Geht auch noch besser: Die ARD-Miniserie „Die Stadt und die Macht“ ist ein ehrgeiziges Polit-Spektakel.
Da ist sie angeblich wieder, die viel beschworene, heftig gewünschte und meist nur herbeigeredete deutsche Qualitätsserie. „Die Stadt und die Macht“ heißt sie diesmal und erzählt eine Geschichte aus der Berliner Lokalpolitik: vom Bemühen der Anwältin Susanne Kröhmer (Anna Loos), Bürgermeisterin zu werden. Sie läuft an drei aufeinanderfolgenden Abenden im Ersten, jeweils als Doppelfolge und ab Ende der Woche schon auf Netflix bzw. in voller Pracht in der ARD-Mediathek.
Das ist die Unersättlichkeit der Fernsehgegenwart, die Freizügigkeit des Rezipienten: Wir glotzen, wann wir wollen, und unterwerfen uns nicht mehr dem Diktat des Fernsehprogramms.
So weit, so gut. Mit der Pracht ist es in dieser stellenweise euphorisch begrüßten Serie aber so eine Sache, weil, wie meist im deutschen Fernsehen, der Wille zum Epischen fehlt. Und der wäre, so zur Abwechslung, mal ganz nett. Bei galoppierender Handlung vergeht einem, ehe man doch noch auf den Serienzug aufspringt, erstmal schnell die Lust – wobei Politik andererseits durchaus ein Schauspiel mit vielen Szenenwechseln ist. In „Die Stadt und die Macht“ (Regie: Friedemann Fromm, Drehbuch: Annette Simon, Christoph Fromm und Martin Behnke) geht es um die – jawoll: konservative – CDP-Politikerin Susanne Kröhmer, die unverhoffte, aber umso idealistischere Bürgermeister-Kandidatin im Übrigen angemessen provinziell dargestellten Berlin. Lokalpolitik muss provinziell wirken, sonst wäre sie keine Lokalpolitik.
Kröhmers Pech: ihr Vater ist in derselben Partei und dort der schwerste Machtfaktor. Weil Karl-Heinz Kröhmer (Thomas Thieme) seine Lust an der Korruption mit dem aktuellen Bürgermeister Manfred Degenhardt (Burghart Klaußner) und dem Bauunternehmer Frank Griebnitz (Jürgen Heinrich) über Jahrzehnte auslebte und gleichzeitig aufgrund eines düsteren Geheimnisses in der Hand der Mit- und Gegenspieler ist, arbeitet er zunächst nach Kräften gegen die Tochter.
Womit das Feld der ödipalen Konflikte bereitet ist. Mit den alten Seilschaften hat Kröhmer nichts zu tun, was ihr die Sympathiepunkte der Außenseiterin einbringt. Andererseits lässt sie sich von den Strippenziehereien genauso versauen wie jeder andere. Politik ist ein Kartenhaus, das mit Sinn für Ego-Statik gebaut wird, die immer ein gewaltiges Gewicht zu tragen hat.
Wie „House of Cards“ ist die ARD-Produktion ein guter Thriller, wie das bisweilen überschätzte „Borgen“ steht die Frage im Mittelpunkt der Handlung, wie sich eine Frau im karrieristischen Politikbetrieb schlagen kann, ohne ihren moralischen Kompass zu verlieren. „Die Kunst der Politik besteht im Wesentlichen darin, nichts mit dem zu tun zu haben, was man selber angezettelt hat“, heißt es einmal.
Während Anna Loos als robust-jungfräuliche Spitzenkandidatin längere Zeit mit ihrer Rolle fremdelt, sind Thomas Thieme als Machtbolzen und Polit-Fleischer, für den die Stadt ein Steak ist, das zerteilt und verspeist wird, und der wie immer sensationelle Martin Brambach als (allerdings komisch schwäbelnder) Spindoktor George Lassnitz durchweg eine Schau.
Brambachs Szenen als politisch erotisierter Kampagnenführer – „wie damals bei der Bundestagswahl, beim Gerd“ – sind ganz groß und auch in der Grellheit erlaubt. Genau diese Grellheit würde man der insgesamt solide auf Kurzweil und Knalleffekte setzenden Produktion jedoch manchmal gerne austreiben. Tempo, viele Schnitte, ein schrecklich billiger Synthie-Soundtrack, die Gedrängtheit der Handlung und damit einhergehend das methodische Unterlaufen von weitschweifenden narrativen Ansprüchen: Man möchte es halt doch mal ganz anders sehen. Atmosphärisch dicht, gar literarisch tief (Gott, die Puppen- und Wolf-Metaphorik, ja ja) ist hier wenig.
Gibt es hier eine einzige jener Szenen, die subtil das Offensichtliche auf einer zweiten Ebene erzählt?
„Die Stadt und die Macht“ 12., 13. und 14.1., jeweils 20.15 und 21.00, ARD