Hamburg. Man kennt ihn als TV-Bösewicht und als knorrigen Ermittler im „Spreewaldkrimi“. Am Theater war Christian Redl auch erfolgreich. Nun wird er 75 Jahre alt - und sehnt sich nach neuem Terrain.
Im mythisch angehauchten ZDF-„Spreewaldkrimi“ fesselt er die Zuschauer schon seit 2006 als wortkarger, eigenbrötlerischer Ermittler Thorsten Krüger. Und auch zuvor hatte Christian Redl immer wieder in Rollen Furore gemacht, in denen er geheimnisvoll, teils sogar gefährlich wirkte.
So bereits 1990 als Titelheld im auf Tatsachen beruhenden Spielfilm „Der Hammermörder“, der dem Theatermimen mit dem Grimme-Preis zugleich den TV-Durchbruch einbrachte. Aber auch fernab des Bildschirms und der Bühne wirkt der gebürtige Schleswig-Holsteiner mit seiner wuchtigen Statur, kahlem Schädel und Augen, die durchdringend blicken können, auf manche Menschen rätselhaft.
„Zeit meines Lebens habe ich auch sehr viel dafür getan, mich zu einem etwas geheimnisvollen Typen werden zu lassen“, sagt Redl, der am 20. April 75 Jahre alt wird, der Deutschen Presse-Agentur. Gelassen und gut gelaunt fügt er hinzu: „Es war mir wahnsinnig wichtig, dass ich unnahbar war und man nicht wusste, was man von mir zu erwarten hat, wenn man mich anspricht. Und dass man auch ein bisschen Angst vor mir hatte.“
Unsicherheit und mangelndes Selbstbewusstsein
Die Erklärung dafür liefert der Künstler gleich mit: „Das kam aus einer absoluten Unsicherheit. Ausgelöst durch einen Satz meines Vaters, der mich für's Leben geprägt hat: „Du bist dumm, aber sieh' zu, dass es niemand merkt.“
Wie diese an Unterdrückung leidende Jugend, in der auch die Mutter nicht liebevoll war, zu mangelndem Selbstbewusstsein und damit völliger Desorientiertheit führte, erzählt Redl in klaren und wahrhaftig wirkenden Worten in seiner jüngst erschienenen Autobiografie „Das Leben hat kein Geländer“ (Westend Verlag, Frankfurt/Main).
Redl betont, dass er seine Geschichte allein für seine Ehefrau, die er mit 61 Jahren kennenlernte, aufgeschrieben habe - erst Freunde hätten für eine Veröffentlichung gesorgt. Denn eigentlich verabscheue er Schauspieler-Memoiren.
Shakespeare weist den Weg
Das Schreiben habe ihn schließlich innerlich mit seinen Eltern versöhnen lassen, verrät er. Im Buch macht Redl zudem deutlich, wie ihm die Kunst zum „absoluten Rettungsanker“ geriet. Denn auf der Waldorfschule erfuhr er in der Rolle von Shakespeares „Hamlet“ erstmals Bestätigung. Und damit die Wegweisung, welchen Beruf er zu ergreifen habe. „Ich wollte erkannt werden, ich wollte auch jemand sein“, sagt Redl. Damals immer in der Hoffnung, durch seine Rollen sich selbst zu finden.
Seine Bühnenkarriere führte ihn nach Wuppertal, Frankfurt/Main, Bremen und Hamburg. Er arbeitete mit Frank-Patrick Steckel, Claus Peymann und Peter Zadek. Oft stieß den jungen Darsteller des Tartuffe, des Stanley Kowalski und des Mackie Messer jedoch die Diskrepanz zwischen dem linken politischen Anspruch unter Theaterleuten und deren eigenem Verhalten ab. „Sie haben dieselben Machtspiele mit uns gespielt wie ihre autoritären Vorgänger. Mit Mitteln, mit denen man Leute gefügig machen kann. Kritik an ihnen war nicht erlaubt.“
Rimbaud - Baudelaire - Villon
Redl verfiel dem Alkohol - von dem er später aus eigenem Antrieb wieder loskam, wie er in seinem Buch schreibt. Er erzählt darin auch von missglückten Beziehungen, etwa der Ehe mit seiner Bühnenkollegin Marlen Diekhoff und der Leidenschaft zu Maja Maranow („Ein starkes Team“), die 2016 starb. Und dann war da noch die Musik. „Es begann mit dem Interesse an den Balladen von Villon. Der Aussätzige, der einsam und verlassen durch diese Welt irrt, wild und verwegen lebt mit den Weibern und dem Alkohol - das hat mich fasziniert“, bekennt der Schauspieler. Später kamen Texte von Baudelaire und Rimbaud dazu.
Musik macht er heute nicht mehr, auch das Theater interessiere ihn nicht mehr. Dafür lädt der sprachverliebte Redl mit seinem Freund Ulrich Tukur und der Pianistin Olena Kushpler immer wieder zu Lesungen klassischer Verskunst. Und er würde sich wünschen - nach den vielen problematischen Rollen im Fernsehen - auch einmal sein Talent als Komiker beweisen zu dürfen, verrät er.