Hamburg. Ohne die Ärztin Astrid Quentell würde es die TV-Sendung nicht geben. Und Ralf Dümmel als das bekannteste Gesicht auch nicht.

Ein winziger Moment, Sekunden nur. Dann wusste sie es. Mehr Bauchgefühl als rationale Entscheidung. Der ist es! Den will ich für die Sendung haben! Es ist ein grauer Novembertag vor fünf Jahren, als Astrid Quentell, die Geschäftsführerin der Sony Pictures Film- und Fernsehproduktions GmbH, eine DVD vom Schreibtisch nimmt und in das Laufwerk ihres Computers steckt. In ihrem Büro steht ein Pappaufsteller von Robbie Williams, vom Schreibtisch aus kann sie den Rhein sehen.

Doch Astrid Quentell guckt nur auf den Computerbildschirm. Dort läuft ein Interview mit einem Unternehmer, der für „Die Höhle der Löwen“ gecastet wurde. Nicht als Gründer, als Teilnehmer, sondern als Investor. Seit dem Start der Sendung hatte Sony immer wieder nach interessanten Persönlichkeiten gesucht. Immer wieder geeignete Unternehmer kontaktiert, immer wieder Probeaufnahmen gemacht. Und immer wieder gemerkt, wie schwierig es war, einen passenden Löwen zu finden. Jemanden, der vor der Kamera präsent ist, ohne zu dominieren. Der Charakter hat, Ausstrahlung. Jemanden wie ihn.

Ralf Dümmel. Geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens DS Produkte. Einem der europaweit größten Lieferanten von Non-Food-Produkten. Die Firma ist bekannt, Dümmel nicht. In Internet gibt es zu der Zeit nur ein Fotos von ihm – zusammen mit Vitali und Wladimir Klitschko (siehe Text rechts). Gerade mal 3:09 Minuten dauerte der Film, noch nicht einmal zwei Minuten davon ist Ralf Dümmel zu sehen.

Astrid Quentell hatte das Gefühl, dass es noch mehr im Leben geben muss als die Medizin

Er sitzt auf einem beigen Ledersessel bei DS Produkte in der Eingangshalle. Im Hintergrund steht eine Bürotür offen, ein Palmenwedel ragt ins Bild. Dümmel spricht über DS Produkte – und warum so viele Gründer scheitern. Er ist souverän, aber nicht arrogant. Eloquent aber nicht eingebildet. Er ist es! Davon ist Astrid Quentell überzeugt.

Wenn es irgendwann anders gekommen wäre, dann würde Astrid Quentell jetzt vermutlich nicht vor ihrem Computer sitzen und neue Investoren casten. Sondern vielleicht gerade mit den Flying Doctors durch Australien fliegen und irgendwo im Outback Patienten behandeln. So wie sie es schon mal gemacht hat. Oder sie würde in der Urologie eines Krankenhauses arbeiten. So wie früher. Vielleicht hätte sie aber auch eine eigene Praxis. So wie sie sich das während des Studiums manchmal vorgestellt hat. Bis es eben anders gekommen ist.

Worum es in der Sendung "Die Höhle der Löwen" geht:

  • Es ist eine der erfolgreichsten Sendungen im deutschen Fernsehen. Seit „Die Höhle der Löwen“ 2014 erstmals ausgestrahlt wurde, erreicht die Gründershow auf VOX regelmäßig die Quotenmarktführerschaft in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen.
  • „Die Höhle der Löwen“ basiert auf dem britischen TV-Format „Dragons‘ Den“.In der Show haben Gründer die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell oder ihre Erfindung erfolgreichen Unternehmern (den „Löwen“) zu präsentieren und bei ihnen um eine Investition zu werben. Es war die erste Gründershow im deutschen Fernsehen und ist bis heute die erfolgreichste. Dabei wollte das Format zunächst niemand haben.
  • Als Astrid Quentell, die Chefin der Sony Pictures Film und Fernseh Produktions GmbH, hierzulande eine Adaption des britischen Erfolgsformats „Dragons‘ Den“ produzieren wollte, glaubte zunächst niemand an den Erfolg der Wirtschaftssendung. Fünf Jahre lang präsentierte sie das Konzept verschiedenen Fernsehsendern – bis VOX schließlich zusagte.
  • Im Herbst 2014 ging „Die Höhle der Löwen“ erstmals auf Sendung. Inzwischen läuft bereits die achte Staffel des Erfolgsformats – montags um 20.15 Uhr auf VOX.
  • Neu im Löwenrudel ist in diesem Jahr der ehemalige Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, der den Platz des IT-Experten Frank Thelen eingenommen hat.
  • Ralf Dümmel gehört seit 2016 zu den Investoren. Bei seinem Einstieg war er nahezu unbekannt. Im Internet existierte zu dieser Zeit nur ein einziges Foto von ihm – zusammen mit Vitali und Wladimir Klitschko.
  • Als Dümmel zusammen mit Carsten Maschmeyer als Investor vorgestellt wurde, sprachen manche nur von „Maschmeyer und dem anderen“. Inzwischen ist Ralf Dümmel zum Publikumsliebling avanciert – und für viele der„Der König der Löwen“. (nik)

Irgendwann vor 26 Jahren, als Astrid Quentell ihr drittes Staatsexamen als Ärztin bereits in der Tasche und gerade ihre 18-monatige Zeit als AiPler (Arzt im Praktikum) beendet hatte, war da plötzlich dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass es noch mehr im Leben geben muss als die Medizin. Dass sie noch mal was anderes ausprobieren muss. Also probierte sie. Und probierte. Mehr als 50 Bewerbungen schickte sie raus. An Medizin-Publikationen, PR-Agenturen, Kosmetik-Firmen - und Fernsehunternehmen. Schließlich hatte sie während des Studiums bei Sat.1 gearbeitet. Zuerst zwar nur im Catering und in der Maske, dann aber auch als Trainee im Frühstücksfernsehen.

Geschäftsprinzip wie in der Autoindustrie

Manchmal wundert sie sich selbst noch darüber, wie ihr Leben verlaufen ist. Wie sie, die Medizinerin, als Redakteurin bei einem Produktionsunternehmen für Fernsehsendungen anfing und Gameshows wie „Geh aufs Ganze“ produzierte. Wie sie später „Popstars“ und „Rach, der Restauranttester“ verantwortete. Und wie sie schließlich Chefin der Sony Pictures Film- und Fernseh Produktions GmbH (SPFFP) wurde.

Das Geschäftsprinzip vergleicht sie manchmal so: „Es ist wie in der Autoindustrie. Dort stellt eine Firma Autotanks her und verkloppt sie an alle anderen. Wir stellen Sendungen her.“ Da die wenigsten Sender selbst Formate produzieren, übernehmen das externe Firmen für sie. Bis zu 600 Leute arbeiten für den Produktionszweig der Sony, der Sendungen wie „Der Lehrer“, „HELDT“, „Biete Rostlaube, suche Traumauto“ oder „Die Höhle der Löwen“ produziert. Mit Erfolg: „Der Lehrer“ ist seit Jahren die erfolgreichste deutsche Serie im frei empfangbaren TV bei der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre, „Die Höhle der Löwen“ die erfolgreichste und quotenstärkste Produktion von Vox.

Lesen Sie hier den vierten Teil der Serie

Lesen Sie hier den dritten Teil der Serie

Lesen Sie hier den zweiten Teil der Serie

Lesen Sie hier den ersten Teil der Serie

Dabei hatte zunächst niemand geglaubt, dass sich das britische TV-Format („Dragons’ Den“) auch hierzulande behaupten könne. Niemand – bis auf Astrid Quentell. Schon vor ihrer Zeit bei Sony faszinierte sie das Konzept der Reality-Show, in der Gründer um finanzielle Unterstützung von Investoren buhlen. Doch jedes Mal, wenn sie Fernsehsendern eine Adaption vorschlug, bekam sie eine Absage. „Eine Wirtschaftssendung? Zu wenig emotional“, hieß es immer. Und immer wieder. Fünf Jahre lang. Zehnmal präsentierte sie das Konzept den Sendern. Neunmal wurde es abgelehnt. Bis Vox 2013 einen neuen Chef bekam. Einen neuen Chef mit neuen Ideen. Bereit für Wagnisse. Bereit für „Die Höhle der Löwen“. Diesen Namen hatte Astrid Quentell dem deutschen Ableger gegeben – innerhalb weniger Minuten stand für sie fest, das Format hierzulande nicht wie in England oder Australien „Höhle der Drachen“ oder „Haifischbecken“ zu nennen. „Weil die Begriffe so weit weg von Emotionen sind wie ein James-Bond-Film“, befand die Expertin.

Dümmel war ihr schon zwei Jahre zuvor aufgefallen

Noch während die erste Folge ausgestrahlt wurde, bekam sie die ersten Anrufe. Von Programmchefs, die die Sendung abgelehnt hatten – es nun bereuten. „Die größte Eigenschaft, die man beim Fernsehen haben muss“, sagt Astrid Quentell, „ist Geduld.“ Und Durchhaltevermögen.

Dümmel war ihr schon zwei Jahre zuvor aufgefallen. Als sein Name erstmals im Rahmen der Suche nach potenziellen Löwen fiel und Probeaufnahmen mit ihm gemacht wurden. Seitdem stand sein Name ganz oben auf der Liste, seitdem war er einer der Favoriten von Astrid Quentell. Bisher gab es jedoch keinen freien Platz im Löwenkäfig. Doch Astrid Quentell konnte warten. Das hatte sie gelernt. Ihre Geduld lohnt sich: Lencke Steiner will aussteigen. Astrid Quentell braucht dringend einen Nachfolger.

Bevor sie jemanden persönlich trifft, muss sie sehen, ob er auf dem Bildschirm funktioniert. Das ist das Wichtigste. Nicht, wie jemand im echten Leben rüberkommt. Sondern wie er sich vor der Kamera gibt, wie er im Fernsehen wirkt. Und Dümmel wirkt. Beim Start des neuen Formates wäre er vielleicht noch durchs Raster gefallen, weil er zu unbekannt war. Weil man damals Namen brauchte, um die Sendung zu etablieren. Namen, mit denen die Leute etwas verbinden. Jetzt spielt das keine Rolle mehr. Jetzt ist seine Chance gekommen.

Dümmel ist zunächst total verwirrt

Als Dümmel das erste Mal angerufen wird, ist er zunächst total verwirrt. Was soll er denn bei „Die Höhle der Löwen“? Er sei ja nun wirklich kein Gründer mehr. Und einen Investor brauche seine Firma auch nicht. Erst dann begreift er, worum es geht. Dass sie ihn nicht als Teilnehmer wollen, sondern als Investor. Als Löwen.

So richtig vorstellen kann er sich das trotzdem nicht, als er wenige Wochen später nach Köln fährt. Da wird es doch sicher Bessere geben als ihn. Leute mit Fernseherfahrung. Als er das Büro von Astrid Quentell betritt, ist er nervös, nahezu unsicher. Er fühlt sich irgendwie deplatziert. Die Sony-Chefin merkt das – und trifft sofort eine Entscheidung. Noch bevor Ralf Dümmel sitzt, steht fest: Sie will ihn unter Vertrag nehmen. Nicht trotz seiner Nervosität. Sondern gerade deswegen. Weil er nichts vorspielt, aufsetzt. Sondern ehrlich ist. Authentisch, charmant. Für Astrid Quentell ist er „der Vollhammer“, wie sie es Jahre später nennt. Für sie gibt es keine Alternative.

Lesen Sie auch:

Eine Stunde dauert das Gespräch. Man versteht sich auf Anhieb, scherzt zusammen. Wie alte Freunde. Dümmel ist unsicher, wie er im Fernsehen wirken wird. Die Expertin nicht. „Sie haben ein Fernsehgesicht“, sagt Astrid Quentell. Das wird der Hammer. „Da gibt es nur einen Punk t…“, setzt sie an. „Im Fernsehen wirkt man fünf Kilo schwerer.“

„Mist“, sagt Dümmel. „Ich hab ja eh schon fünf zu viel. Dann sind es im Fernsehen ja zehn.“ Er lacht. Dann fasst er einen Entschluss. Bis zur Sendung nimmt er zwölf Kilo ab. Es ist der Beginn einer Freundschaft.

Das Magazin

Pünktlich zur neuen Staffel hat das Abendblatt ein Magazin über Ralf Dümmel in den Handel gebracht. Es kostet 9 Euro und ist auch im Abendblatt-Shop am Großen Burstah 18–32 sowie unter shop.abendblatt.de erhältlich. (Treuepreis für Abonnenten bei Kauf übers Abendblatt: 8 Euro).

duemmel.jpg