Berlin. Wenn der Kommissar auf Wolke sieben schwebt: Der neue „Tatort“ aus Stuttgart entpuppt sich als Kuriositätenkabinett. Ein TV-Krimi nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen.
Ein düsterer Keller, blutverschmierte Sägen und Gerätschaften: Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) inspiziert anscheinend den Schauplatz eines abscheulichen Verbrechens. Nur leider ist er ganz allein, und dann hören wir Stimmen, es folgt ein Schnitt. Und als nächstens sehen wir Lannert selig lächelnd mit verschleiertem Blick auf der Couch eines Nachtclubs liegen - vollgedröhnt mit synthetischen Drogen. „Ist schon wieder einer tot?“, fragt er wie ein neugieriges Kleinkind seinen Kollegen Sebastian Bootz (Felix Klare), der mit der Situation erst einmal klarkommen muss.
„Die Nacht der Kommissare“ heißt der neue „Tatort“ aus Stuttgart, der am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten läuft. Wir erleben einen TV-Krimi auf Droge, mit jeder Menge skurriler Figuren, abstruser Wendungen und mit einem Ermittler, der 90 Minuten lang auf Wolke sieben zu schweben scheint.
Großer Hund oder etwas anderes?
Und ja, es ist schon wieder einer tot, der ganz fiese Drogendealer Boris Kellermann, von dem Gerichtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) nur noch den Kopf untersuchen kann, viel mehr ist leider nicht mehr vorhanden. „Keine Wasserleiche, ein Wasserkopf“, kalauert der lakonische Mediziner im Leichenschauhaus, und fügt hinzu: „ein bissle Brust wäre super“. Der rabenschwarze Humor in diesem schrägen schwäbischen Krimi-Nachtstück ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Dabei scheint es so, als wäre der Tote von einem sehr großen Hund zerfleischt worden. Der entpuppt sich später als Tiger, und die damit verknüpfte Geschäftsidee ist schon sehr hanebüchen.
Erst ganz allmählich lichtet sich der Nebel, ganz ähnlich wie im Kopf von Thorsten Lannert: Wir lernen die merkwürdige Bauernfamilie Bechtle kennen. Die resolute Mutter Beate (Therese Hämer) hat keine Lust mehr auf Schweinezucht, ihr Mann Dieter (Klaus Zmorek) hat schon einiges auf dem Kerbholz, und Sohn Arthur (Valentin Erb) hat überhaupt keinen Plan. Diese merkwürdige Sippe plant den großen Coup, ausgerechnet mit einem Drogendealer-Pärchen, das für den bemitleidenswerten Zustand des Kommissars verantwortlich ist.
Ein unterhaltsamer Cocktail mit Nebenwirkungen
So ganz passen die Versatzstücke in dieser drogengeschwängerten „Nacht der Kommissare“ aber nicht zusammen. Regisseurin Shirel Peleg („Kiss Me Kosher“) und ihr Drehbuchautor Wolfgang Stauch haben immerhin einen leidlich unterhaltsamen Cocktail angerührt, der leider aber vor flachen Witzen nicht zurückschreckt. So richtig wahnwitzig und absurd im Stil der legendären österreichischen „Kottan“-Krimis wird es nicht. Und damit der Drogentrip des sehr relaxten Polizeibeamten Lannert keine Nachahmer unter den Zuschauern findet, warnt uns der Gerichtsmediziner im Gespräch mit seinen Kollegen ausgiebig vor den Gefahren von synthetischen Drogen.
Die Risiken und Nebenwirkungen in diesem TV-Krimi, der einige schöne Momente hat, liegen eher in fehlender Spannung und einem einschläfernden Timing, das sich perfekt der Zeitlupen-Motorik des vollgedröhnten Kommissars anpasst: „Ich fand's eigentlich ganz lustig“, resümiert Lannert, dem man natürlich nicht böse sein kann, und der routinierte Richy Müller spielt den Knuddeltypen auch ganz ansehnlich.
Ein bisschen Schwung ins schwäbische Kuriositätenkabinett bringt Therese Hämer („Stralsund“) als Bäuerin, die endlich aus dem Mist raus will und sich deshalb auf einen wahnwitzigen Deal mit den Drogendealern einlässt. Mit dem Gewehr im Anschlag zieht sie ihr Ding durch und lässt sich ihren Traum von einem besseren Leben nicht madig machen. Da ist es dann endlich Tag geworden, und der Flieger ins Glück ist pünktlich.