Berlin. Dabei stand der TV-Kanal kurz vor der Liquidation. Geschäftsführer Bernd Reichart hat das Programm komplett umgekrempelt.

Moment mal, meint der das ernst? Das sagt Vox-Geschäftsführer Bernd Reichartauf die Frage, welches Format er gern in seinem Sender sehen würde: „Das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Sollte das freiwerden und für kleines Geld zu haben sein, schnappen wir es uns sofort.“

Nun gibt es Endspiele von Fußball-Weltmeisterschaften nie „für kleines Geld“. Ohnehin sind im deutschen Fernsehen ARD und ZDF auf das Hochamt des Weltfußballs abonniert. Und sollte die Senderfamilie RTL Deutschland, zu der Vox gehört, wider Erwarten einmal mehr von dem Turnier zeigen dürfen als ein paar unbedeutende Vorrundenspiele, gingen diese Übertragungsrechte mit Sicherheit nicht an Reicharts Sender.

Programm komplett umgekrempelt

Andererseits ist dem TV-Manager fast alles zuzutrauen. Seit er 2013 die Geschäftsführung bei Vox übernahm, hat er dessen Programm komplett umgekrempelt. Er strich billige Scripted-Reality-Formate wie „Verklag mich doch“ und reduzierte die Zahl amerikanischer Serien drastisch. Stattdessen setzte er auf Eigenproduktionen. Formate wie „Sing meinen Song“, „Kitchen Impossible“ oder „Die Höhle der Löwen“ entstanden in seiner Ära.

Die Idee zur Erfolgsserie „Club der roten Bänder“ brachte er selbst aus Spanien mit, wo er vor seinem Engagement bei Vox zu der ebenfalls zur RTL Group gehörenden Sendergruppe Antena 3 gearbeitet hatte. Die Serie hatte nicht nur hervorragende Quoten, sie gefiel auch der Kritik und wurde mit Auszeichnungen überhäuft.

Fünftgrößter deutscher TV-Kanal

Fünf Jahre nach Reicharts Amtsantritt und pünktlich zum 25-jährigen Senderjubiläum geht es Vox besser denn je. Bereits 2016 hatte der Sender in der Zuschauergunst ProSieben überholt und ist seither nach dem ZDF, dem Ersten, RTL und Sat.1 der fünftgrößte deutsche TV-Kanal. Vergangenes Jahr gelang es ihm als einzigem der großen deutschen Fernsehsender in der für die Privaten wichtigen werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen Marktanteile hinzuzugewinnen. So gut wie jetzt ging es Vox eigentlich noch nie.

Dabei wäre der 1993 als TV-Kanal für anspruchsvolle Zuschauer gestartete Sender beinahe einen frühen Tod gestorben. Öffentlich-rechtlich geschultes Personal wie Ruprecht Eser oder Wibke Bruhns sorgte zwar für ein informatives Programm. Das von Dieter Moor – der sich heute Max Moor nennt – moderierte Medienmagazin „Canale Grande“ etwa kam bei der Kritik gut an. Allein, kaum jemand wollte Vox sehen.

„Ally McBeal“ erster Quotenhit

In dieser Phase erzielte der Sender nur einen Marktanteil von 0,3 Prozent. 1994 stand der Sender, der einst von Banken, Verlagen und der RTL-Mutter Bertelsmann gegründet worden war, kurz vor der Liquidation. Eine nachhaltige Erholung setzte erst ein, als die RTL Group 1999 die Anteilsmehrheit von US-Medienzar Rupert Murdoch übernahm, der zwischenzeitlich eingestiegen war.

Der erste richtig große Quotenhit von Vox war um die Jahrtausendwende herum die amerikanische Anwaltsserie „Ally McBeal“. In dieser Zeit schärfte Anke Schäferkordt das Profil des Senders. Sie sitzt heute im Bertelsmann-Vorstand und ist Chefin von RTL Deutschland. Auch für ihren Nachfolger Frank Hoffmann erwies sich Vox als Karrieresprungbrett. Er ist nun Geschäftsführer des TV-Senders RTL.

VOX-Geschäftsführer
Bernd
Reichart
VOX-Geschäftsführer Bernd Reichart © Boris Breuer | Bernd Reichart

Dass der 43 Jahre alte Reichart den Höhepunkt seiner Laufbahn noch längst nicht erreicht hat, gilt in Branchenkreisen als sicher. Manchem ist sein Erfolg schon fast unheimlich. Geradezu erleichtert schien der Onlinedienst DWDL zu sein, als er im Juni 2017 titelte: „Hurra, sie sind doch fehlbar!“ Damals waren Vox die beiden Talkformate „Fremde Freunde“ und „Story of my Life“ abgeschmiert. Für Reichart war das im Rückblick nicht weiter tragisch. „Ein Jahr ohne Flop würde mir Angst machen“, sagt er. „Das hieße ja, wir wären nicht experimentierfreudig genug.“ Wobei Flop relativ ist: „Story of my Life“ wurde mittlerweile für den renommierten Grimme-Preis nominiert.

In der kommenden TV-Saison setzt Reichart auf Comedy: „Did you get the Message“ variiert das Thema „Versteckte Kamera“. Und in „True Story“ spielen Schauspieler Geschichten aus dem Leben ganz normaler Leute nach. Und, na klar: Der Spruch mit dem WM-Finale war ein Witz.