gerechnet hat.

Nichts ist mit den mehr als 1,8 Millionen Menschen, die in den Stadtgrenzen leben, nichts dürfte es mit der Zwei-Millionen-Grenze werden, auf die man als Hamburger zugegebenermaßen gern geschielt hat in Zeiten der Vision von einer Wachsenden Stadt. Und als Laie fragt man sich, wie eine Regierung und ihre Verwaltung eine Stadt vernünftig führen und planen sollen, wenn sie nicht einmal wissen, für wie viele Menschen sie denn nun genau Wohnungen, Kindertagesstätten, Parkplätze, etc. benötigen. Auf die Behörden wartet jetzt auf jeden Fall Mehrarbeit: Sie müssen nämlich sehen, wie sie mit deutlich weniger Geld auskommen - Hamburg wird überdurchschnittlich unter der anstehenden Neuberechnung des Länderfinanzausgleichs leiden.

Das ist aber nicht der einzige Grund, warum man als Hamburger oder in Hamburg Lebender die Daten der Volkszählung mit zunehmender Irritation und am Ende schlechter Laune zur Kenntnis nimmt. Letzteres insbesondere in all den Bereichen, in denen es um Wohnungen und Wohnraum geht.

Wer sich nicht ärgern will, sollte jetzt nicht weiterlesen. Es mag zwar stimmen, dass Hamburg eine der schönsten Städte dieses Landes ist, und die zweitgrößte bleibt sie nach Berlin auch. Wenn es aber um die Durchschnittsgröße der Wohnungen, in denen die Deutschen leben, geht, wird man als Hamburger ausnahmsweise neidisch. Wer in dieser Stadt wohnt, kann kaum glauben, dass bundesweit eine Wohnung im Schnitt fast 91 Quadratmeter groß ist und jede vierte Wohnung sogar mehr als 120 Quadratmeter misst. Davon ist Hamburg sehr weit entfernt, und das zeigt ein weiteres Problem in der an Wohnraum-Problemen bekanntermaßen nicht armen Hansestadt.

Je größer die Differenz zwischen dem ist, was man hier für sein Geld an Quadratmetern zum Leben erhalten kann, umso größer wird die Verlockung sein, sich eben doch nicht in den Grenzen des Bundeslandes niederzulassen - sondern zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen oder dort, wo die durchschnittliche Wohnungsgröße sogar bei mehr als 100 Quadratmetern liegt. Und wo man nicht Monate oder gar Jahre suchen muss, um eine Wohnung oder ein Haus zu finden. Das ist nämlich in Hamburg so schwierig wie nirgendwo sonst - ausgerechnet dies ist ein Ergebnis, das mit der gefühlten Wahrnehmung eindeutig übereinstimmt.

Kleinste Wohnungen plus kleinste Leerstandsquote in Deutschland: Das ist nun leider wirklich kein Standortvorteil, mit dem Hamburg für sich werben kann, im Gegenteil. Die Volkszählung zeigt deutlich, dass wir nicht nur mehr und bezahlbare, sondern eben auch größere Wohnungen für zumindest kleineres Geld brauchen. Dass Miete und Kauf in Hamburg immer mehr kosten werden als irgendwo auf dem Land - geschenkt. Dafür bietet diese Stadt auch mehr als viele andere Regionen. Doch die Attraktivität Hamburgs steht immer stärker im Widerspruch zur Wohnungssituation. Soll heißen: Was nutzt mir eine schöne, weltoffene Stadt, wenn ich mit einer Familie, Eltern plus zwei Kindern, auf 60 Quadratmetern leben muss?

Immerhin: Weltoffen darf sich Hamburg doch zu Recht nennen - nirgendwo leben so viele Menschen mit Migrationshintergrund wie bei uns.