Berlin. So viele hochrangige Schauspieler sieht man selten in einem Film. Die ARD-Produktion “Gott“ setzt sich mit der Sterbehilfe auseinander. Am Ende wird das Fernsehpublikum vor eine schwere Entscheidung gestellt.
Schon einmal mussten die Zuschauer entscheiden. Im ARD-Film "Terror" ging es um eine Moralfrage: Darf man ein Passagierflugzeug abschießen, um andere zu retten?
Nun kommt eine neue Geschichte von Ferdinand von Schirach ins Fernsehen. Der Film "Gott" läuft am Montag (20.15 Uhr) im Ersten - und beschäftigt sich mit dem schwierigen Thema Sterbehilfe.
Auch diesmal soll die Meinung des TV-Publikums eingeholt werden. Der Fall: Richard Gärtner will sterben. Eigentlich ist der 78-Jährige gesund, aber nach dem Tod seiner Frau hat ihn der Lebenswille verlassen. Eine fiktive Ethikkommission verhandelt nun, ob Gärtner wie von ihm gewünscht ein tödliches Mittel bekommen soll.
In einem holzvertäfelten Raum treffen sich die verschiedenen Parteien zu einer Anhörung. Zum einen ist da Gärtner selbst - gespielt von Matthias Habich. Ihm zur Seite steht sein Anwalt (Lars Edinger). Zu Wort kommen auch eine Ärztin (Anna Maria Mühe), eine Rechtsprofessorin (Christiane Paul) und ein Bischof (Ulrich Matthes).
Was folgt, sind 90 Minuten Kammerspiel. Die Experten tragen Argumente für den assistierten Suizid vor, aber auch dagegen. Besteht die Gefahr eines Dammbruchs? Ist es mit der Berufsethik zu vereinbaren, wenn Ärzte beim Sterben helfen? Und welche Folgen hat es für die Gesellschaft, wenn sich Menschen stattdessen auf anderem, brutalen Weg das Leben nehmen?
Immer wieder wendet sich Barbara Auer als Vorsitzende des Ethikrats dabei ans Publikum. Die direkte Ansprache der Fernsehzuschauer ist ziemlich ungewöhnlich. Und den Schauspielern schaut man allesamt gerne zu, für das Projekt sind bekannte Namen zusammengekommen. Insgesamt aber geht es recht nüchtern zu: Nicht der Einzelfall steht im Fokus, sondern der Austausch von Argumenten.
Grundlage für den Fernsehfilm ist ein Theaterstück von Schirach. Im September war "Gott" in Berlin und Düsseldorf uraufgeführt worden. Erst im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Entscheidung verkündet: Die Richter kippten einen Paragrafen im Strafgesetzbuch und bekräftigten ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben - unabhängig von unheilbaren Krankheiten.
Das Gericht stieß damit die Tür für organisierte Angebote zur Sterbehilfe in Deutschland auf. In Schirachs Text werden viele Fragen angesprochen. Besteht nicht die Gefahr, dass Menschen ihrem Leben leichtsinnig ein Ende setzen? Darf es eine Rolle spielen, ob jemand fast 80 Jahre alt ist oder erst Anfang 30?
Am Ende müssen die Zuschauer abstimmen: Halten Sie es für richtig, einem gesunden Menschen ein tödliches Medikament zu geben? Würden Sie es tun, wenn Sie Arzt wären? Soll ein Mensch wie Herr Gärtner einen Anspruch darauf haben, dass Ärzte ihm beim Suizid helfen?
Bei den Theateraufführungen in Düsseldorf und Berlin sprach sich die Mehrheit des Publikums dafür aus, Richard Gärtner das tödliche Medikament zu geben. Die Fernsehzuschauer sollen am Montagabend erneut abstimmen. Eine Talkrunde bei "Hart aber Fair" ist ebenso geplant.
Vor vier Jahren fiel die Entscheidung bei "Terror" eindeutig aus. Das deutsche Fernsehpublikum plädierte für Freispruch. Fast 90 Prozent der TV-Zuschauer entschieden, dass der Bundeswehrsoldat, der eine Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord abschoss, um 70 000 Leute in einem Fußballstadion zu retten, unschuldig ist. Wie das Stimmungsbild beim assistierten Suizid aussieht, wird sich zeigen.
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