Hamburg/Schwerin. Auch Dauercamper sollen das Land wegen Corona verlassen. Einige Einwohner verhalten sich nun offenbar aggressiv. Eigentümer klagen.

Pöbeln und spitzeln – sind das die neuen Extreme im Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern? Vor einer Woche mussten nun auch – wie schon vor einem Jahr – Zweitwohnungsbesitzer und Dauercamper wegen der strengen Corona-Schutzverordnung das Land verlassen.

Seitdem schlagen die Wellen hoch. Eigentümer klagen vor Gerichten, Polizisten weisen Besucher zurück, der Buchungsboom für den Sommerurlaub bleibt aus. Und es mehren sich Berichte über Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen mit auswärtigen Gästen.

Doreen Siegemund, Geschäftsführerin des FDP-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, sagte dem Abendblatt: „Aus den Schilderungen Betroffener entnehmen wir viel Misstrauen, das ihnen entgegenschlägt. Ein auswärtiges Kfz-Kennzeichen verleitet schon zu Denunziantentum und Pöbeleien.

Mecklenburg-Vorpommern hat schärfere Corona-Regeln

Verantwortungslose Politiker heizen diese Entfremdung von Bewohnern und Gästen noch auf.“ Die Landesregierung sei mit den strikten Beschränkungen auf dem besten Wege, Zweitwohnsitznehmer, Dauercamper und Bootsbesitzer, Tagesausflügler und Übernachtungsgäste zu verprellen, so die FDP.

Die verschärften Corona-Schutzmaßnahmen sehen vor, dass Zweitwohnungsbesitzer, Dauercamper und Pächter (z. B. Kleingärtner, Bootseigner mit Liegeplatz ohne 1. Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern) das Bundesland bis zum 24. April verlassen mussten. Es würden keine Ausnahmeregelungen für dieses Einreiseverbot erteilt, heißt es.

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Bei Nichtabreise droht Bußgeld von bis zu 2000 Euro

 Bei Nichtabreise droht ein Bußgeld von 150 bis 2000 Euro. Die Behörden werden dieses und weitere Verbote kontrollieren, betonte eine Sprecherin des Schweriner Innenministeriums. „Um die Einhaltung der Corona-Maßnahmen zu gewährleisten, sind die Ordnungs- und Gesundheitsämter originär zuständig.

Unterstützt werden diese Behörden regelmäßig durch die Landespolizei unter anderem durch stationäre und mobile Kontrollen, um den touristischen Reiseverkehr zu unterbinden. „Zudem wird die Einhaltung der Corona-Maßnahmen auch mobil während der Streifentätigkeit überprüft“, sagte die Sprecherin.

Ehepaar scheiterte mit Antrag gegen Ausreisepflicht

So ahndeten die Beamten der Polizeiinspektion Stralsund innerhalb von 24 Stunden insgesamt elf Verstöße gegen die derzeit gültige Corona-Landesverordnung Mecklenburg-Vorpommerns. In zehn Fällen waren die Betroffenen unerlaubt ins Bundesland eingereist, acht Personen kamen aus Berlin. Zudem wurde auf der Insel Ummanz vor Rügen eine Frau aus Berlin angetroffen, die ihre Zweitwohnung unerlaubt aufsuchte. In allen Fällen leiteten die Beamten ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Ein Berliner Ehepaar mit Zweitwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern (Darss) scheiterte unterdessen mit einem Antrag gegen die Ausreisepflicht vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald. Wie viele Menschen der „Rausschmiss“ im ganzen Land tatsächlich betrifft, weiß niemand, heißt es in der Regionalzeitung „Nordkurier“.

Touristiker hoffen auf Sommergeschäft an der Ostsee

Etwa 38.000 Zweitwohnsitze von Menschen, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Bundeslandes ist, seien regis­triert. „Die betrifft es auf jeden Fall“, zitiert das Blatt einen Regierungssprecher. Dazukämen aber noch nicht angemeldete Wohnsitze oder Dauercamper. Eine abschließende Zahl gibt es deshalb nicht.

Vorerst bis zum 11. Mai darf nur nach Mecklenburg-Vorpommern einreisen, wer seinen Hauptwohnsitz in dem Bundesland hat oder seine Kernfamilie besucht. Tagestourismus und sonstige touristische Reisen sind untersagt  – auch Fahrradtouren auf dem beliebten Elberadweg sind nicht möglich, sagt Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Den Verband erreiche eine „hohe Welle der Unzufriedenheit“.

Die Touristiker hoffen nun auf das Sommergeschäft und wollen der Landesregierung dafür einen Zweistufenplan vorschlagen. Genesene und Geimpfte sollen stärker berücksichtigt werden.

Tourismus im Binnenland verändert sich

Sowohl der Tourismusverband als auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern fordern für die beiden Branchen stärkere finanzielle und auf den Umsatz von 2019 bezogene Hilfen wie im November 2020. Dehoga-Landespräsident Lars Schwarz berichtet, dass ein Drittel der Hoteliers und Gastronomen darüber nachdenkt, ihren Betrieb aufzugeben.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Vor allem das Binnenland könnte davon betroffen sein. „Das touristische Bild in Mecklenburg-Vorpommern wird nach der Pandemie definitiv anders aussehen“, befürchtet er. Auch die Dehoga hofft auf das diesjährige Sommergeschäft. Die Politik müsse dafür rechtzeitig die Weichen stellen. Die Buchungslage durch die Urlauber sei momentan noch eher zurückhaltend. Wie Woitendorf sagt, sei der Wettbewerbsdruck durch die Mitbewerber in Griechenland, Spanien und auf dem Balkan groß.