Die CDU-Chefin demobilisiert auf dem Parteitag ihre Gegner.
Es ist ihr zweitschlechtestes Ergebnis und doch ein Erfolg. Nach Monaten schwarz-gelber Trostlosigkeit mit mehr als 90 Prozent als Parteivorsitzende bestätigt zu werden ist einem Kunststück geschuldet, wie es wohl nur Angela Merkel aufzuführen vermag. Sie hat sich neu erfunden, wieder einmal - und kräftig ausgeteilt.
In Zeiten von Bürgerprotesten hat sie nicht Brücken gebaut, sondern Mauern. Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 reduzierte sie zu Kammmolch-Schützern. Und allen, die einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke skeptisch gegenüberstehen, bescheinigt sie mangelnde Einsicht in energiepolitische Notwendigkeiten. Merkel hat jene entzückt, die sie am schärfsten kritisierten: die Konservativen und die Wirtschaftsliberalen in ihrer Partei. Sie hielt eine Rede, die eigentlich nur in einen Lagerwahlkampf münden kann. Koalitionen mit den Grünen sind für die einstige Klimakanzlerin jetzt "Illusionen" und "Hirngespinste". Und auch den Rückweg zur Großen Koalition hat sie versperrt.
Der CDU-Chefin, die vor einer linken Republik warnt, wird nicht entgangen sein, dass die bürgerliche Regierung zurzeit keine Chance auf Wiederwahl hätte. Wenn sie die Union in dieser Situation an die strauchelnde FDP bindet, tut sie den Liberalen einen Gefallen, nicht aber der eigenen Partei. Dafür kann Angela Merkel das beste Ergebnis in der engeren CDU-Führung für sich verbuchen.
Merkel war 2005 als Radikalreformerin in den Wahlkampf gezogen. Als sie sich in einer Koalition mit der SPD wiederfand, mühte sie sich, das Profil der CDU zu verwischen. Der Wahlkampf 2009 folgte einer Strategie, die Politikwissenschaftler als asymmetrische Demobilisierung bezeichnen: Man hält sich mit kontroversen Stellungnahmen zurück, um das gegnerische Lager einzulullen.
Nach innen hat Merkel nun eine andere Form der Demobilisierung gewählt. Um die Kritiker in der Partei für sich zu gewinnen, schlug sie Töne an, nach denen sich Konservative sehnen: Es dürfe keine Zuwanderung in die Sozialsysteme geben. Es gebe ein Zuwenig an Christentum in Deutschland. Besonders gut kommt das im traditionellen Baden-Württemberg an, wo im Frühjahr wichtige Landtagswahlen anstehen.
Wenn Angela Merkel über 2013 hinaus regieren will, muss sie eine weitere Wandlung vollziehen. Sie wird ihr nicht schwerfallen.