Hamburg. Zu unserem Essay zum Thema „Mehr Empathie“ erreichten uns außergewöhnlich viele Leserzuschriften. Hier finden Sie eine Auswahl.
Sehr anstrengend
7. Januar: Mehr Empathie, bitte! Nur mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Sachpolitik werden wir nicht durch die Pandemie kommen. Es ist Zeit für Gefühle
Wir sind als vierköpfige Familie ebenso wie Millionen andere Familien mit schulpflichtigen Kindern betroffen. Glücklicherweise kann ich dank meines Arbeitgebers von zu Hause aus arbeiten und so nebenbei meine Kinder im Homeschooling unterstützen. Das ist ein riesiges Privileg und dennoch sehr anstrengend. Viele Eltern in Deutschland können kein Homeoffice machen. Seit März haben unsere Kinder (4. und 8. Klasse) viel dazugelernt, gehen inzwischen souverän mit Laptop, Drucker und Schulportal um und sind noch selbstständiger geworden. Wir sind unheimlich stolz auf unsere Kinder und vermitteln ihnen regelmäßig, das Beste aus dieser besonderen Situation zu machen.
Dennoch bleibt für die Kinder einiges auf der Strecke: Virtueller Unterricht kann den Präsenzunterricht nur bedingt ersetzen. Viel Schulstoff geht verloren. Unbefangen und spontan Freunde zu treffen, ist kaum noch möglich. Was ich bei den meisten Entscheidungsträgern in der Politik vermisse, ist Authentizität und Selbstreflektion. Es müsste viel mehr menscheln. Auch Ministerpräsidenten/-innen können mal Fehler offen zugeben, Emotionen zeigen und uns Wählern das Gefühl vermitteln, dass sie die Herausforderungen und Sorgen des normalen Bürgers, der Familien, der Kinder ernst nehmen. Sicherlich ist es für die Politik in diesen Zeiten nicht einfach, die Lage immer richtig einzuschätzen, die besten (häufig unpopulären) Entscheidungen zu treffen und dies auch noch adressatengerecht zu vermitteln. Es wäre ein erster, richtiger Schritt, dies auch mal so zu benennen. Und sich direkt an die Kinder zu wenden, sie ernst zu nehmen und dies auch so zu vermitteln. So wie es die norwegische Ministerpräsidentin im letzten Jahr gemacht hat.
Matthias Griese
Für ein starkes „Wir-Gefühl“
Mit Interesse habe ich den Beitrag zur Empathie gelesen und möchte mich ausnahmsweise mal an der gewünschten Diskussion beteiligen. Zustimmend will ich zu Beginn sagen, dass alles richtig ist, was Lars Haider hier geschildert hat. Auch ich gehöre zu den eher Leisen, zu denen, die nicht systemrelevant sind, denen keiner dankt, dass man den Alltag unter Corona-Bedingungen meistert. Die eigenen Kinder sind mittlerweile groß und aus dem Haus, ich kann zwar meinen Minijob wegen Corona nicht mehr ausüben, erhalte auch keine Unterstützung. Sicher wünsche auch ich mir Empathie, keine Frage, aber hat Empathie jemals eine so existenzielle Krise bewältigt? Wir wünschen uns alle, dass wir für unser Durchhalten auch entschädigt werden. An dieser Stelle wünsche ich mir von den Entscheidern nicht Empathie, sondern klare Worte an alle, an die sich alle halten, damit das „Wir-Gefühl“ uns stark durch diese Zeit bringt und nicht am Ende wieder die „Lauten“ mehr Gehör und Beachtung finden.
Claudia Meier
An die Jüngsten denken
Danke für den großartigen Beitrag zum Thema, er spricht mir aus der Seele! Abgesehen von der Bemerkung, dass Mütter leider besonders viel leisten (müssen) in dieser Zeit – was direkt zu Herzen geht –, ist es auf den Punkt getroffen, dass wichtige Entscheider in dieser Krise keine Mütter oder Väter sind. Nach meinem Verständnis macht genau das im Hinblick auf mehr Empathie den entscheidenden Unterschied, wenn ich mich in die Lage der Familien versetze, was diese tagtäglich in dieser Zeit leisten. Auch kann ich auf tatsächliche eigene Erfahrungen als Mutter mit allen dazu gehörenden Herausforderungen zurückgreifen. Mehr denn je scheint mir von Bedeutung, dass auch die Jüngeren und Jüngsten in den Fokus rücken, da sie zugleich die Schwächsten sind, weil sie ihre eigenen Belange womöglich noch nicht thematisieren und kommunizieren können. Es wird Zeit, endlich auch mal die Brille der jüngeren und jüngsten Generation aufzusetzen (ohne die Älteren dabei aus dem Blick zu verlieren) – sonst werden sie den größten Kollateralschaden dieser Krise zu tragen haben!
Berit Liebich, Volksdorf
Ich bin nicht mehr motiviert
Sie haben so recht mit dem Artikel. Die Politiker kümmern sich um die Belange der Kinder viel zu wenig und dass, obwohl sie doch später eventuell zu Wählern werden. Die Kitas und Schulen sind geschlossen, die Eltern sollen das alles stemmen. Das geht aber nicht. Ich bin Ende Februar dann ein Jahr coronabedingt arbeitslos. Da jetzt schon wieder keine Kinderbetreuung stattfindet und ich auch keine Erlaubnis habe, meine Kinder in die Notbetreuung zu geben, werde ich dann Anfang März ohne Sozialversicherung dastehen. Das Arbeitslosengeld läuft aus, und einen Anspruch auf weitere Leistungen haben wir nicht. Das wird bestimmt ein total spannendes Abenteuer, mal schauen, was ich dem Jugendamt erzählen werde, warum wir nicht zur U-Untersuchung gegangen sind. Bin überhaupt nicht motiviert und glaube auch nicht mehr daran, dass alles besser wird.
Britta Krebs
Vorgetäuschter Aktionismus
Ein wunderbarer und wichtiger Artikel. Wir alle, aber besonders die Politiker, schauen erstarrt wie das Kaninchen auf die Schlange, auf die Zahlen, die uns um die Ohren fliegen! Obwohl diese in den meisten Fällen, gerade jetzt nach den Feiertagen überhaupt nichts aussagen und ständig relativiert werden. Sie werden als Grundlage für Entscheidungen und – auch ich sehe das mit zunehmender Sorge – benutzt, um ständige Angst zu schüren! Ein ängstliches Volk lässt sich halt gut regieren. Die meisten von uns nehmen sich zurück, wir schränken unsere privaten Kontakte ein, wo es nur geht und schütteln doch, wie ich finde zu oft den Kopf über unlogische Vorgaben, die wie das Scheingefecht gegen den Drachen wirken – aber sie täuschen Aktionismus der Handelnden vor!
Die Hörigkeit auf Zahlen und Relationen wäre gerechtfertigt, wenn Faxgeräte, fehlende oder verspätete Datenübertragungen und Behördenschließzeiten nicht wären. In der Pandemiebekämpfung wären das wichtige Parameter! Mir bricht fast immer das Herz, wenn ich Senioren am Rollator ganz allein im Park an der frischen Luft mit Maske sehe. Wie groß ist da die Angst, und wie wenig guter Sauerstoff kommt in die Atemwege? Insofern wäre nicht nur Empathie der Politiker wichtig, sondern auch vernünftige Entscheidungsgrundlagen oder zumindest ein ehrlich geäußertes Eingeständnis, dass sie genauso hilflos sind wie wir alle!
Solveig Binroth, Norderstedt
Unterstützung gefährdet
Danke dafür! Die Beschlüsse von Bund und Ländern treffen Familien in nicht mehr zu verantwortender Härte, obwohl Eltern und Kinder die Hauptlast aller bisherigen Einschränkungen tragen mussten. Die mangelnde politische Empathie führt durch die verschärften Kontakteinschränkungen zur Gefährdung elementarer familiärer Strukturen zur Unterstützung. Viele ältere Menschen sind auf die regelhafte Alltagsunterstützung durch ihre Kinder und deren Familien bei der Pflege und Haushaltsführung angewiesen. Dies geht nicht mehr, wenn Kinder unter 14 Jahren mitgezählt werden und der Kontakt auf eine Person beschränkt wird. Es ist nicht mehr vermittelbar, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung weiterhin jeden Tag am Arbeitsplatz und in vollen Bussen und Bahnen wesentlich zur Verbreitung des Infektionsgeschehens beiträgt und helfende familiäre Alltagsstrukturen, die den Staat wesentlich entlasten, zerstört werden. Mit dem grundgesetzlich garantierten besonderen Schutz von Familien und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit bei Grundrechteinschränkungen ist dies nicht mehr zu vereinbaren.
Dr. Wolfgang Hammer, Norderstedt
Zu weinerlich
Mir ist der Tenor dieses Artikels zu weinerlich. Aus meiner Sicht haben viele Politikerinnen und Politiker, besonders auch die Kanzlerin, mehrfach herausgestellt, wie belastend die jetzige Situation für viele Menschen ist. Zuletzt erst in der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten und der Neujahrsansprache von Angela Merkel. Aber ständig auf die Tränendrüse zu drücken, wie schlimm die Lage ist, welche Opfer von manchen Berufsgruppen zurzeit erbracht werden, hilft nicht wirklich. Zu Recht lässt sich die Politik von der Wissenschaft leiten, sind die epidemiologisch kompetenten Wissenschaftler an vorderster Front. Seit der Aufklärung setzt der Staat auf den mitdenkenden Bürger. Und der erkennt, wenn er sich seines Verstandes bedient, dass das Virus nur durch konsequente Kontaktbeschränkung zu bekämpfen ist. Was deutlich wird: Der Mensch ist ein Teil der Natur und kann sich nicht über die Gesetzmäßigkeiten dieser Natur stellen. Das wird nicht nur am Virus erkennbar. Das wird bei der schwindenden Biodiversität, der wachsenden Klimakrise oder dem explosiven Bevölkerungswachstum deutlich. Seit Kant ist klar, dass der Mensch sich aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien kann. Bei der Virusbekämpfung erscheint mir daher wissenschaftliche Aufklärung das Gebot der Stunde. Mitgefühl darf dabei nicht fehlen. Aber bitte in Maßen!
Ulrich Kulicke, Stade
Empathie gibt Halt
Ihre Gedanken haben mich zutiefst berührt. Mitgefühl zu zeigen ist menschlich, wird aber leider in unserer egoistischen Welt viel zu selten als Wert, der Menschen Kraft gibt, herausgestellt. Es ist daher so wichtig und nie zu spät, genau diese Diskussion über „Mehr Empathie“ zu starten. Empathie gibt Halt, motiviert und erreicht Menschen in ihren Herzen. Botschaften, wie sie jetzt von der Politik kommen, wirken nachhaltiger und erreichen viel mehr Menschen, würden sie uns weniger kühl und mahnend á la Karl Lauterbach „aufgetischt“, denn empathischer vermittelt werden. Es verhält sich genauso wie im Berufsleben, wo die Führungskräfte, die Mitgefühl zeigen und keine Angst vor einer Fehlerkultur haben, mehr Zuspruch und Loyalität erfahren, als die, die diese „soft skills“ nicht zeigen. Angela Merkel hat, und da haben Sie völlig recht, ihre Empathie-Fähigkeit zuletzt häufiger durchblicken lassen und sie hatte eine Wirkung, die selbst im Ausland wahrgenommen wurde. Wäre es nicht schön, wenn wir uns alle ein Beispiel an denen nehmen, die bewusst Mitgefühl zeigen und dadurch den Nachbarskindern, den alleinerziehenden Eltern im Homeoffice, -schooling, dem verzweifelten Gastronomen usw. Trost und Zuversicht spenden?
Steve Rudnik, Ahrensburg
Danke für Ihre Hand!
Vielen Dank für diesen großartigen Artikel! Mir sind wahrlich die Tränen gekommen. Mehr Empathie, bitte! Ja, das fehlt. Die warmen Worte, das wirkliche Gesehenwerden, das „Ich verstehe dich und fühle mit dir!“. Beruflich, wie auch privat sind viele Menschen am Rand ihrer Leistungsfähigkeit, und die Hand auf der Schulter fehlt. Vielen, vielen Dank für „Ihre Hand“!
Susanne Müller, Dornieden
Wir kommen da durch!
Vielen Dank an Lars Haider für den wirklich empathisch verfassten Artikel! Ich denke, dass es allgemein nicht an Empathie fehlt, sondern lediglich an den Möglichkeiten, diese zum Ausdruck zu bringen. Für viele Menschen ist der Lockdown zumindest erträglich. Zwar fehlt fast alles, was das Leben bunt und lebenswert gemacht hat, aber die Wohnung ist warm und der Kühlschrank gefüllt. Es könnte also schlimmer sein. Was aber für fast alle die große Bedrückung erzeugt und das Leben im Augenblick so düster erscheinen lässt, ist das Wissen, dass es vielen Menschen im Augenblick richtig schlecht geht angesichts gesundheitlicher, häuslicher oder beruflicher Probleme, und das bei einer ungewissen Perspektive.
Da ist dann schon die empfundene Empathie, aber wie zum Ausdruck bringen? Was nützen den von der Pandemie wirklich hart getroffenen Menschen bloße Worte? Das werden sich auch die Politiker denken, deshalb sehen sie es zu recht primär als ihre Aufgabe, die Pandemie durch Handlungen effektiv zu bekämpfen und möglichst zu beenden. Allerdings könnte schon auch von dieser Seite öfter ein: „Wir kommen da durch!“ zu hören sein.
Beatrice Wagner
Bitte keine Stimmungsmache
Was soll diese Stimmungsmache? Auch wenn wir mit der Politik von Frau Merkel nicht immer einverstanden waren, so denken wir doch, dass sich Frau Merkel gerade in dieser Zeit – Entschuldigung – den Hintern aufreißt. Wie wäre es denn mit deutlich mehr Empathie für die Erkrankten auf den Intensivstationen und den Hinterbliebenen der an Covid-19 Verstorbenen anstatt mit der Schlagzeile auch noch Öl ins Feuer der Querdenker zu gießen. Ist es Ihrerseits nicht naiv, sich auf Versprechen zu berufen, die niemand seriös bei dieser neuen Pandemie vorhersagen konnte. Und Ihre Vergleiche entbehren jeder Seriösität. Die Unberechenbarkeit der Pandemie haben Sie doch offenbar selbst erkannt, dann beteiligen Sie sich doch nicht an diesem Fatalismus, sondern wirken ausgleichend und vermittelnd. Wenn sich von Beginn der Pandemie alle an die Regeln gehalten hätten, wären wir heute nicht in dieser heutigen kritischen Situation.
Sonja Bünzow und Hubert Ehrhorn
Empathie ist wie Medizin
Vielen Dank für Ihren großartigen Artikel. Es ist Zeit für Gefühle. Auf Seite 1 im Hamburger Abendblatt mahnt Bürgermeister Tschentscher, die Hamburger sollen am besten niemanden mehr treffen. Im selben Artikel lesen wir dann, dass Innensenator Andy Grote sich bei allen Hinweisgebern bedankt, die Verstöße gegen private Kontaktbeschränkungen der Polizei melden. Das ist ein Aufruf zum Denunziantentum! Angst und Misstrauen sind damit programmiert. Und diese sind Gift für die psychische und körperliche Gesundheit der Menschen. Dabei sollten wir doch viel mehr Empathie für unsere Mitmenschen haben, das wäre Medizin.
Ilsemarie Strege
Mit gutem Beispiel voran
Herr Haider hat sehr viele, richtige und wichtige Punkte angesprochen. Leider tragen aber auch die Medien zur miesen Stimmung bei. Sind es heute weniger Infizierte als vor einer Woche, werden die steigenden Todeszahlen als Erstes vermeldet. Vom positiven Absinken des 7-Tage-Werts wird kaum berichtet. Und wie hilft uns die Gesamtzahl der Infizierten weiter? So macht man niemanden Mut! Die Virologen sind zweifelsfrei anerkannt in ihren Berufen, nur sind sie leider keine Profis im Überbringen der Nachrichten. Die Bürger haben sich in den letzten Wochen und Monaten diszipliniert verhalten – schwarze Schafe wird es immer geben, da können sich die Herren Söder und Lauterbach noch weitere „Daumenschrauben“ ausdenken. Es ist jetzt an der Zeit, den mündigen Bürgern auch wieder Vertrauen zurückzugeben. Viele Arbeitnehmer möchten – unter Einbehalt aller Hygiene-Regeln – gerne wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Das hat nicht nur mit dem Verdienstausfall zu tun, Arbeit ist für viele auch ein wichtiges Stück Lebensinhalt. Und von den Politikern hätte ich insgesamt mehr Vorbildfunktion erwartet: Verzicht auf Diäten (wie beim Kurzarbeitergeld) und Impfen vor laufender Kamera wären beispielhaft zu nennen, schon Albert Schweitzer wusste: „Mit gutem Beispiel voranzugehen, ist nicht nur der beste Weg, andere zu beeinflussen, es ist der einzige!“
Norbert Herzberg, Pronstorf
Damit wird Ärger angeheizt
Dass der jetzige Lockdown für viele sehr schwer zu ertragen ist und bis an die Grenze belastet, wird niemand bestreiten können. Aber jetzt: Reden Sie mit uns! Mit wem soll Frau Merkel denn reden? Was Sie da erwarten, ist ein Spontan-Paradox. Bedeutet also: Frau Merkel und andere Politiker stellen sich hin und nehmen Anteil, per Mikrofon. Das muss aufgesetzt wirken. Mit Zuwendungsemotionen auf Anforderung heizen Sie den Ärger und den Frust über sachlich unvermeidbare Maßnahmen noch an.
Jürgen Beiler
Frage der Empathiefähigkeit
Die Gegebenheiten der Pandemie sind eine neue Herausforderung an unsere Gesellschaft. Wir können in beschleunigter, bzw. konzentrierter Form beobachten, welches Befähigungsinventar unsere Gesellschaft aufweist, diesen Herausforderungen zu begegnen. Wie viel Solidarität bringt der durch die Pandemie kaum in seinem Wohlstand Tangierte für denjenigen auf, für den diese Krise eine materielle Katastrophe darstellt? Wie viel Empathiefähigkeit hat der bislang beruflich oder privat nie oder selten mit Leid Konfrontierte für den, der sich täglich mit Schmerz, Leid, Krankheit und Tod auseinanderzusetzen hat? Wie viel Freiheitsbeschränkung erduldet der Gesunde klaglos, um den Kränklichen zu schützen? Meine Antwort auf diese Fragen fasse ich so für mich so zusammen: Ich bin froh und dankbar, in diesen Zeiten von Menschen durch die Krise geleitet zu werden, die nicht in erster Linie durch egoistische Interessen angetrieben werden.
Unsere Kanzlerin strebt ihre Wiederwahl nicht an. Während die Verantwortlichen in Medizin und Forschung einen überragenden Job machen, in atemberaubender Geschwindigkeit Impfstoffe entwickeln, Impfzentren erstellen und dort Tausende Freiwillige rekrutieren, werden Medien nicht müde, jedes noch so kleine Haar in der Suppe zu suchen und immer wieder auf divergierende Meinungen von Nichtfachleuten oder profilierungsbenachteiligten Politikern hinzuweisen. Wer gestern noch den flächendeckenden Einsatz von Schnelltests befürwortete, beschwert sich heute über eine wunde Nase. Sicher müssen wir alle Beteiligten innerhalb der Gesellschaft im Auge behalten und kluge Initiativen entwickeln. Ist es dennoch nicht etwas irrational, der Kanzlerin fehlende Empathie in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu unterstellen, wenn sie als Kanzlerin im Kreise aller Repräsentanten der Bundesländer parteiübergreifend Rahmenrichtlinien zu erstellen versucht, welche die Gratwanderung der ebenso notwendigen wie auch ausreichenden Maßnahmen berücksichtigen?
Unsere Gesellschaft kann es sich leisten, Leben schützen zu wollen. Es bedarf jedoch einer gewissen Resilienz, in unserem Wohlstandsparadies auch einmal für gewisse Zeit auf scheinbar gottgegebene Privilegien verzichten zu können. Wenn unsere Gesellschaft sich am Ende dann auch so etwas wie Pandemie-Resilienz angeeignet hat, werden auch zukünftige Generationen davon wieder profitieren und die verlorenen sozialen Erfahrungen mehr als nachholen können.
Dr. Frank Goebels
Das ist menschenunwürdig!
Ich bin 76 Jahre alt und arbeite einmal wöchentlich ehrenamtlich in einer Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose und sozial schwache Menschen in Norderstedt. Beim ersten Lockdown haben wir die Tische weit genug auseinandergestellt und nur jeweils zwei Personen mit Abstand in Schichten dort essen lassen. Beim verschärften Lockdown in der kalten Jahreszeit, als wir niemanden mehr hereinlassen durften, haben wir ein großes Zelt vor der Küchenseite aufgestellt, drei Tische mit jeweils zwei Stühlen und großem Abstand dort platziert und das Essen durchs Küchenfenster hinausgereicht. Das war schon eine Zumutung. Jetzt ist auch dies verboten. Unsere Gäste dürfen sich das Essen nur noch zum Mitnehmen durchs Fenster reichen lassen. Im Zelt stehen keine Tische und Stühle mehr, und sie dürfen ihr Essen nicht auf unserem Gelände einnehmen, also auch nicht im Schutz des Zeltes. Sie dürfen die Toiletten nicht benutzen und nicht duschen. Sie müssen bei jedem Wetter außerhalb des Geländes im Stehen essen und suchen sich dafür irgendwelche Geländer, Mauern, Bänke, wo sie das Geschirr abstellen können. Das ist alles menschenunwürdig. Und wenn ich dann noch mit meiner Frau nicht unseren gehbehinderten Nachbarn besuchen darf, er aber uns, dann scheint mir klar, dass die bürokratische Beamtenseele bei den Handelnden gewonnen hat und nicht Vernunft basierter Pragmatismus gepaart mit Empathie.
Bernd Rüdiger, Norderstedt
Keine Wasserstandsmeldungen
Vielen Dank für diesen wunderbaren, dringend nötigen Artikel. Nicht nur Empathie fehlt, auch die Ratio ist zugunsten von Angsterzeugung verloren gegangen. Es geht längst nicht mehr nur um das Virus; in einer Art puritanischer Opferkultur wird alles als gefährlich betrachtet, was Menschen Freude bereitet (und nebenbei vielleicht der Wirtschaft hilft). Und statt der fragwürdigen täglichen „Wasserstandsmeldungen“ des RKI sollten die erfreulichen Zahlen inzwischen geimpfter Risikopatienten auf der Titelseite stehen, das könnte schon sehr die Stimmung heben.
Dr. Martin Schwager
Positive Signale senden
Klar kommen wir da durch, davon bin ich überzeugt und wir sollten im täglichen Leben versuchen, mit kleinen Gesten unseren Mitmenschen zu zeigen, dass sie wichtig für uns sind und damit positive Signale senden. Wenn ich zum Beispiel Menschen grüße, die ich nicht kenne, an der Kasse beim Bäcker für die Kaffeekasse gut aufrunde, dem Paketboden ein Trinkgeld gebe, Pakete für die Nachbarn annehme, einfach nur versuche, positiv zu sein, merke ich, dass man auch positive Rückmeldung erhält und das tut gut. Mit kleinen Gesten – egal was – Empathie zu zeigen, ist meines Erachtens das Wichtigste heutzutage, das kann Jeder.
Corinna Schaumann
Zuversicht ausstrahlen
Es ist gut, dass Sie die Betroffenheit der Kinder und Jugendlichen hervorheben, die Leistung der Eltern betonen, die Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut bringen müssen, der in ‚systemrelevanten‘ Berufen sich Abrackernden, auf die Not der durch die Pandemie arbeitslos Gewordenen hinweisen, von trauernden Angehörigen der Verstorbenen ganz zu schweigen. Genau so wichtig ist es, Zuversicht auszustrahlen, und auch das tun Sie. Kranke, pflegebedürftige, gar sterbende ältere Menschen von ihren Kindern und Enkeln zu trennen, ist hart. Aber es gibt viele fitte Senioren, und die sind privilegiert: Ihren Job brauchen sie nicht mehr, ihre Rente fließt unbeeinflusst von der Pandemie, ihr Leben liegt weitgehend hinter ihnen, ein Jahr relativer Isolation (mit Handy, Skype und Zoom) können sie locker wegstecken. Sie sind die am wenigsten Empathie-Bedürftigen und gehören meines Erachtens nicht in die erste, allenfalls in die 3. Gruppe der Impfberechtigten. Ich darf so schreiben, ich bin fast 86.
Jochen Wörmer
Wir kommen ins Grübeln
Wir leben seit knapp fünf Jahren mit Kindern und Enkelkind auf einem Resthof in der Lüneburger Heide und begegneten uns bisher mehrmals täglich. Derzeit ist der Hof ein Viergenerationenhof, weil wir Uroma/Oma/Mutter/Schwiegermutter für die Corona- bzw. Pandemiedauer zu uns geholt haben, um sie in ihrem Zuhause nicht zu gefährden. Das verlangt allen Rücksicht und Nachsicht ab, und emotional ist es sehr schwer. Weil wir in zwei sehr großen Wohnungen leben, sollen wir uns ab jetzt nicht mehr bzw. absolut eingeschränkt sehen, besuchen und unterstützen dürfen? Der denkende und wählende Bürger, der zum Untertan „mutiert wurde“, kommt ins Grübeln, was die Damen und Herren Ministerpräsidenten in ihrer nächsten freien Minute zur Selbstdarstellung wieder aushecken! Unwürdig im wahrsten Wortsinn ist das.
Thomas Fuhrhop, Lünzen