Hamburg. Star aus dem „Tatortreiniger“ spricht über seinen ersten Film als Regisseur, Drehen in der Corona-Zeit und einen Hund, der alles kann.

Bekannt geworden ist Bjarne Mädel mit komischen Rollen wie dem Ernie aus „Stromberg“, Dietmar aus „Mord mit Aussicht“, vor allem aber mit Schotty aus dem „Tatortreiniger“. Dass er auch anders kann, hat der Hamburger im Abtreibungsdrama „24 Wochen“ oder im Justizdrama „Feinde“ gezeigt. Jetzt legt der 52-Jährige mit „Sörensen hat Angst“ heute in der ARD sein gelungenes Regiedebüt vor. Die Titelfigur, die Mädel selbst spielt, ist ein Gesetzeshüter, der sich wegen einer Angststörung von Hamburg in einen beschaulichen Ort nach Ostfriesland versetzen lässt. Die scheinbare Idylle aber bekommt schon bald Risse. Das Abendblatt sprach mit Mädel.

Hamburger Abendblatt: Wussten Sie, dass Sie Regie können, oder haben Sie sich selbst überrascht?

Bjarne ­Mädel: Wusste ich nicht, aber gehofft habe ich das natürlich. Überrascht war ich vielleicht davon, wie gut ich dem Druck dann standgehalten habe, dem man als Regisseur ausgesetzt ist. Ich habe mich dieses Abenteuer aber auch nur getraut, weil ich mein Team als Sicherheit mitbringen durfte. Das sind alles Leute, die ich sehr schätze und mit denen mich seit vielen Jahren mehr als nur die Arbeit verbindet. Da wusste ich, dass mir nicht so viel passieren kann, weil sie mich notfalls auffangen. Es war aber auch nicht so, dass ich irgendwas beweisen wollte oder musste. Es ist ja nicht so, dass ich schon immer mal Regie führen wollte. Es hat sich bei diesem Projekt einfach so ergeben, und da dachte ich: warum nicht? Trau dich ruhig mal was!

War das jetzt eine einmalige Sache?

Mädel: Es war viel Stress, aber es war auch eine sehr beglückende Erfahrung. Wenn etwas genauso wird, wie man es sich vorgestellt hat, ist das schon toll. Es könnte mir also durchaus noch mal passieren, müsste aber nicht sofort sein. Wenn mich ein Stoff aber wieder so packt wie in diesem Fall, dann könnte ich mir eine weitere Arbeit mit diesem Team gut vorstellen. Es wäre tatsächlich auch ein Grund, es noch mal zu machen, einfach nur, um Lebenszeit mit diesen Menschen verbringen zu können. Aber der Inhalt steht schon noch an erster Stelle. Ich konnte bei „Sörensen“ mit dem Thema Angststörung enorm viel anfangen, und das ging meinem Kameramann Kristian Leschner genauso, mit dem ich eine gemeinsame Vision entwickelt habe. Das hat echt Laune gemacht. Es ist ja nicht alles auf meinem Mist gewachsen. Der Film ist für mich wirklich das Ergebnis einer großartigen Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerke.

Sie haben vor und hinter der Kamera gestanden. Wie haben Sie Ihre schauspielerische Leistung beurteilen können?

Mädel: Ich habe in Potsdam meine Schauspielausbildung für die Bühne gemacht. Da ging es in erster Linie um die Wirkung, die man nach unten hat. Das habe ich anscheinend so verinnerlicht, dass ich beim Spielen meistens schon um meine Wirkung weiß. Ich konnte aber natürlich jederzeit an einem Monitor mein Spiel und das der Kollegen überprüfen. Aber ich hatte mit dem Kameramann und meinem Assistenten Christoph Holsten schon auch zwei enge Verbündete, die mich von der Arbeit für den „Tatort­reiniger“ gut kennen. Die haben dann schon mal gesagt: Das kannst du besser. Lass uns mal noch eine machen! Auch das war eine Zusammenarbeit im besten Sinne.

Sie haben sich vorher Rat geholt bei Andreas Dresen und Matti Geschonneck?

Mädel: Und natürlich bei Arne Feldhusen, mit dem ich schon viel gedreht habe. Er hat mir zu einem genauen emotionalen Fahrplan für jede zu drehende Szene geraten. Und man darf nicht verzweifeln, wenn etwas Unvorhersehbares geschieht. Darauf hat mich auch Matti Geschonnek vorbereitet. Irgendeine Katastrophe passiert nämlich immer. Es kommt der Tag, da denkst du, alles bricht über dir zusammen. Da muss man einfach ruhig bleiben und überlegen, was man laut Fahrplan zu erzählen hat und ob man das trotz Regens und Sturms hinbekommt. Das ist Teil des Berufs als Regisseur. Andreas Dresen hat mir gesagt, wenn du 70 Prozent von dem, was du dir gewünscht hast, umsetzen konntest, musst du eigentlich glücklich sein. Ich bin gefühlt mit über 90 Prozent rausgekommen. Der Film sieht so aus und fühlt sich so an, wie ich es wollte. Darauf bin ich stolz.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Sie konnten das Werk schon beim Filmfest Hamburg zeigen. Wie war die Begegnung mit dem Publikum?

Mädel: Ganz toll. Unser Wunsch war ja, dass die Angststörung, die Sörensen plagt, sich über diesen Film legt und der Zuschauer mit ihm in den Sog der Geschichte gerät. Ich hatte das Gefühl, dass uns das gelungen ist. Der Weg des Zuschauers ist wie der von Sörensen – man beginnt den Abend ganz leicht in der Hoffnung, dass in diesem fiktiven „Katenbüll“ alles gut wird. Es fängt ja auf der Wache recht humorvoll an. Aber dann übernimmt dieser düstere Ort, und die Heftigkeit des Falles verdrängt die Angst und den Humor. Für mich hat das funktioniert. Am Anfang wurde noch viel gelacht. Gegen Ende wurde es immer bedrückender. Ich hatte Freunde wie Olli Dittrich eingeladen. Der hat mir erzählt, dass er am Ende auch mit einem dicken Kloß im Hals kämpfen musste, mit dem er am Anfang des Filmes nicht gerechnet hätte. Es war ein tolles Erlebnis, den Film auf großer Leinwand zu sehen. Auch wegen des Sounds, denn die Akustik spielt bei uns eine wichtige Rolle.

Eine wichtige Rolle im Film spielt auch der Hund Cord. Mit dem waren Sie sogar zusammen auf dem roten Teppich, oder?

Mädel: Ja, sein erster Film – und dann gleich im Blitzlichtgewitter. Ich hatte ihn mir auch eigentlich ein bisschen anders vorgestellt, im Roman wird er ja als Mischung aus Schäferhund und Golden Retriever beschrieben. Dann hat mir der Tiertrainer Marco Heyse gesagt: Du, ich habe da noch einen anderen, der ist total besonders, der ist begabt, und der passt zu dir und zur Rolle. Das muss Cord werden. Ich habe mich sofort verliebt in diesen Hund. Alles hat er in kürzester Zeit gelernt. Er musste auf Position gehen und dort bleiben, ins Auto springen, sitzen bleiben, mit mir mitgehen, mir hinterhergucken und so weiter. Ich wünschte, alle Kollegen hätten so pariert. Wenn ich nicht in der Großstadt leben würde, hätte ich Cord sofort adoptiert.

Das Filmprojekt ist als Hörspiel gestartet?

Mädel: Genau. Sven Stricker und ich kennen uns auch vom Hörspiel. Das Erste, was wir zusammen gemacht haben, war „Herr Lehmann“ von Sven Regener. Es folgten viele weitere Arbeiten für Hörspiele oder Hörbücher. Ich habe Sven dann mal mit einem Roman bei Rowohlt vorgeschlagen, der daraufhin dort erschienen ist. Als Dank hat er für mich die Rolle des Sörensen geschrieben.

Wie sind Sie durch die vergangenen Monate gekommen?

Mädel: Wir haben enorm Glück gehabt. Gedreht haben wir bis zum 19. März 2020, das war der Freitag vor dem Lockdown. In der letzten Woche hing ein großes Damoklesschwert über uns, weil wir nicht wussten, ob wir weitermachen konnten. Wir haben in Niedersachsen an der Küste gedreht. Es gab in dieser Zeit einen einzigen Corona-Fall in unserer Nähe, in Bremerhaven. Das war 45 Minuten von uns entfernt. Da wir unter uns waren und die meisten Szenen in der letzten Woche an frischer Luft spielten, war das Risiko überschaubar gering. Ich habe mich im Anschluss an die Dreharbeiten dann trotzdem in selbst auferlegte Quarantäne begeben. Dann war mein Cutter Benjamin Ikes wochenlang mein einziger sozialer Kontakt. Bei der Vertonung spielte mir Corona dann sogar in die Karten. Denn der Komponist Volker Bertelmann hatte sehr viel früher für mich Zeit als ursprünglich gedacht. Er ist auch in den USA als Komponist für Filmmusik sehr gefragt. Er hatte dort ein Projekt mit Charlize Theron vor der Brust. Das wurde aber verschoben, deshalb konnte er schon so früh für uns und mit mir arbeiten. Nur deshalb ist der Film dann überhaupt rechtzeitig zum Filmfest Hamburg fertig geworden. Im Sommer habe ich dann den Film „Geliefert“ für den BR gedreht, eine Vater-Sohn-Geschichte. Beim zweiten Lockdown hatte ich ohnehin nicht viel geplant außer ein paar Lesungen aus Svens Roman „Sörensen fängt Feuer“, die mussten wir natürlich verschieben. Aber ich denke, dass ich einer der wenigen freiberuflichen Künstler bin, die völlig unbeschadet durch diese Zeit gekommen sind.

Was sagen Sie dazu, dass der „Tatortreiniger“ jetzt in Großbritannien verfilmt wird? Sie haben dieser Rolle ja viel zu verdanken.

Mädel: Die Rolle mir aber auch (lacht). Einerseits finde ich das natürlich toll und freue mich für den Sender und die Produktionsfirma, andererseits habe ich große Bedenken. Der englische Hauptdarsteller ist ein Comedian, der vom Stand-up kommt und kein Schauspieler ist. Arne und ich haben die Vorlagen von Mizzi Meyer immer sehr detailverliebt umgesetzt, also auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit. Ich bin da ein bisschen skeptisch, ob das in England genauso gemacht wird. Aber es ist natürlich schön, dass mal ein deutsches Format nach England kommt und nicht immer nur umgekehrt. Darauf sind wir stolz. Das Norddeutsch-Lakonische, was uns da unter anderem gelungen ist, und eine feine Komik, mit der man auch schwere Themen behandeln kann, lässt sich hoffentlich ins Englische übertragen. Ich möchte nicht, dass die britischen Zuschauer am Ende des Tages enttäuscht fragen: Und das soll deutscher Humor sein?

Sörensen hat Angst 20.45 Uhr, ARD