Einzug der Mehrstimmigkeit, nervöse Schnitte, überall Werbung: Mit “The Voice“ schafft sich ein weiteres Castingformat zunehmend ab.

Der Jubel war groß, als sich die ProSiebenSat.1-Gruppe 2011 mit dem Import des niederländischen Erfolgsformats "The Voice of Germany" aufmachte, auch die hiesige Casting-Landschaft umzupflügen. Talente, bei denen es tatsächlich zu allererst auf die Stimme ankommt? Genial! Eine Jury, die durch Fachkompetenz statt niederträchtiger Abwertungen besticht? Formidabel! Individuell interpretierte Songs, die nicht aus der musikalischen Mülltonne gefischt werden? Wie wohltuend!

Das Konzept wurde gefeiert, die Quoten stiegen - zu Recht. Vier Staffeln später jedoch scheint nicht mehr viel übrig geblieben von dem gesunden Pioniergeist, der "The Voice" so groß gemacht hat. Vielmehr strampelt die Show inzwischen mit letzter Kraft gegen das Hamsterrad an, das schon weniger furios gestartete Formate (X-Factor) von der Bildfläche wirbelte. Statt bewährte Strategien zu pflegen, unterwirft sich "Die Stimme Deutschlands" einem Neuerungswahn, mit dem auch RTL schon vor langer Zeit den qualvollen Tod der Casting-Urmutter "Deutschland sucht den Superstar" einleitete.

Zuerst wurde das singuläre Label "The Voice" durch die Teilnahme von Gesangsduos ad absurdum geführt (2015 sind nun sogar schon Trios zugelassen). Dann wurden die Showdowns eingeführt, später umbenannt in Knockouts. Gleichzeitig wurde der sekundenschnelle Schnitt der Beiträge zunehmend nervöser, die gesamte Machart oberflächlicher. Auch die schleichende Produktplatzierung eines (wohl eher beim älteren Publikum populären) Kaffeeanbieters trägt nicht unbedingt zur anfangs gepriesenen Authentizität der Sendung bei.

Überhaupt die Werbung: Mittlerweile stehen zwei Songs der "Blind Auditions" mehr als 20 Reklamefilme gegenüber. Und wer darf die ganzen Give-Aways anpreisen? Klar, Lena Gercke, der bei jeder "Nicht"-Bewegung das Wort "Casting" aus dem Gesicht schreit. Blitzweiß die Zähne, aalglatt auch ihr Moderatorionsvorsteher Thore Schölermann. Die artig vorgebrachten Sticheleien der Juroren, pardon: Coaches, wirken da nicht weniger künstlich. Ohnehin ist auch die "Voice"-Jury längst ein Durchlauferhitzer für Stars, die keine mehr sind (Fanta 4) oder streng genommen noch nie welche waren (Stefanie Kloß).

Das frischeste Heißblut des WM-Helden Andreas Bourani ("Ein Hoch auf uns") erwärmte in den ersten Folgen das Quotensüppchen (3,72 Millionen Zuschauer/12,2 Prozent Marktanteil am Donnerstag) zwar wieder ein wenig, überköcheln wird es aber auch am Ende der fünften Auflage wohl kaum. Seit dem Start sank der Zuspruch von durchschnittlich 4,16 auf zuletzt 3,52 Millionen Zuschauer. Fraglich ist, ob der Negativ-Trend überhaupt noch vollständig umkehrbar ist. Wenn überhaupt, dann wohl eher mit der Rückbesinnung auf alte Castingwerte statt des sich selbst auferlegten Zwangs des Sich-Ständig-Neu-Erfinden-Müssens.