Diese eine Liebe wird nie zu Ende geh’n ... Für eine NDR-Reihe besucht die Moderatorin Judith Rakers Rügen, Sylt und Föhr.
Sylt geht immer. Nicht nur als Urlaubsziel liegt die Nordseeinsel bei den Deutschen ganz weit vorn, auch als Reportagegegenstand erfreut sie sich, so scheint es, wachsender Beliebtheit. „Sylt – Königin der Nordsee“ titelte der „Stern“ in einem August-Heft, das gewiss nicht zu den schlecht verkauften Ausgaben dieses Jahres zählen wird. Es folgte eine zwölfseitige, üppig mit Party- und Naturfotos garnierte Ode an den bekanntesten „Promi-Sandkasten“, aufgeschrieben von Edelfeder Ulrike Posche. Sylt ist schließlich nicht irgendwer. An diesem Freitag nun startet die „Tagesschau“-Sprecherin und „3 nach 9“-Moderatorin Judith Rakers ihr dreiteiliges Sommerspecial für ihren Haussender NDR, in dem auch sie der Faszination Sylt jenseits des lauten Jetsets (und natürlich auch inmitten der Champagnerpartys) auf die Schliche zu kommen versucht. Sehr wahrscheinlich, dass die Einschaltquote über dem Sendeplatz-Durchschnitt liegt. Nord- und Ostsee sind im Fernsehfach nun mal so alltagstauglich und generationsübergreifend gern gesehen wie sonst nur frisch geschlüpfte Tierjunge.
Die NDR-Sommertour-Reihe startet mit der rund 1000 Quadratmeter großen Ostseeinsel Rügen, es folgen in wöchentlichem Abstand die Nordsee-Schwestern Sylt und Föhr. Rügen ist Rakers erklärte Lieblingsinsel, die sie seit 2009 mindestens einmal jährlich mit Ehemann und Pferden bereist. Die Insel sei ihr Ruhepol, ihre Oase, erzählt Rakers. Der Ton der Reportage ist damit gleich gesetzt. Hier geht es nicht darum, die Schattenseiten deutscher Urlaubsparadiese zur Hauptsaison aufzuzeigen. Die kleinen Filme wollen Lust machen aufs Reisen. Auf Entdeckungen im eigenen Land. „Schaut her, so schön ist es hier“, rufen sie mit beinahe jeder Einstellung. Der Wind pustet die Wolken voran, Pferde galoppieren über Sand, das Leben kann so sorgenfrei sein.
Zwar wird auch mal ein Rügener Bauprojekt kritisch unter die Lupe genommen, die Sylter Schickeria mit Augenzwinkern überzeichnet – aber die Haltung der Moderatorin ist eine grundfreundliche. Warum auch nicht? Zudem besitzt Rakers die maximal besten Moderatoreneigenschaften für diese Art der leichten Reisereportage: Sie ist unerschrocken, unverwüstlich, das Lächeln sitzt in jeder Situation. Ihr Motto: Kann man da mal mitmachen? Selbst ihre Höhenangst überwindet Rakers für den Zuschauer: Auf Rügen kraxelt sie bis zum schönsten Aussichtspunkt der Insel (na gut, sie macht auf halber Strecke kehrt), auf Sylt wagt sie sich ins Segelflugzeug. Sie reitet und surft, rührt in den Töpfen eines Sternekochs (als bekennende Nicht-Köchin) und probiert die legendäre Krabbensuppe des Sylter Fischpapstes Jürgen Gosch. Sie erkundet die Störtebeker Festspiele und testet den Sylter Golfplatz (Hausordnung: Keine Jeans! Keine Löcher in der Hose!) „Ich bin nicht der Urlaubstyp, der gern am Strand liegt“, sagt Rakers. „Wenn ich doch am Strand bin, mache ich Wassersport.“
Rakers erschließt sich die Insel über die Menschen, denen sie dort begegnet. Das sind einheimische Urgesteine ebenso wie prominente Zeitgenossen. Model Franziska Knuppe reist schon von Kindesbeinen an nach Rügen, Moderatorin Ulla Kock am Brink fühlt sich seit Jahren auf Sylt zu Hause, Synchronsprecher Christian Brückner (Robert de Niro!) ist bekennender Föhr-Liebhaber.
Lust auf Reisen und traumhafte Naturaufnahmen
Der Versuch, eine ganze Insel in 30 Minuten Sendezeit zu pressen, ist natürlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aber auf Vollständigkeit hat es diese Art der Kurzzeit-Reisedoku auch gar nicht abgesehen. Zumal die Macher voraussetzen können, dass den meisten Zuschauern die ein oder andere Insel wohl bereits vertraut ist. Mehr als auf Information ist Rakers’ Sommerspecial auf den wohligen Widererkennungseffekt angelegt. Wo man selbst bereits ins Fischbrötchen gebissen hat, schaut man anderen umso lieber dabei zu. Darüber hinaus können die Filme mit wirklich traumschönen Naturaufnahmen punkten. Auf Rügen ragen die Kreidefelsen steil aus dem Meer, Buchenwälder und Rapsfelder leuchten in kräftigen Farben.
Manch ein Strandabschnitt auf Sylt sieht derart perfekt aus, dass man sich fragt, wozu man eigentlich noch ein Flugzeug besteigen sollte. Bei den Aufnahmen vom Föhrer Wattenmeer meint man, den modrigen Schlick und diese ganz spezielle Nordseeluft beinahe riechen zu können. Sehnsüchte zu wecken nach unbeschwerten Tagen am Meer, darauf versteht sich das Reportage-Trio bestens.
Judith Rakers, die bereits für den NDR Filme aus dem Frauenknast und über Flüchtlinge gedreht hat, hat ganz offensichtlich Spaß an den Auftragsreisen. Das Reportagerezept der Nachrichtenfrontfrau? Gut vorbereitet reingehen und trotzdem offen sein. „Ich habe keine vorgefertigte These, für die ich dann nur noch die passenden Belege suche. So eine Haltung finde ich auch problematisch, weil sie nur selten der Wahrheitsfindung dient“, sagt Rakers. So kommt es dann zu einer Begegnung wie dieser: Man sitzt am Strand von Kampen, ein Bier in der Hand, und schnackt mit einem 70 Jahre alten Wellenreiter und seiner Familie. „Das war fast wie bei Heinrich Bölls Anekdote vom zufriedenen Fischer. Das Gegenteil von Jetset-Wahnsinn. Das Gegenteil des Klischees. Sylt hat mich wirklich positiv überrascht“, sagt Judith Rakers. Sylt ist eben für manch eine Überraschung gut.