Berlin. Beide sind sie Schauspieler. Und spielen auch in einem Film Vater und Sohn. Darüber sprechen sie nun. Aber nur getrennt voneinander.
Es ist schon ein Kreuz, wenn der Vater berühmt ist und der Nachwuchs trotzdem im selben Beruf Fuß fasst. Ständig muss man sich den Vergleich gefallen lassen. Nicht nur der Filius. Auch der Senior, der das auch noch als Konkurrenz empfinden könnte. Wie bei Johann Sebastian Bach.
Der ARD-Film „Bach – Ein Weihnachtswunder“, der am 18. Dezember ausgestrahlt wird, handelt von der Entstehung von dessen wohl berühmtester Komposition, dem „Weihnachtsoratorium“, unter widrigsten Umständen. Weil das Opus rechtzeitig zum Fest fertig werden soll, was Klerus und Stadtmagistrat aber zu verhindern suchen. Und dann kommt auch noch Sohn Carl Philipp Emanuel zu Besuch, der sich vom Vater abgewandt hat, um sich seine eigenen Meriten zu verdienen.
Ein Gespräch über das Vater-und-Sohn-Verhältnis
Ein hübscher, leicht märchenhafter, Feierstimmung versprühender Familienfilm. Mit Devid Striesow, der schon Friedrich Barbarossa, Karol Wojtyla und Martin Luther gespielt hat und nun auch einen der größten Komponisten aller Zeiten verkörpern durfte, der für den Klassikliebhaber ein Gott ist. „Bach hören ist wie nach Hause kommen“, schwärmt Striesow, „schon von Kindheit an“.
Deshalb war die Rolle ein großes Geschenk, für die er extra Dirigierunterricht genommen und sogar 20 Kilo zugelegt hat. Der Film war aber noch aus einem anderen Grunde besonders: Denn Bachs Sohn wird von Striesows Sohn Ludwig Simon gespielt.
Gern hätten wir die beiden dazu zusammen interviewt. Das aber wollten sie nicht. Stattdessen haben wir sie einzeln gesprochen, am selben Tag, kurz hintereinander. Per Zoom. Den Sohn bei sich zuhause, in seinem Musikzimmer. Den Vater in einem Hotel in München, kurz vor der Bambi-Verleihung. Und doch kommen der 51- und der 27-Jährige sofort und von sich aus auf den anderen zu sprechen und schwärmen in den höchsten Tönen voneinander. Warum dann nicht auch ein gemeinsames Gespräch?
Ludwig Simon wusste gar nicht, dass es die Anfrage gab. Striesow erklärt: „Wir wollen nur sporadisch zusammenarbeiten. Und auch nur in Ausnahmefällen zusammen sprechen. Damit das nicht so ein Aufhänger wird.“ Es gibt auch praktisch keine öffentlichen Fotos von ihnen. Das kenne man ja aus anderen Konstellationen, dass der Junior dann immer nur „der Sohn von“ ist. In diesem Fall ist das aber nicht gegeben. Denn Ludwig Simon hat den Namen seiner Mutter, Maria Simon, ebenfalls eine Schauspielerin („Good Bye, Lenin!“), angenommen, mit der Striesow früher liiert war. Der Nachname Simon ist etwas häufiger als Striesow. Und der Sohn geht längst seinen eigenen Weg.
Erstmals haben die beiden auf Augenhöhe miteinander gearbeitet
Er hat zwar schon in einer „Polizeiruf“-Folge seiner Mutter mitgewirkt („Hexenjagd“ vor zehn Jahren) und in einer „Tatort“-Folge seines Vaters dessen Sohn gespielt („Söhne und Väter“, 2017). Er wurde aber bereits im Schultheater von einer Agentur entdeckt und stand schon als Kind vor der Kamera. Und hat sich einen Namen gemacht mit Filmen wie „Im Niemandsland“ und Serien wie „Wir sind die Welle“ oder „Das Haus der Träume“, der Verfilmung des Romanbestsellers „Torstraße“. Er muss sich also nicht hinter seiner Mutter oder seinem Vater verstecken.
Die Frage, ob Ludwig Simon Bachs Sohn spielen würde oder „ob das schwierig sei mit uns“, die sei ganz schnell gekommen, amüsiert sich Striesow. „Ich meinte nur: Fragt ihn selbst.“ Der Vater hat ihn dann auch gleich selbst angerufen. Und der Sohn hat genauso reagiert wie er: Erst mal wollte er das Drehbuch lesen. Und dann hatte er Lust darauf. Das hat den Vater gefreut. Und auch der Sohn fand diese Arbeit besonders: „In seinem ,Tatort‘ habe ich ja nur eine kleine Rolle gespielt, die war nicht so tragend, und da gab es auch keine Schlüsselszenen mit meinem Vater zusammen. Das ist hier anders.“
Nun ist es aber so, dass es im Film ziemlichen Zwist zwischen Johann Sebastian und Carl Philip Emanuel Bach gibt. Da liegt die Frage nahe: Wie gerade hängt der Haussegen bei Striesow und Simon? Aber da beschwören beide, unabhängig voneinander, dass es keine Parallelen gibt. „Bei uns gibt’s keine Reibereien“, meint der Vater, „ist mir jedenfalls nicht bekannt.“
Und auch der Sohn bestätigt: „Wir verstehen uns bestens.“ Klar, anfangs hatte er Angst: Wird das jetzt wie früher in der Schule, wenn der Papa bei den Hausaufgaben dabei sitzt? Aber das war „absolut nicht der Fall“. Es war auch sehr inspirierend, sich in der Arbeit zu begegnen. Damals, beim „Tatort“, sei er ja noch ein Teenager gewesen. Jetzt aber wären sie sich als Kollegen auf Augenhöhe begegnet.
„Bei uns gibt‘s keinen Zwist. Ist mir jedenfalls nicht bekannt“
Es gibt ja solche und solche Schauspielerdynastien. Eltern, die stolz auf ihren Nachwuchs sind, wie der schwedische Filmstar Stellen Skarsgård auf seine gleich drei schauspielernden Söhne. Es gibt aber auch Beispiele wie Hollywood-Ikone Henry Fonda, der das nicht gut fand, dass Tochter Jane und Sohn Peter ihm in den Beruf gefolgt sind. Wie hält es Striesow mit dieser Gretchenfrage? „Ich war total happy, als ich Ludwigs erste Gehversuche sehen durfte, in kleinen Rollen in Fernsehreihen“, sagt der Vater. „wie er das gemeistert hat. Und wie er da ein- und aussteigen konnte, ohne dass ihn das beschädigt hat.“
Der Sohn sei da schon sehr professionell vorgegangen. „Dann hat er ja auch mit der Mama öfter gespielt und dann auch mit mir im ,Tatort‘. Ich würde meinen Kindern niemals vorgeben, was sie mal werden wollen oder was ich ihnen nicht zutrauen würde. Diese Kategorie gibt’s bei mir nicht. Ich freu mich, wenn jeder ausprobiert, was er will.“ Bei den Dreharbeiten haben sie darauf geachtet, dass sie nicht zu sehr aufeinander gluckten. Und spannend war auch, herauszufinden, dass sie ganz unterschiedlich ihren Rollen anzunähern und in den Drehalltag springen. Andererseits, gibt der Sohn zu, „war es schon supercool, einen Buddy am Set zu haben. Das hat man nicht so oft. So ein Vertrauen muss man sonst am Set erst herstellen.“
Wie oft sehen sich Vater und Sohn überhaupt? Im Alltag leider nicht so oft, wie der Vater zugibt. Striesow, einer der gefragtesten deutschen Schauspieler und Star von Filmen wie „Die Fälscher“, „Drei“ und „Im Westen nichts Neues“, ist ja viel gefragt, auch am Theater, und dementsprechend viel unterwegs, der Sohn ist bei seiner Mutter aufgewachsen. Aber wann immer der Vater, der aus Berlin weggezogen ist, in der Nähe ist, meldet er sich bei seinem Sohn. Und wenn es zeitlich passt, treffen sie sich. Und tauschen sich aus. Denn sie sind sehr neugierig aufeinander. Das sei „natürlich schwierig mit Drehplänen zu koordinieren, aber wir versuchen das hinzukriegen.“
Der gemeinsame Weihnachtsfilm als Zuckerguss fürs Fest
Und was bedeutet ihnen, die Frage muss sein bei einem gemeinsamen „Weihnachtswunder“-Film, Weihnachten, das Fest der Familie? „Ich bin ja atheistisch groß geworden“, vermerkt Striesow. Aber natürlich sei Weihnachten das Fest der Familie. Striesow ist jetzt seit zehn Jahren mit Ines Ganzberger zusammen, es gibt viele Kinder, die kommen alle an Weihnachten zusammen. „Da gibt es eine große Familie und eine große Zeremonie mit Essen, Singen und Gedichten. Klassisches Weihnachten. Das genieße ich sehr, das ist auch der Höhepunkt des Jahres.“
Auch für den Sohn, der zwei Tage vor Heiligabend Geburtstag hat, ist das Fest „zuallererst Familie“, ist das, nachdem sie übers ganze Jahr zerstreut sind, ein „Nach-Hause- und Zusammenkommen“. „Da ich zwei Familien habe, die meiner Mutter und die meines Vaters, habe ich ja noch mehr Möglichkeiten dazu. Manchmal klappt beides, manchmal nur eine Seite, manchmal wähle ich aus, Weihnachten in der einen, Silvester in der anderen Familie.“
Dann ist das dieses Jahr der Zuckerguss, wenn es nun auch noch einen gemeinsamen Weihnachtsfilm gibt? Ja, meinen beide, unabhängig voneinander, „absolut“.
„Bach - Ein Weihnachtswunder“: ARD, 18.12, 2015 Uhr. Bereits ab 13.12. in der ARD-Mediathek.