Anke Engelke spielt mit Charly Hübner in der Komödie „Einmal Hallig und zurück“ von der Hamburger Regisseurin Hermine Huntgeburth.
Zwei Menschen laufen durchs Watt, niemand sonst ist zu sehen, der Horizont scheint endlos. Sie tritt auf etwas Glitschiges und will von ihm wissen, was das sei. „Remrüwttaw“, antwortet er. Beide sind barfuß unterwegs, und weil sie gerade rückwärts gehen, können sie auch rückwärts reden, findet sie. Daher seine ziemlich seltsame Antwort.
Medientussi trifft Inselkauz in „Einmal Hallig und zurück“. Eine Geschichte der Gegensätze, die mit Anke Engelke und Charly Hübner entsprechend kontrastreich besetzt ist. Arte zeigt die Komödie von Hermine Huntgeburth am heutigen Abend.
Fanny Reitmeyer (Engelke) ist eine Gesellschaftskolumnistin. Sie ist mondän, intrigant, rücksichtslos und hat Probleme mit dem Altern. Sekt-Empfänge und Benefiz-Galas sind die Ereignisse, über die sie nicht ohne Selbstmitleid berichtet. Und dann ist da noch die Affäre mit ihrem Chefredakteur Bernd (Robert Palfrader): Er betrügt mit ihr seine Frau, sie macht für ihn erotische Fotos mit Obstmotiven. Hinter der Fassade der gespielten Freundlichkeiten wird übereinander hergezogen, dass die Schwarte kracht. Auch die Redaktion, für die Fanny arbeitet, ist ein Haifischbecken. „Die kriegt trotz Menopause noch einen Eisprung, wenn sie das hört“, sagt einer der lieben Kollegen über sie.
Fanny hat ihren journalistischen Ehrgeiz noch nicht ganz aufgegeben. Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung klaut sie Daten vom Laptop des Chefs einer Windenergie-Firma, weil sie glaubt, einem Skandal auf der Spur zu sein. Nur traut ihr niemand so eine rechercheintensive Geschichte zu, auch Bernd nicht. Ihr Diebstahl ist nicht unbemerkt geblieben, deshalb soll sie ein paar Tage untertauchen.
Bernd schickt sie aus diesem Grund von Hannover an die Nordsee, um eine Reportage über den einsam auf einer Hallig lebenden Vogelkundler Hagen Kluth (Hübner) zu schreiben. Da ist sie zunächst völlig fehl am Platz. Sie fürchtet, dass ihre urbane Kompetenz im Wattenmeer versinken könnte, und zieht über die Begleiterscheinungen des einfachen Lebens her. Es gibt kein WLAN-Gästenetzwerk, duschen darf sie nur zwei Minuten, und als sie nach einem Kühlpad für ihren verletzten Knöchel verlangt, wickelt er ihr eine angetaute Tiefkühlpizza ums Bein.
Fanny ist mit Schminkkoffer und auf Highheels angereist, versucht ein Schaf, das sich ihr nähert, mit Pfefferspray zu bekämpfen: „Oh Gott, ich bin wirklich hier“, erschrickt sie, als sie am nächsten Morgen auf dem Sofa aufwacht. Kluth benimmt sich zunächst wie ein Kotzbrocken. Er ist von der ständig redenden Journalistin überhaupt nicht begeistert und weist sie zurecht: „Hier trinkt man Tee und hält die Klappe.“ Aber dann dreht sich der Wind, die beiden entdecken, dass sie einen gemeinsamen Feind haben, und das Eis beginnt zu tauen.
Genüsslich spielt Hermine Huntgeburth die Welt der Stadt- und Küstenmenschen gegeneinander aus, zunächst geht das eher auf Kosten der Frau. Hier setzt der Film, für den Chris Geletneky und Sascha Albrecht das Drehbuch geschrieben haben, fast zu oft auf klamaukige Überspitzungen bis hin zum Slapstick. Das wundert kaum, denn beide Autoren haben auch für die TV-Serien „Ladykracher“ und „Pastewka“ geschrieben. So etwas kann Anke Engelke natürlich, und so stößt sie sich ein ums andere Mal als Running Gag an einem zu tief hängenden Topf in der Küche den Kopf.
Aber Comedy und Komödie sind dann doch nicht dasselbe, auch wenn sie sich ähnlich anhören. Deutlich stärker ist der Film bei den Zwischentönen und einigen drög norddeutschen Pointen in den Dialogen. Hier punktet eher Charly Hübner, der den Hallig-Schrat mit der lange unentdeckt gebliebenen Vergangenheit mit lässig-brummiger Eleganz spielt. Der Film ist voll auf seine beiden Hauptdarsteller zugeschnitten, da bleibt für die in den Nebenrollen nicht allzu viel übrig. Als Beifang präsentiert die Komödie auch ein bisschen Mediensatire und Ökomärchen. Kameramann Martin Langer weiß die Schönheit der Nordseeküste effektiv und schwärmerisch in Szene zu setzen.
Die Hamburger Regisseurin Huntgeburth, längst eine der erfolgreichsten ihres Fachs, zeigt wieder, dass ihr schräge Stoffe besonders gut liegen. Aber sie kann auch anders. Kinderbücher wie „Tom Sawyer“, „Huck Finn“ oder „Bibi Blocksberg“ hat sie ebenso erfolgreich inszeniert wie „Die weiße Massai“ oder den Fontane-Klassiker „Effi Briest“. Demnächst führt sie beim Frankfurter „Tatort: Die Geschichte vom bösen Friederich“ Regie. Ein ziemlich weiter Weg vom Job als Garderobenmädchen bei den Westfälischen Kammerspielen in ihrer Geburtsstadt Paderborn, mit dem sie erstmals in die Welt der Schauspieler hineinschnupperte.
„Einmal Hallig und zurück“ Fr, 20.15 Uhr, Arte