Berlin. Ein Mann kehrt aus dem Nichts zurück, ein Toter wird aus der Elbe gezogen: Der neue „Wendland“-Krimi gibt viele Rätsel auf. Ulrich Noethen überzeugt als nachdenklicher Ermittler mit Biss.
Zum Tatort fährt er am liebsten mit dem Fahrrad, die schnurgeraden Landstraßen im Wendland sind für Hauptkommissar Jakob Stiller (Ulrich Noethen) immer noch ein Abenteuer. Zuweilen lässt er sich auch mal von einem Traktor mitnehmen. Aus Hamburg wurde der eher introvertierte LKA-Beamte und Autor von Kriminalromanen ins beschauliche ehemalige Zonenrandgebiet an der Elbe versetzt. Hier muss er nun in der Dienststelle im fiktiven Örtchen Dahlow seinen zweiten Fall lösen, der sich um das Geheimnis einer alteingesessenen Familie dreht. Der Krimi „Wendland - Stiller und das große Schweigen“ läuft am Samstag um 20.15 Uhr in ZDF.
Die Figur des freundlichen, zurückhaltenden Ermittlers, der ab und an auch mal unangenehm werden kann, gefällt dem TV-Publikum offensichtlich gut. Die Auftaktfolge der „Wendland“-Reihe vom Oktober 2022 wollten 6,08 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sehen, ein Marktanteil von 22,7 Prozent. Dieser Hauptkommissar Stiller ist einfach ein interessanter Typ.
Da sitzt er zu Beginn der neuen Folge in seinem hübschen Landhaus an seiner uralten Schreibmaschine, sinniert über Gott und die Welt, als in seinem weitläufigen Garten ein verletzter, völlig verängstigter Mann (Christoph Bach) herumschleicht, der laut seinem wohl gefälschten Ausweis Remy Luger heißt. Eine Art Kaspar Hauser, dem Stiller kein Sterbenswörtchen entlocken kann. Wenige Stunden später wird die Leiche eines 25-jährigen Mannes aus der Elbe gezogen und der schreibende Kommissar hat einen Fall, der ihm gehörig zu schaffen machen wird.
Neben dem Mann aus der Großstadt ermitteln wieder Kriminalobermeister Oliver Klasen (Malte Thomsen) und Kriminaloberkommissarin Kira Engelmann (Paula Kalenberg), und zwischen den beiden Landeiern wirkt ihr Chef immer noch wie ein Fremder. Und dann brüskiert Stiller seine Untergebene, als er Nele Kiehn (Paula Kroh), die schwangere Schwester des Toten, viel zu hart angeht. Dieser Feingeist kann ein echter Stinkstiefel sein.
Aber seine Intuitionen sind goldrichtig, und führen ihn ins Herrenhaus der Familie Sorrow, wo eine resolute Mutter (schön garstig: Hedi Kriegeskotte) das Regiment führt. Zu Mauerzeiten haben die Sorrows aus dem Grenzgebiet mit Bonzen aus der DDR dubiose Deals abgeschlossen. Damit kommt auch langsam Licht in die Identität des wie vom Himmel gefallenen Remy Luger.
Das Drehbuch von Ina Jung und Friedrich Ani („München Mord“) nimmt sich viel Zeit für die Charaktere, zeigt mit der Figur eines selbstgefälligen Landrates politische Missstände auf, und führt schließlich alle Fäden in einer kompakten Rückblende zusammen. Die Rolle des schreibenden Stiller ist Ulrich Noethen („Unterleuten - Das zerrissene Dorf“,
„Charité“) wie auf den Leib geschrieben: Er kann seine Sensibilität und fast jungenhafte Neugier ausleben, darf aber auch dunklere Facetten erkennen lassen. Die „Wendland“-Reihe ragt unter den Regionalkrimis im ZDF heraus, man darf gespannt sein auf weitere Folgen.