München. Der Krimi aus München kommt Batic und Leitmayr ganz nah und lässt einen tiefen Blick in die Kommissarseelen zu. Starker Abend.

So lädiert hat man Batic und Leitmayr noch nicht gesehen, so alt und verbraucht haben sie nie gewirkt. Der eine nach metertiefem Sturz auf Krücken, der andere gerade aus dem künstlichen Koma erwacht – eine Kugel haben sie aus ihm herausoperiert. „Wie soll das weitergehen mit uns?“, fragt Leitmayr, und das trifft den Kern dieses außergewöhnlichen Münchener Tatorts („Der Tod ist unser ganzes Leben“). Die Freundschaft der beiden Unzertrennlichen driftet in die Krise und was hält das Leben eigentlich sonst noch bereit für zwei Polizisten ohne Familie?

Ein irrer Mörder mit leisem Spott

Zuerst immerhin macht sich Befriedigung breit bei den Ermittlern. Sie schnappen den Messerstecher, der ihnen vor einem Jahr (in der grandiosen Folge „Die Wahrheit“) durch die Lappen ging. Ein Mann, der wahllos tötet und den Zufall zum Sinn erklärt. Gerhard Liebmann stattet diesen kleinen, kalten, irren Mörder mit leisem Spott aus, ein Typ, bei dem uns fröstelt.

Krimis fangen in der Regel nicht mit der Verhaftung des Täters an, aber hier löst sie eine fesselnde Kettenreaktion aus. Denn Holger Joos’ geschickt gestricktes Drehbuch ist zunächst als Rückblende angelegt: Leitmayr (Udo Wachtveitl) muss in einem Untersuchungsausschuss den Internen erklären, was beim Gefangenentransport schiefging, bei dem er und Batic (Miroslav Nemec) mit von der Partie waren. Es gibt eine vorgetäuschte Panne, es gibt Tote in einer stillgelegten Papierfabrik, zwei schwer verletzte Kommissare; und es gibt viele Ungereimtheiten über den Ablauf eines Dramas, das an Blut im Übrigen wahrlich nicht spart.

Ein düsteres Ding in kalten Grautönen mit viel Beton und heruntergerocktem Industrieambiente hat Philip Koch da inszeniert, das in Bild und Struktur mit den Sehgewohnheiten des Sonntagabend-Krimifreunds phasenweise Achterbahn fährt.

Schon weil es mit der Wahrheit spielt: Koch serviert das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven und lässt erst mal offen, ob die Bilder eine Lüge des Schildernden sind oder Realität. Das ist nicht nett, wenn man’s gerne bequem hat und daher sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber es ist ein kreativer Dreh, der spannende Möglichkeiten eröffnet.

Ungewohnte Tatort-Tiefe

Für den kühlen Stil der Inszenierung hat Sebastian Pille einen passenden Klangteppich gewoben. Die dunklen Töne brummen unaufdringlich, aber bedrohlich im Hintergrund. Die erzählerische Ästhetik vernebelt nie den Kern der Geschichte, der vor allem die zweite Hälfte prägt: die Krise des „alten Ehepaars“ Batic und Leitmayr, deren gegenseitiges Vertrauen auf die Probe gestellt wird, deren Freundschaft abzusaufen droht, weil der eine nicht mehr versteht, was den anderen antreibt.

Wie sie über ihr Leben philosophieren, das erreicht keine Schopenhauer’schen Dimensionen, gewiss, aber immerhin ungewohnte Tatort-Tiefe: Wachtveitl und Nemec gelingt es auch nach 26 Jahren, diesen Buddies immer noch neue Facetten zu entlocken. So privat wie diesmal war es mit den beiden lange nicht mehr.

Ein tiefer Blick in die Kommissarseelen. Ein starker Tatort-Abend.

Tatort, So, 20.15 Uhr, ARD