Dr. Ludger Wößmann, 37, Volkswirtschafts-Professor in München, Leiter Humankapital und Innovation am Ifo-Institut

Hamburger Abendblatt:

1. Viele Eltern nehmen hohe Kosten in Kauf, um ihr Kind auf einer Privatschule, etwa einer Waldorfschule, unterrichten zu lassen. Ist das ein Armutszeugnis für staatliche Schulen?

Ludger Wößmann:

Nicht unbedingt: In vielen Fällen geht es einfach nur darum, dass sie ein alternatives pädagogisches Konzept bevorzugen. Das sagt dann nicht unbedingt etwas über die generelle Qualität der staatlichen Alternative aus. Aber in anderen Fällen ist es sicherlich so, dass diese Eltern das Gefühl haben, dass die staatliche Schule ihr Kind nicht genügend fördert.

2. Beleben viele Schulen privater Trägerschaft (in Hamburg gibt es allein mehr als 20 katholische Schulen) die Konkurrenz der Schulen untereinander?

Wößmann:

Ja, genau das ist die zentrale Bedeutung privater Schulen: Weil sie den Eltern echte Alternativen bieten, entsteht ein Wettbewerb der Schulen untereinander um die besten Ideen und Konzepte. Dadurch steigt das Niveau im gesamten Schulsystem - das zeigen auch Studien anhand der Pisa-Ergebnisse.

3. Werden Schulen privater Trägerschaft im Allgemeinen im Vergleich zu den staatlichen finanziell benachteiligt, und ist das gerechtfertigt?

Wößmann:

Damit die Konkurrenz wirklich allen zugute kommt, darf der Zugang zu den Privatschulen nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängen. Deshalb sollten Schulen in privater Trägerschaft pro Schüler die gleichen staatlichen Mittel bekommen wie staatliche Schulen. Derzeit erhalten sie aber - das ist je nach Bundesland unterschiedlich - in den ersten drei Jahren meist gar keine Förderung, danach nur rund zwei Drittel der Förderung der staatlichen Schulen.

4. Erreichen Schüler an privaten Schulen ein höheres Leistungsniveau?

Wößmann:

Nicht unbedingt: Wenn der Wettbewerb funktioniert, ist er eine Flut, die alle Boote hebt - auch die staatlichen Schulen.

5. Gibt es in Deutschland insgesamt zu wenig Schulen in privater Trägerschaft?

Wößmann:

Wenn es um die Trägerschaft geht: ja. In Deutschland gehen nur acht Prozent der Schüler auf Privatschulen. Zum Vergleich: In den Niederlanden sind es dagegen fast drei Viertel. Das geht jedoch nur bei gleicher staatlicher Finanzierung, und dann profitieren am Ende alle vom Wettbewerb, gerade auch die in unserem System Benachteiligten.