Der Arbeitsmarkt boomt, doch ohne ausländische Experten ist der Aufschwung in Gefahr.
So wenige Arbeitslose hat es in Deutschland seit 1991 nicht mehr in einem November gegeben. Auch Hamburg erlebt einen Jobboom. Waren vor zwei Jahren mehr als 77 000 Menschen in der Stadt offiziell arbeitslos gemeldet, sind es heute gerade noch 66 770 - ein Rückgang um satte 13 Prozent. Während Politiker und Banker schwärzeste ökonomische Bilder zur Zukunft des Euro malen und Volkswirte seit Monaten vor einer Rezession in Deutschland warnen, können Unternehmen von Bayern bis Schleswig-Holstein nicht genug Arbeitskräfte bekommen. Und genau hier beginnt das Problem mit dem Aufschwung.
Deutschlands Wirtschaft boomt, die Exporte steigen auf Rekordwerte, die Auftragsbücher der meisten Firmen sind gut gefüllt - doch das dringend benötigte Personal ist nicht zu bekommen. So haben die Unternehmen bundesweit 100 000 offene Ingenieurstellen und 38 000 nicht besetzte Arbeitsplätze für IT-Spezialisten. Allein in Hamburg wird die Zahl der offenen Stellen auf mehr als 30 000 geschätzt. Dem gegenüber stehen mehr als doppelt so viele offiziell arbeitslos Gemeldete plus Tausende Ein-Euro-Jobber sowie Arbeitssuchende in Fortbildungen und Umschulungen. Angebot und Nachfrage passen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zusammen. Wer als Arbeitsloser keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann - in Hamburg immerhin 36 800 Frauen und Männer -, hat kaum noch Chancen auf einen Job.
Probleme mit der deutschen Sprache, Unzuverlässigkeit, Konzentrationsschwächen - dies sind nur drei Gründe, warum so viele Hamburger abseits des boomenden Arbeitsmarktes stehen. Diese Analyse der Gegenwart muss Mahnung für die Zukunft sein. Denn mit Blick auf die rasant alternde Gesellschaft muss Deutschland alle Kräfte darauf verwenden, jeden Jugendlichen fit für den Arbeitsmarkt zu machen.
Die Grundlagen dafür müssen bereits im Kindergarten und in der Grundschule gelegt werden.
Allerdings sollten sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hierzulande nicht nur auf die eigene Bevölkerung verlassen. Ohne eine kontrollierte Zuwanderung Hochqualifizierter kann der Wohlstand langfristig nicht gesichert werden. Da ist es mehr als kontraproduktiv, wenn der Gesetzgeber hohe bürokratische Hürden für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern aufstellt. Denn bereits die Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache sind für viele ausländische Experten ein gewichtiger Grund, die Bundesrepublik zu meiden und ihr berufliches Glück lieber in den USA, Großbritannien oder Australien zu suchen. Der deutsche Gesetzgeber muss den begehrten Fachkräften möglichst viele Brücken bauen, damit sie sich doch für Deutschland entscheiden. Aber das Streichen unsinniger Paragrafen wird nicht ausreichen, um die notwendige Zuwanderung Hochqualifizierter sicherzustellen. In breiten Teilen der Gesellschaft muss ein Umdenkprozess stattfinden. Zuwanderer müssen von ihnen als Bereicherung und nicht als Belastung wahrgenommen werden.
Die Zeiten für die Anwerbung ausländischer Spezialisten könnten mit Blick auf die deutsche Wirtschaftskraft nicht besser sein. Kaum ein anderes Land steht derzeit ökonomisch so gut da wie die Bundesrepublik. Deutschland ist wie das kleine vor Kraft strotzende gallische Dorf im kriselnden Europa. Und auch das Einwanderungsland USA hat derzeit genug mit sich selbst und der Lösung seiner massiven Wirtschaftsprobleme zu tun. Deutschland hat eine Chance, in den kommenden Monaten mehr Fachkräfte weltweit anzuwerben. Allerdings muss die Politik hierfür schnellstens bürokratische Hürden abbauen und den rechten, ausländerfeindlichen Terrorsumpf mit aller Entschiedenheit trockenlegen.