Berlin. Chinesischer Flüchtling prügelt sich in den 80ern durch die Metropole. Hongkong-Kino mit einem unglaublichen Schauplatz.
Es gibt diese ikonografischen Momente im Hongkong-Kino, wenn die aberwitzigen Schlägereien und Schießereien ihren Atem anhalten für ein eingefrorenes Bild. Man denke nur an die wehenden Mäntel bei John Woo, Meisterregisseur dieses Genres.
„City of Darkness“: Bunter Drachen im grauen Moloch
Auch in Soi Cheangs „City of Darkness“ gibt es solch Momente, wenn der chinesische Flüchtling Chan Lok Kwan (Raymond Lam) etwa einen kunterbunten Drachen im grauen Moloch der Kowloon Walled City steigen lässt, durch den er sich gerade erst geprügelt hat. Und wo er sich beim Showdown auf ein fliegendes Stück Stoff schwingt, um dem bösen, unbezwingbaren Vokuhila-Träger Wong Gau (Philip Ng) den finalen Garaus zu machen.
Diese mit rosa Brille und Hawaiihemd gefährlich lächerliche Figur verortet das Geschehen durch ihr Outfit mühelos in die Achtzigerjahre, wo Hongkongs bevorstehende Rückgabe an China vorerst nur drohende Ankündigung ist. Zudem spiegelt sich in Wong Gau die ganze bärbeißige Komik dieser Hongkong-Hauerei. Hat sich Gau am Ende doch erst durch Verrat zum neuen King of Kowloon hochgekloppt.
Vorher war er nur Handlanger des Triaden-Bosses Mr. Big (Sammo Kam-Bo Hung), der Chan Lok Kwan, den eigentlichen Film-Helden, zu Beginn übers Ohr haut. Der flieht in die (einst tatsächlich existierende) Kowloon Walled City.
Ein Labyrinth aus Treppen, Gerüsten, Streben und Schnüren, in dem 1987 sage und schreibe 33.000 Menschen auf engstem Raum lebten. Die am dichtesten bewohnte Stadt der Welt, 117 Mal so dicht wie New York, wurde in den Neunzigerjahren abgerissen.
„City of Darkness“: Komplizierter Bandenkrieg
Ein zu einem Riesen-Gebäudekomplex zusammengepresster Slum, in dem hin diesem Film zunächst Friseur Tornado (Louis Koo) die Fäden zieht. Er nimmt den China-Flüchtling unter seine Fittiche – und löst damit einen komplizierten Bandenkrieg aus. Nicht nur mit Mr. Big, sondern auch mit dem mächtigen Grundbesitzer Dik Chau (Richie Ren).
Es geht also um Verrat und um Ehre, um späte Rache und um Loyalität, und es ist kein Zufall, dass die Stärke des Films sein auf einer Graphic Novel von Yi Yu beruhendes vielschichtiges Drehbuch ist, das den Figuren viel Tiefe verleiht.
Die Actionszenen mit Salti und Sprüngen, Kämpfen mit Messer und Zahnrädern, Motorrädern und Maschinengewehren sind eher Standard. Der Film besticht vielmehr durch den starken Drehort – und eben ikonographische Momente. So schnippt Tornado in einer Szene eine Zigarette in die Luft und schlägt einen Gegner nieder, bevor er sie wieder auffängt. Cool!
Action China 2024, 125 min., von Soi Cheang, mit Louis Koo, Sammo Kam-Bo Hung, Richie Yen, Raymond Lam. Ab Donnerstag (28.11.) im Kino.