In „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ kehrt ein alter Bekannter zurück. Freitag läuft die Vorgeschichte in der ARD.
Solche Augen vergisst man nicht. So schön und gleichzeitig so böse. Sie erzählen von Abgründen, von denen man lieber nichts gewusst hätte. Lars Eidinger war als Psychopath im Kieler „Tatort“ vor drei Jahren eine kleine Bildschirmsensation. Ein Täter, der die Zuschauer mitnahm auf eine Furcht einflößende Gedankenreise und sie zum Mitwisser seiner kranken Fantasien machte.
Nun ist der Mann, der auf den unauffälligen Namen Kai Korthals hört, zurück im „Tatort“. Und zurück im Leben von Kommissar Borowski und seiner Kollegin Sarah Brandt – gespielt von der Hamburger Schauspielerin Sibel Kekilli –, der er einst den Schlaf und das Polizistinnen-Selbstbewusstsein geraubt hat. Als stiller Mitbewohner schrubbte er sich mit ihrer Zahnbürste die Zähne und verschlang ihre Frühstücksreste. Bis er schließlich nach Dänemark fliehen konnte und die Kieler Polizei leicht angeschlagen bis schwer traumatisiert zurückließ.
Gespensterfilm statt klassischer Rätsel-“Tatort“
Auch der Nachklapp „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ ist mehr ein Gespensterfilm als ein klassischer Rätsel-„Tatort“. Ein kleine Philosophiestunde über Gut und Böse. Wobei das Böse natürlich eiskalt im Vorteil ist. Mit dem Wissen des vorangegangenen „Tatorts“ im Rücken stellt sich gleich von der ersten Filmminute an eine Beklemmung ein, die 90 Minuten nicht weichen will.
Eine junge, verwirrte Frau wird an der Kieler Förde aufgefunden. Sie ist dem Frauenmörder Korthals in die Hände gefallen, hat wenige Tage zuvor seine Tochter auf die Welt gebracht und ist unfähig, in Worte zu fassen, was ihr Grauenhaftes widerfahren ist.
Axel Milbergs Borowski befindet sich unterdessen im Beziehungsrausch. Mit der einstigen Polizeipsychologin Frieda Jung redet er von Liebe und Hochzeit und davon, was es heute zum Abendessen geben soll (Risotto). Sein angeborener Weltekel und die schwermütige Lakonie scheinen verflogen. Borowski im Glück – dieses Vergnügen hatte das Publikum so auch noch nicht. Der Kieler Brummel-Kommissar, von dem die meisten nur den Nachnamen kennen, ist in diesem Film erstaunlich oft: der Klaus. Er wird menschlich in diesem „Tatort“. Und sehr verletzlich.
Eine erzählerische Zumutung
„Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ (Regie: Claudia Garde, Drehbuch: Sascha Arango) kann mit einem doppelten Wiedersehen aufwarten: Maren Eggert als spröde Psychologin war ja nie bloße Figuren-Dekoration im Kommissariat, wie sie in manchen Krimis in Pathologie und Polizeikantine zuhauf herumschwirren. Sie war (und ist) Borowskis Lichtgestalt. Jemand, die ihm eine Ahnung davon vermittelt, was im Leben möglich ist, wenn alle Verhöre geführt, alle Verdächtigen überprüft sind.
Aber so einfach ist es eben doch nicht. „Ich hasse deinen Beruf“, sagt Frieda Jung zu Borowski. Er widerspricht nicht. Borowski, der sonst die Dinge gerne auf sich wirken lässt, ist in diesem Fall äußerlich zerschrammt und innerlich wild entschlossen. Es ist an seiner Kollegin Brandt, einen kühlen Kopf zu bewahren. „Wir tun das, wofür wir bezahlt werden. Wir bleiben sachlich, wir jagen ihn, wir kriegen ihn“, erklärt sie ihrem Chef wie einem Polizeischüler.
Sachlich ist an diesem „Tatort“ rein gar nichts. Er ist eine erzählerische Zumutung, wenn auch weniger konsequent auf die Täterpsyche fokussiert wie der erste Teil des „Stillen Gastes“. Große Fragen werden hier aufgeworfen: Wie viel Normalität steckt in einem Verbrecher? Wie viele seelische Vernarbungen tragen wir in uns? Und was braucht es, um aus jedem von uns einen Täter zu machen? Der Film geht an Schattenorte, Kellerverliese und Aufzugschächte, das Licht ist schmutzig gelb. „Willkommen auf der dunklen Seite“, sagt Eidingers Serienmörder zu seinem Gegenspieler Borowski.
Dies ist auch das Duell zweier Männer, die beide um das kämpfen, was ihnen auf der Welt am kostbarsten ist. Auge um Auge. Es gibt in diesem Kampf keinen Sieger.
„Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD. „Tatort: Borowski und der stille Gast“, heute, 22.00 Uhr, ARD