Hamburg/Lübeck. „Morden im Norden“ unterhält seit 2012 pro Folge bis zu 3,8 Millionen Zuschauer. Nun zeigt die ARD dazu einen Thriller. Den beiden Stars Martinek und Naujoks geht ihre Arbeit manchmal seelisch sehr nah.
Fans des Regionalkrimis „Morden im Norden“ müssen am kommenden Dienstag (2. Januar) um 20.15 Uhr gute Nerven haben. Zum einen präsentiert die ARD zu den bislang 140 beliebten Vorabendfolgen erstmals einen Spielfilm im Hauptprogramm. Einen echten Thriller, in dem selbst die Ostsee stürmisch tobt. Und dann beginnt der 90-Minuten-Film (Titel: „Am Abgrund“) mit Ereignissen, die eigentlich das unwiderrufliche Ende der Zusammenarbeit zwischen den zwei bodenständig gewitzten Lübecker Kommissaren bedeuten.
Es ist nämlich ein Fall, der für die beiden Ermittler Finn Kiesewetter (Sven Martinek, „Tierärztin Dr. Mertens“) und Lars Englen (Ingo Naujoks, „Magda macht das schon“) ans Eingemachte geht. Und ihren Darstellern erging es beim Drehen anscheinend fast ebenso.
Es wird sehr persönlich
„Die Geschichte dreht sich um persönliche Belange der zwei Polizisten. Wir sind diesmal nicht nur die Ermittler, die von außen dazu kommen. Sondern wir ermitteln in deren eigener Sache. Müssen uns also mit deren Gefühlen und Gedanken in besonderem Maße auseinandersetzen“, sagte Martinek (59) der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. „Das war also auch für uns Schauspieler eine ganz andere Geschichte. Mich hat vor allem beschäftigt, wie es mir ergangen wäre, wenn ich das Leben eines Menschen ausgelöscht hätte. Das ist eine Horrorvorstellung. Es war seelisch also durchaus anstrengend.“
Naujoks (61), der als Englen seinem Kollegen unbedingt helfen will, ergänzt: „Unsere Frage bei Dreharbeiten ist ja immer, was macht das alles mit den Figuren - und mit uns. Da kommen auch persönliche Erinnerungen und Erfahrungen hoch. Man muss beim Spielen bereit sein, sich als Mensch hineinzubegeben und mitzufühlen.“
Doch worum geht es in „Am Abgrund“ tatsächlich? Der Fall beginnt mit einem Hammerschlag, der hier nicht verraten werden soll. Rückblenden zeigen dann, wie ein Mann auf einem Altstadtmarkt der malerischen Hansestadt eine junge Passantin (Maja Juric) als Geisel nimmt. Wie Kiesewetter und Englen, die gerade in der Nähe sind, die Verfolgung aufnehmen. Im Parkhaus spitzt sich das Geschehen zu - denn als er Englen in der Schusslinie des Täters sieht, erschießt Kiesewetter den jungen Mann. Zu allem Unglück schildert die Geisel - eine junge Migrantin, die demnächst abgeschoben werden soll - beim Verhör durch Polizeikollegen, dass der Täter sich zuvor bereits ergeben habe.
So machen denn dem kernigen Kiesewetter, den sonst so leicht nichts umhaut, schwerste Schuldgefühle zu schaffen. Außerdem wird er vom Dienst suspendiert und von der Lokalpresse an den Pranger gestellt. Als dann noch die gestrenge Linda Stamm (Pina Kühr, „Schlussklappe“) von der Internen Ermittlung ihre Arbeit aufnimmt, flüchtet er sich in sein altes Häuschen am Meeres-Steilufer. Doch dort gerät Kiesewetter mit seiner Ex-Freundin (Tessa Mittelstaedt, „Praxis mit Meerblick“), die ihm beistehen wollte, selbst in tödliche Gefahr. Und der erfahrene Kripo-Mann sieht nur einen Ausweg.
Zwischen Lübeck und Fehmarn
All das hat der Regisseur Dirk Pientka („Die Heiland“), der bereits fast 30 Episoden der Vorabendserie verantwortete, nach dem Skript von Christine Rousseau („Die Bergretter“) zwischen Lübeck und der Insel Fehmarn versiert und spannend in nordisch herbe Bilder umgesetzt.
Ein wenig mehr Vertiefung hätte man der Geschichte allerdings gewünscht. Etwa wenn die vielleicht fragwürdige Abschiebung kurz angedeutet, das aktuelle Thema aber gleich fallen gelassen wird. Einen abendlichen Spielfilm haben im Übrigen etwa auch schon die Macher von „Die Bergretter“ (ZDF) realisiert. Der Vorteil für den Sender liegt auf der Hand: So lässt sich die Zuschauerzahl um Fans der Serie erhöhen - und andererseits gewohnheitsmäßig abendliches Publikum neugierig auf das Vorabendprogramm machen.
Sowohl bei „Am Abgrund“ als auch bei der Serie haben Martinek und Naujoks übrigens immer mal wieder Einfluss auf die Drehbücher genommen. Vor allem auf die Sprache ihrer Rollenfiguren.
„Wir verknappen unsere Dialoge gern - wenn wir sehen, dass wir mit zwei Sätzen viel prägnanter sind als mit sieben. Dann sagen wir, so würde Finn Kiesewetter nicht reden, so redet Lars Engler nicht. Und streichen - mit dem Segen unserer Autoren“, sagte Naujoks. „Die sind ja im positiven Sinne Schreibtischtäter. Aber wir müssen die Rollen zum Leben erwecken. So ein Eingriff macht auch total Bock - und unterscheidet uns von Schauspielbeamten.“
Dank ihrer Zusammenarbeit mit den Autoren gerieten auch in der neuen Staffel ihrer ab Montag (8. Januar) um 18.50 Uhr laufenden Serie die Fälle zusehends ernster, meinen Martinek und Naujoks. „Doch wie immer geht es dabei nicht um Kokaindealer oder Terrororganisationen, sondern eher um Vorfälle im familiären Bereich. Also vorrangig um Menschen, um Schicksale. Wo Leute im falschen Moment am falschen Ort sind und sich dadurch ihr ganzes Leben ändert“, erklären die beiden Schauspieler das Erfolgsrezept von „Morden im Norden“.