Hamburg. Die Filmemacher Reinhold Beckmann und Falko Korth geben Antworten in der Dokumentation „Kurs aufs Kanzleramt“.
Es ist ein Rennen, das längst entschieden schien und inzwischen so offen ist wie nie: Wer der beiden Parteichefs wird bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 auf Listenplatz eins der Grünen kandidieren? Wird Robert Habeck (51) der Spitzenkandidat? Oder macht ihm die gebürtige Hannoveranerin Annalena Baerbock (39) diese Position streitig? Angesichts von Umfragewerten von 18 bis 20 Prozent ist das keine symbolische Frage für Politikverrückte, sondern die klassische Machtfrage. Denn an der Spitze einer möglichen grün-rot-roten Regierung könnte es am Ende um das Kanzleramt gehen.
Diese Frage treibt auch die Filmemacher Reinhold Beckmann und Falko Korth um. Sie haben in den vergangenen 18 Monaten die beiden Parteivorsitzenden immer wieder zu Terminen begleitet, zudem viele persönliche Eindrücke gewonnen. So begleiten die Filmemacher Baerbock zum Trampolinspringen – als Jugendliche wurde sie Dritte bei Deutschen Meisterschaften; mit Habeck gingen sie joggen. Wie so oft in der Dokumentation geht Baerbock aus diesen Vergleichssituationen mit Habeck als heimliche Siegerin hervor.
Grüne Politik, die angekommen ist in der „Mitte der Gesellschaft“
Während sie locker hüpft, symbolisch nach oben kommt und über den Vergleich zur Politik („man muss mutig sein“) resümiert, wirkt Habeck beim Joggen durch Kreuzberg (warum ausgerechnet dort?) eher angestrengt. Durch die Corona-Krise kommt die zweifache Mutter ehrlich-selbstkritisch („Homeoffice geht nicht. Ich habe es live und in Farbe erlebt“), auch hier erscheint Habeck etwas überinszeniert – bei Instagram zeigt er sich als Denker, auf dem Tisch liegt passenderweise Camus’ „Die Pest“.
Immer wieder kommen Politiker und Journalisten zu Wort – etwa Joschka Fischer, Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer oder Markus Söder. Der CSU-Politiker hat das freundlich-vergiftete Lob übrig, die Grünen seien längst „schick, life-stylig – und haben auch keine Probleme mit Geld“. Das macht sie anschlussfähig bis in die Mitte. Baerbock und Habeck stehen für grüne Politik, die angekommen ist in der „Mitte der Gesellschaft“. Fischer konstatiert: „Die ideologischen Schlachten sind ausgeschlagen.“ Das grüne Urgestein hatte Habeck früh auf dem Radar, Baerbock hingegen nicht – sie wurde für viele überraschend 2018 Co-Vorsitzende. Begann sie an der Seite des „Übermächtigen“ Habeck ist sie nun auf Augenhöhe.
Ähnlicher Politikansatz
Auf den ersten Blick verfolgen beide einen ähnlichen Politikansatz: Sie sind Moderatoren und Brückenbauer, Pragmatiker und Realos. Und doch sind sie nicht immer ein Herz und eine Seele – sondern am Ende eben Gegenspieler um ein verlockendes Amt. Besonders stark sind die Doppelinterviews. Da gestehen sie, manchmal voneinander „genervt zu sein“. Baerbock wirkt dann angriffslustiger – etwa wenn sie sagt, „in manchen Dingen sind wir anders – ich komme aus dem Völkerrecht, er aus der Landwirtschaft“.
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Beckmann sieht sie vorne: „Es sieht so aus, als identifiziere sich die Partei zunehmend mehr mit Baerbock“, sagt der Filmemacher dem Abendblatt. „Besonders die Frauen in der Partei stehen nahezu geschlossen hinter ihr. Wenn Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin antreten will, wird Robert Habeck ihr nicht im Weg stehen können und es auch nicht tun.“ Baerbock wäre dann die einzige Frau im Bewerberfeld der großen Parteien für die Bundestagswahl.
Zu viel grünen Optimismus aber bremst am Ende Joschka Fischer: „Eine rot-rot-grüne Regierung kann ich mir nicht vorstellen. Die Linkspartei hat nichts, gar nichts geklärt. Das würde nicht funktionieren – das gäbe in der Außenpolitik ein Riesenkladderadatsch.“
„Baerbock und Habeck – Kurs aufs Kanzleramt?“ 22 Uhr, NDR Fernsehen