Hamburg. Die Moderatorin führte souverän und mit wohltuender Distanz durch die Fragerunde. RTL will künftig politisch relevanter werden.

Das Triell der Kanzlerkandidaten hat drei Gewinner: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, den in einer Schnellumfrage 36 Prozent der Zuschauer vorn sahen, Moderatorin Pinar Atalay, die bei ihrem ersten Auftritt bei RTL wirkte, als sie schon seit Jahren dort – und RTL selbst. Für den Sender soll mit dem Bundestagswahlkampf eine neue Zeit beginnen, man will stärker auf Nachrichten setzen und politisch relevanter werden.

Dass das tatsächlich gelingen kann, hat der lange Sonntagabend und die Reaktion der ARD gezeigt: In deren „Tagesthemen“ wurde über das erste direkte Aufeinandertreffen der deutschen Kanzlerkandidaten nicht als erstes berichtet – sondern erst nach einem längeren, eigenen Beitrag über die Hurrikan-Lage in den USA.

Kanzlerkandidaten im Triell: Atalay führte souverän durch die Fragerunde

Die ehemalige „Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay hatte zuvor mit Peter Klöppel an der Seite gezeigt, was sie kann. Souverän, ruhig und mit einer wohltuenden Distanz führte sie durch eine Fragerunde, die viel besser war, als sie danach in der RTL-eigenen Analyse gemacht wurde.

Während des Triells vergaß man sehr schnell, dass man bei dem Sender ist, der in den vergangenen Jahren für „Deutschland sucht den Superstar“ und das „Dschungelcamp“ stand. Wenn RTL eine neue Seriosität transportieren wollte, ist das in diesem Fall dank Atalay gelungen, übrigens deutlich besser als bei Jan Hofers Premiere an gleicher Stelle.

Wichtige politische Themenfelder wurden konzentriert abgearbeitet

Die Konzeption der Sendung war auch deshalb gut, weil man – mit Ausnahme der Ja-Nein-Runden – auf Gimmicks verzichtete, stattdessen ernsthaft und konzentriert die wichtigsten politischen Themenfelder abarbeitete.

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Atalay gelang es dabei, jeden der drei Kandidaten gleich zu behandeln, Klöppel hatte leider, ähnlich wie CDU-Kandidat Armin Laschet, Schwierigkeiten, wenn es um Annalena Baerbock ging. Manchmal wirkte die Art und Weise, wie er ihr Fragen stellte oder sie ins Gespräch einband, etwas großväterlich. Es waren diese Momente, in denen Klöppel neben Atalay (besonders) alt aussah.

Triell der Kanzlerkandidaten: Bei der Analyserunde danach wäre mehr gegangen

Fazit: Das müssen die Öffentlich-Rechtlichen (und Linda Zervakis auf Pro Sieben) bei den noch ausstehenden Triellen erst einmal besser machen. Wo bei RTL noch deutlich mehr gegangen wäre, war bei der Analyserunde danach, deren ungewöhnliche Besetzung – von Motsi Mabuse („Let’s dance“) über Micky Beisenherz bis Günther Jauch war alles dabei – manchmal die gewünschte analytische Tiefe fehlte.

Da wäre mehr Nikolaus Blome, der als einziger das Triell „wirklich klasse“ fand, und der sich seit Jahrzehnten in der Politik auskennt und wunderbar darüber reden kann, besser gewesen.