Hamburg. Gemeinsam sind Armgard Seegers-Karasek und Laura Karasek noch nie aufgetreten – bis zu diesem Doppelinterview.

Die Mutter ist Kritikerin, Journalistin (früher beim Hamburger Abendblatt) und DJane. Die Tochter ist Rechtsanwältin mit Prädikatsexamen, TV-Moderatorin und Autorin („Drei Wünsche“). Gemeinsam sind Armgard Seegers-Karasek und Laura Karasek noch nie aufgetreten – bis jetzt. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ sprechen die beiden über Attraktivität und Seriosität, über ein lautes, lustiges und intensives Leben – und über ihren Mann und Vater, Hellmuth Karasek.

Das sagen Armgard Seegers-Karasek und Laura Karasek über …

… Familienzusammenkünfte in Pandemiezeiten:

Armgard Seegers-Karasek: Wir haben uns seit Beginn der Pandemie oft gesehen, viel öfter als früher, weil ja auch sonst nichts los war in meinem Leben.

… eine Kindheit bei den Karaseks:

Laura Karasek: Man musste sehr hart kämpfen, um das Wort zu bekommen und vor allem auch zu behalten. Wir sind eine Familie der Lautstarken und der Unterbrecher. Wenn wir am Wochenende alle gemeinsam gegessen haben – mein Vater hat sehr ausgiebig und gut gekocht – hatte das schon etwas von einer Bühne. Jedes Kind wollte unsere klugen und tollen Eltern beeindrucken, es ging immer darum, wer die beste Anekdote erzählt und die klügste Pointe liefert. Es war schon ein Wettkampf, was aber eine gute Schule war, um wach im Kopf zu bleiben und sich auszuprobieren. Meine Mutter war von uns allen fast die ruhigste, obwohl sie eigentlich null ruhig ist.

Armgard Seegers-Karasek: Mein Vater war Hannoveraner...

… die Kindererziehung neben dem Kritiker-Leben und Wissensspiele:

Armgard Seegers-Karasek: Ich war ja nicht nur tagsüber im Büro, sondern drei- bis viermal die Woche abends im Theater. Zwischendurch bin ich dann nach Hause gerast und habe mit den Kindern ein Würfelspiel gemacht und mir angehört, was sie in der Schule gemacht haben. Sobald es ging, habe ich sie ins Theater mitgenommen. Das ist ja auch eine gute Schule. Die kannten die Schauspieler, die Regisseure, die bei uns zu Hause waren, die neuesten Kinofilme und Bücher – es fiel ja immer viel ab für die Kinder.

Laura Karasek: Ich habe weder das Gefühl gehabt, eine abwesende Mutter noch einen abwesenden Vater zu haben. Ich erinnere, dass wir wahnsinnig viel gespielt haben, gern auch Spiele wie „Besserwisser“ oder „Wer wird Millionär?“ Wenn meine Eltern da waren, dann waren sie auch wirklich da und für uns Kinder sehr verfügbar.

Und was die Abende im Theater mit uns gemacht haben, zeigt allein, dass ich an der Tür meines Kinderzimmers ein Poster vom Ensemble des Thalia Theaters hängen hatte. Wir haben schon viel mitgenommen von unseren Eltern. Meine ersten Freunde, die ich mit nach Hause gebracht habe, hatten großen Respekt und glaubten, ganz viele Reclam-Hefte lesen zu müssen, bevor sie sich mit meinen Eltern an den Frühstückstisch setzen …

Armgard Seegers-Karasek: Und man muss nicht glauben, dass bei den Wissensspielen immer mein Mann gewonnen hat. Der kannte sich sehr gut in Geschichte, Literatur und solchen Sachen wie Brauchtum aus. Mein Sohn war und ist unschlagbar in Geografie und Sport …

Laura Karasek: … und meine Mutter ist natürlich stark in Theater und Musik. Ich hingegen wurde in der Familie der Anti-Telefonjoker genannt, weil ich als Einzige jahrelang kein Spezialgebiet hatte. Wir haben uns immer getriezt und liebevoll unter Druck gesetzt, oder, Mama?

Armgard Seegers-Karasek: Waaas …?

Armgard Seegers: „Jeder Nachteil hat einen Vorteil“

… Lauras Entscheidung, als Einzige in der Familie (erst einmal) nichts mit Kultur oder Journalismus zu machen:

Armgard Seegers-Karasek: Wir fanden es toll, dass Laura Jura studiert hat. Mein Mann hat geweint vor Freude und halb scherzhaft gesagt: „Endlich macht einer von uns mal etwas Anständiges.“ Ich hätte von einem Literaturstudium auch stark abgeraten.

Laura Karasek: Ich bin Jahrgang 1982 und gehöre damit einer Generation an, die sich wahnsinnig schlecht entscheiden und festlegen kann. Ich habe mir gedacht: Mit Jura hältst du dir alle Möglichkeiten offen. Ich wollte danach eigentlich an eine Journalisten- oder eine Filmhochschule.

Dann lief das erste Examen gut, ich habe auch noch das zweite gemacht und sechs Jahre in einer Wirtschaftskanzlei gearbeitet. Aber die Sehnsucht nach der Kultur und dem Journalismus war immer groß, das kriegt man nicht raus, wenn einem die Mutter mit 14 Jahren Theodor Fontane auf den Nachttisch knallt und der Vater Tolstoi.

Armgard Seegers-Karasek: Wenn man als Kind mit zwei Kritikern aufwächst, ist der Weg zu Jura gar nicht so weit, weil das ja auch viel mit Sprache zu tun hat – man muss schon sehr gut formulieren können, gerade vor Gericht.

… Lauras Wechsel aus der Kanzlei ins TV-Geschäft:

Armgard Seegers-Karasek: Ich fand es risikoreich. Mein Sohn Niko hat ungefähr zur selben Zeit seinen schönen, festen Vertrag beim ZDF gekündigt, um sich selbstständig zu machen, auch das hat mir nicht gefallen. Aber man muss die Kinder natürlich laufen lassen.

Laura Karasek: Der Tod meines Vaters war für mich und meinen Bruder eine Zäsur. Mir wurde klar, dass ich meine Träume nicht ewig aufschieben kann. Ich war Mutter geworden, mein Vater war gestorben, und da habe ich gesagt: jetzt oder nie, die Dinge warten nicht auf dich. Deswegen habe ich, genau wie mein Bruder, eine andere Version von mir selbst ausprobiert. Und so sehr das unsere Mama damals auch beunruhigt hat, so sehr sieht sie jetzt, dass wir mit der Entscheidung nicht unglücklich geworden sind. Und es gibt so viel schöne Dinge, die man machen kann, dass es doch schade wäre, nicht mehrere davon auszuprobieren.

…. Kritik an dem, was Laura macht:

Armgard Seegers-Karasek: Ich gucke mir alles an, was Laura und mein Sohn machen, wobei Laura mit mehr Kritik leben muss, weil sie ja meist selbst irgendwie zu sehen und zu hören ist, und ich ja Kritikerin von Beruf bin. Das kann damit losgehen, wie die Haare sitzen … Ich rede insbesondere viel mit ihr über alles, was sie schreibt, und sie kann da auch gut mit umgehen. Mein Mann war ja immer sehr kritisch, wenn ich was gesagt habe, das hat ihm meistens nicht gefallen. Meine Kinder sind für Kritik viel offener.

Laura Karasek: Dabei hat mein Vater immer zu mir gesagt: „Deine Mutter sagt, du bist wie ich, und das meint sie nicht als Kompliment“. Aber ich kann tatsächlich besser mit Kritik umgehen als er, er konnte da sehr stur sein. Wenn du zwei Eltern hast, die beide Kritiker sind, musst du schon ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Bei allem, was wir Kinder taten, war es immer ein wenig wie auf der Bühne zu stehen.

Gerade bei Texten höre ich auf meine Mutter, sie ist auch den ganzen letzten Roman mit mir durchgegangen. Auch, wenn sie sehr streng ist und vieles peinlich findet, was ich noch okay finde. Schreiben ist das Einsamste, das man machen kann. Deshalb brauche ich den anderen Beruf als Moderatorin, die Gespräche und Begegnungen mit anderen Menschen. Wenn ich nur Schriftstellerin wäre, würde ich verkümmern. Das ist sehr gefährlich, gerade, wenn man zur Nachdenklichkeit und Grübelei neigt.

Armgard Seegers-Karasek: „Es gibt auch Sachen, die ich oft sage, und die trotzdem nicht bei Laura ankommen, weil sie eine andere Meinung oder einen anderen Geschmack hat. Sie muss es ja auch nicht so machen, aber ich sage schon, was ich nicht gut finde, sowohl im Beruflichen als auch im Privaten.

… die Frage, ob man als Frau heute gleichzeitig seriös und sexy sein kann:

Armgard Seegers-Karasek: Schwierig. Sobald man das Sexysein etwas herauskehrt, wird das von Männern schnell als Anmache verstanden. Man muss jetzt als Frau keinen Sack und dicke Stiefel tragen, aber man sollte sich schon seriös geben.

Laura Karasek: Mir geht dieses alte Klischee auf den Geist, ich finde, dass Feminismus und High Heels durchaus zusammenpassen. Ich liebe Lipgloss genauso wie Kafka, das eine schließt sich mit dem anderen nicht aus. Auch als Frau darf man ein widersprüchliches Wesen sein, und auch als Frau kann man sagen: Ich habe meine Abgründe, vielleicht trinke ich mal gern, vielleicht bin ich auch zu laut, vielleicht bin ich auch mal aufgedonnert.

Als ich in der Kanzlei gearbeitet habe, ist keine Woche vergangen, ohne dass ich auf meine Kleidung angesprochen wurde. Wobei ich mich über Komplimente einerseits gefreut habe, andererseits aber auch mal meine Ruhe haben wollte. Ich möchte mich so anziehen, wie ich es will, ohne dafür niedergeputzt werden. Wie du es machst, machst du es falsch: Wenn Frauen sich nicht unter den Achseln rasieren, lassen sie sich gehen, wenn sie sich aufbrezeln, sind sie tussig. Lasst doch die Menschen so aussehen, wie sie aussehen wollen. Auch Frauen.

Armgard Seegers-Karasek: Das ist Wunschdenken. Ich habe meinem Sohn mal gesagt, als er größer wurde: Wenn du nachts nach Hause gehst, gehe bitte nicht so laut – jede Frau hat Angst, wenn sie Männerschritte hinter sich hört. Zu denken, dass die Männer sich zurückhalten werden, wenn Frauen sich sexy kleiden, ist unrealistisch.

Laura Karasek: „Es gibt nicht nur eine Version von uns selbst“

… Lauras Auftritt auf dem Traumschiff:

Laura Karasek: Mama, reiß dich zusammen!

Armgard Seegers-Karasek: Laura ist begabt, sie kann vieles. Sie kann wunderbar schreiben, sie ist lustig, munter und schlau – aber sie ist keine Schauspielerin. Sie geht sehr steif, und ich habe schon öfter mit ihr darüber gelacht, wie sie spielt. Insbesondere die letzte, kleine Rolle auf dem „Traumschiff“, wo sie so ganz eckig geht und in die Kamera guckt …

Laura Karasek: Was heißt hier kleine Rolle? Ich war Offiziersanwärterin neben Florian Silbereisen, das ist schon einmal eine große Ehre.

Armgard Seegers-Karasek: Ich mag Laura lieber als Schriftstellerin, weil sie sehr klug und witzig schreibt, was eine seltene Kombination ist. Sie ist aber auch eine gute Moderatorin, weil sie auf ihre Gäste eingeht und pfiffig ist.

Laura Karasek: Was mich am meisten berührt und mir am meisten gibt, ist immer schon die Musik gewesen. Mein nächster Traum wäre es, ein Hip-Hop- oder ein Chanson-Album zu machen. So als neue Hildegard Knef …

… Armgards neue Rolle als DJane:

Armgard Seegers-Karasek: Das ist ein Jugendtraum von mir gewesen. Ich habe immer sehr viel Musik gehört in meinem Leben, habe Tausende von Titeln auf meinem Computer. Und ich war viel auf Feiern, habe dort gern getanzt, und oft gedacht: Ich könnte besser Musik auflegen. Die DJs haben alles bunt durcheinander gewürfelt, man hat gesehen, wie Scharen die Tanzfläche verlassen hatten, weil der falsche Song erklang.

Da habe ich mir gedacht: Du würdest jetzt was anderes spielen, das musst du eines Tages mal ausprobieren. Als ich das erste Mal groß aufgelegt habe, war ich sehr aufgeregt und hatte große Angst, dass die Leute nicht zu meiner Musik tanzen wollen. Aber dem war dann überhaupt nicht so.

Laura Karasek: Ich glaube. wir alle lieben das Risiko und das Adrenalin, was damit einhergeht, auf einer Bühne zu stehen und sich zu präsentieren. Wenn ich eine TV-Sendung habe, frage ich mich jedes Mal, wenn es losgeht: Warum tue ich mir das an?

… den Namen Karasek:

Armgard Seegers-Karasek: Ich habe unter dem Namen Armgard Seegers gearbeitet, weil der Name Karasek einfach schon besetzt war. Ich hatte den Ehrgeiz, dass ich mir einen eigenen Namen erarbeiten wollte.

Laura Karasek: Ich bin immer noch die Tochter meines Vaters, und ich bin es gern. Ich liebe meinen Vater sehr, ich liebe meine Mutter sehr. Ich fühle mich dem Karasekschen sehr verbunden …

Armgard Seegers-Karasek: … also einem Leben zwischen Selbstzweifel und Größenwahn.

Laura Karasek: Tatsächlich hat man als Schriftsteller ganz, ganz arge Momente des Zweifels. Ich wollte einmal nachts schon meinen Verleger anrufen und ihn bitten, alle Exemplare meines neuen Buches vom Markt zu nehmen, koste es, was es wolle. Du schreibst, entblößt dich, legst deine Seele aufs Tablett – und dann geben Leute auf Amazon die ihr bei den Bewertungen einen Stern … Vielleicht auch nur, weil ihnen das Cover nicht gefallen hat.

Man liefert sich in all diesen Berufen wahnsinnig aus. Wenn man sich durch Texte gewissermaßen nackt macht, ist man unfassbar angreifbar und zweifelt sehr, sehr oft. In anderen Momenten kommt dann diese Hybris, der Größenwahn und die damit verbundene Euphorie. Das habe ich sicher von meinem Vater übernommen, der war genauso. Er hatte sehr viel Unsicherheiten, die er aber gut verbergen konnte.

Armgard Seegers-Karasek: Der größte Albtraum meines Mannes war ja, dass er noch mal sein Abitur machen muss.

… die fehlende Müdigkeit in der Familie:

Armgard Seegers-Karasek: Ich bin selten müde. Es gibt so viele Sachen, die spannend sind, egal, ob das etwas Soziales oder Künstlerisches ist. Ich kann mich für so vieles begeistern, und ich will das auch alles mitkriegen.

Laura Karasek: Ich glaube, es ist eine Frage des Willens. Wie viel will man in ein Leben packen? Bei mir hat es mit unserer Familie zu tun, aber auch damit, dass ich mit 13 Jahren eine chronische Krankheit bekommen habe. Ich habe mir früh über die Vergänglichkeit Gedanken gemacht und wollte möglichst viel spüren, sehen und wissen und lernen. Ich wollte und ich will nichts verpassen.