Münster/Essen. Der Täter in Münster-Tatort „Man stirbt nur zweimal“ ist nach fünf Minuten bekannt. Warum sich die folgenden 85 Minuten dennoch lohnen.
Ein Schlag, ein Stoß, ein Sturz, dann hängt Oskar Weintraub (Nils Bunkhorst) da – aufgespießt vom Speer einer exotischen Krieger-Skulptur und deshalb gestorben. Der Mann, der ihn gestoßen hat, ist Jonas Karl Prätorius (Christian Erdmann), eine Art Indiana Jones für mittlere Lohngruppen. Angeblich ist er irgendwo im Dschungel am Ende der Welt verschollen und seit Jahren nicht mehr am Leben. In Wahrheit hat er die letzten Jahre still und heimlich im umgebauten Keller seines Hauses gewohnt, damit seine Frau Doreen (Cordelia Wege) mithilfe ihres Anwalts die Lebensversicherung in Millionenhöhe einstreichen konnte. Gerade am Morgen ist das Urteil vor Gericht gefallen, da kommt Weintraub den Versicherungsbetrügern auf die Spur und erweist sich als unbestechlich bis zum Tod.
Frau mit Gedächtnisverlust
Man kann das alles schreiben, denn vor dem Fernseher ist es bereits in den ersten Minuten zu sehen. Ja, das ist in deutschen Krimis eher die Ausnahme, in US-Serien gar nicht so ungewöhnlich. Nicht die Frage nach dem Täter oder der Täterin (Whodunit) steht im Mittelpunkt, sondern wie man ihn oder sie fasst („howcatchem). Peter Falk hat in 69 Columbo-Folgen so gearbeitet.
Anders als der Detective im zerknitterten Trenchcoat liefern sich die Ermittler aus dem Münsterland den Rest der Zeit aber kein Duell mit dem Täter. Lange Zeit ahnen sie nicht einmal, was wirklich gespielt wird. Thiel (Axel Prahl) ist überzeugt, die plötzlich unter Gedächtnisverlust leidende Doreen Prätorius habe sich lediglich gegen Annäherungsversuche des Juristen gewehrt, Boerne (Jan Josef Liefers) dagegen erahnt zumindest den Versicherungsbetrug. Beide finden aber keine Erklärung dafür, wie so eine zarte Frau einen kräftigen Mann in die Tiefe hätte stoßen können. Obwohl vor allem Thiel – für die Zuschauer bildlich in Szene gesetzt - alle möglichen Szenarien durchspielt.
Tatort Münster ist ernster als gewohnt
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„Man stirbt nur zweimal“ ist von Sascha Arango erdacht worden, der zwar zuvor noch keinen Münster-Tatort aber unter anderem die Borowski-Trilogie um den „stillen Gast“ geschrieben hat. Und er hat auf den sonst so beliebten Klamauk in diesem Städte-Ableger komplett verzichtet. Natürlich gibt es die üblichen – meist sehr gelungenen - Wortgefechte zwischen Boerne, Thiel und Haller (ChrisTine Urspruch), dennoch ist diese 46. Folge ernster, als man es gewohnt ist vom derzeit erfolgreichsten Ermittler-Duo der Reihe.
Nach und nach rückt die von Cordelia Wege beeindruckend gespielte Doreen Prätorius in den Mittelpunkt des Geschehens. Mal berechnend und kühl und mit Pokerface, dann wieder verzweifelt und zerbrechlich kämpft sie lange um und mit ihrem Mann, der sie so oft betrogen und belogen hat. Und wirft dabei vor dem Fernseher immer neue Fragen auf. Wird sie erkennen, dass sie all die Jahre nur Mittel zum Zweck war? Schafft sie es, wieder auf eigenen Füßen zu stehen oder geht sie mit ihrem Partner unter?
Das Drehbuch macht Boerne und Thiel dieses Mal etwas begriffsstutziger als üblich. Doch als die beiden dem Paar langsam auf die Schliche kommen, wird es noch einmal spannend. Während den Ermittlern dabei am Ende im wahrsten Sinne die Luft ausgeht, rast das Ehepaar durchs Münsterland. In die Freiheit? Oder in den Tod?
Wieder einmal ein Münster-Krimi, der sich traut, vom üblichen Konzept abzuweichen. Witzig, aber nicht albern. Ernst, aber nicht düster. Und mit einer Gastschauspielerin, die der Stammbesetzung fast ein wenig die Show stiehlt.