Lissabon/Hamburg. ZDF und Innovation? Genauso gut könnte man Réthy bitten, nicht nur ins Mikrofon zu brüllen, was ohnehin jeder sieht: Laber geht weiter.

Er kann es nicht mehr. Den Fußball-Fans kein Finale mehr zu einer Kontroverse um ein tolles Spiel und einen drei Klassen tiefer rangierenden Kommentar machen. Der ZDF-Spielbequatscher Béla Réthy wird im Anschluss an das 1:0 der Bayern im Finale der Champions League 2020 gegen Paris St. Germain nach fußballmenschlichem Ermessen so schnell kein Endspiel mehr kommentieren. Werden wir ihn vermissen? Sagen wir es so: Wir freuen uns auf neue Stimmen.

Für seinen x-ten Live-Kommentar bei einem bedeutenden Finale brauchte der häufig zu abgeklärte Mainzelmann Béla Réthy etwas Aufwärmzeit. Er hielt sich sklavisch an die taktischen Vorgaben: sagen, welche Ketten von Spielern wo am effektivsten sind; worauf es jetzt unmittelbar im Spiel ankommt. Das Geseiere vom „Druck“ auf den Spielern bemühte er erst gar nicht.

Réthy "nimmt an Fahrt auf": Der alte Béla-Béla

Dann kam aus Réthy aber schnell wieder der alte Béla-Béla heraus. Er brüllte das ins Mikro, was jeder sah. „Das ist der falsche Fuß.“ „Di Maria gegen Davies.“ „Das Spiel nimmt an Fahrt auf.“ Wenig überraschend beim Aufeinandertreffen zweier Tempo-Teams. Wo war die Einordnung? „Gelbe Karte für Davies nach Foul…“ Das sah man alles. Hatte Davies die verdient? Kann man die geben? Muss man die geben?

Der Kommentator sollte für Zusatzinfos da sein, für Hintergründiges und gerne auch mal für einen Spruch. Wolf Fuss von Sky hat sich da auch zuletzt zurückgehalten. Doch der von Fans wie Experten zum letzten Ball-Poeten der Moderne ausgerufene Sky-Mann ist weit unterhaltsamer als der biedere Mundwerker Réthy mit seinem „Thiago. Coman. Lewandowski.“ Nicht jedem Reporter in fortgeschrittenem Alter ist so viel Beobachtungsgabe des Ballweges mit gleichzeitiger korrekter Aussprache gegeben …

Bloß keine Kritik an den Bayern!

Aber das hier ist Champions League. Finale. Okay, Robert Lewandowski sah Réthy bei dessen erster Chance „wie eine Ballerina auf einem Fuß“. Die männliche Form „Ballerino“ wäre zwar passender, aber nicht so gängig gewesen. Oder fiel Réthy kein Balletttänzer ein? Mit drei t wie ein Triple quasi? Nijinski? Nurejew? Neumeier? Egal. "Laber" geht weiter, wusste schon der ehemalige Eintracht-Frankfurt-Unterhalter Dragoslav Stepanovic.

Bereits in der Vorberichterstattung war zu hören, dass da beim ZDF zum überraschenden Finaleinsatz kein magisches Dreieck im Einsatz war wie bei den Champions von Sky mit Sebastian Hellmann, Lothar Matthäus und dem pointensicheren Erik Meijer (der aufgemotzte Rudi Carrell der deutschen Fußball-Show). Nein, das von der Corona-Reservebank aufs Studio-Feld beorderte Trio mit Jochen Breyer, Katrin Müller-Hohenstein und Profi-Lautsprecher Sandro Wagner hielt den Ball verbal bemüht flach: stoppen, gucken, weiterspielen. Bloß nichts anbrennen lassen beim Zuschauer mit gewagten oder bayernkritischen Stimmen. Nur weil die Bayern ins Finale kamen, erhielt das ZDF überhaupt den Live-Zuschlag.

Béla Réthy und das ZDF: Immun gegen Innovation

In Halbzeit zwei mühte sich Réthy insgesamt etwas mehr. Gab es Hinweise, dass sein Satz von „Geh rechts, geh links, allez, allez, allez – alle Sprachen dieser Welt“ bei Twitter fußballerisch gesprochen zur „Kerze“ wurde? Da hat einer ohne Not in der Abwehr gegen Millionen kritische TV-Gucker den Ball einfach nur hoch in die Luft geschossen.

Das wird Réthy nicht mehr auf die Füße fallen. „Noch sechseinhalb Minuten!“ Pause. Man hört den Rechenschieber rascheln. „Ach nee, fünfeinhalb.“ Er und das ZDF sind immun gegen Innovation. Gerade in Corona-Zeiten soll man auch nicht zu viel riskieren. Der Fußball hat mit fünf Auswechslungen schon genug Revolutionäres gewagt. Und sind wir ehrlich: Die eine oder andere Plattitüde würden wir ohne Béla Réthy und seine Verbal-Dreher vermissen. Schließlich sind wir alle irgendwo Fußball-Ramontiker.