Günther Jauchs Talkrunde bot einem AfD-Politiker eine Bühne für platte Parolen. Ein TV-Skandal? Nein. Eine gelungene Entlarvung!
Die Sendung läuft gerade wenige Minuten, da greift Björn Höcke in die Innentasche seiner Anzugjacke, zieht eine schwarz-rot-goldene Fahne heraus und hängt sie über die Armlehne seines Stuhls. "Unser zentrales Nationalsymbol", so Höcke, sei ein Zeichen gegen das "verrückt gewordene Allparteienkartell". Höcke ist Fraktionschef der rechtspopulistischen AfD im thüringischen Landtag. Und in diesem Moment ist klar: Der Mann gibt hier nicht den Wolf im Schafspelz - er will die Provokation.
Die Stimmung in Deutschland wird rauer. Auf Demonstrationen werden Galgen- und Fallbeil-Attrappen durch die Straßen getragen. Die "Das-Boot-ist-voll"-Rhetorik der Flüchtlingsdebatte beherrscht nicht mehr nur den Stammtisch. "Wird der Hass gesellschaftsfähig?", fragt Jauch an diesem Abend. Und Höcke ist einer, der mit Hingabe mit Worten den Hass anstachelt, gerade in der Flüchtlingspolitik. In seinen Reden warnt er schon mal vor "Angsträumen für blonde Frauen", schwärmt von "1000 Jahren Deutschland" oder schwadroniert darüber, dass Erfurt "schön deutsch" ist und bleiben möge: "Der Syrer, der zu uns kommt, hat immer noch Syrien. Wenn wir unser Deutschland verloren haben, dann haben wir keine Heimat mehr." Justizminister Heiko Maas (SPD), der direkt neben Höcke sitzt und sich dort unverkennbar unwohl fühlt, hat dafür ein Wort: "Widerlich!" Erst falle die Hemmschwelle bei Worten, dann bei Taten, so Maas.
Jauch wird gewusst haben, wen er sich da in die Sendung geholt hat. Höcke, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, gehört bei der AfD zur Abteilung Attacke. Er beherrscht das national-populistische Vokabular aus dem Effeff. Minister Maas nennt ihn einen "rhetorischen Brandstifter" - und fängt sich gleich eine Tirade von Höcke ein. "Dass Sie als Schüler von Oskar Lafontaine lieber die Internationale hören als das Deutschlandlied, ist mir klar", fährt er den SPD-Mann aus dem Saarland an.
Eine die sich mit Hass und Beschimpfungen auskennt, ist Anja Reschke. Die engagierte ARD-Journalistin hatte in einem Kommentar in den "Tagesthemen" die Hass-Emails thematisiert, die regelmäßig bei ihr eingehen. Üble Sachen. Und auch Gastgeber Jauch hat seine Erfahrungen gemacht: Nach jeder Sendung müsse seine Redaktion ein Drittel der Zuschauer-Kommentare im Internet löschen, "weil es sich um Volksverhetzung handelt". Von AfD-Mann Höcke will Jauch wissen, ob man von einem Oberstudienrat nicht erwarten dürfe, "dass er pöbelnde Massen nicht noch anstachelt". Doch Höcke winkt ab: "Wir brauchen eine grundsätzliche Wende in der Asyl- und Einwanderungspolitik. Wir haben großen Druck auf dem Kessel. Dieses Volk hat Angst." "Nein!", fährt Journalistin Reschke dazwischen. "Nicht das Volk! Sie sind so eingemauert in Ihrer Argumentation."
Dass Höcke einknicken würde bei Jauch, durfte man nicht erwarten. Doch sein Auftritt zeigt, was die Rechtspopulisten in erster Linie zu bieten haben - Sprüche: Allparteienkartell. Angsträume. Tausend Jahre Deutschland. Solche Sachen. Sachliche Redebeiträge dagegen Fehlanzeige. "Wollen Sie mich verarschen?", fährt der CDU-Politiker Klaus Bouillon dem AfD-Mann einmal in die Parade. "Wir brauchen Lösungen, keine Hetze." Bouillon ist Innenminister im Saarland und hat seinen Schreibtisch für vier Wochen in einen Container einer Flüchtlingsunterkunft verlegt. Dies sei "eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens" gewesen. Wer erlebt habe, wie diese Menschen um Lebensmittel betteln und ringen, der bekomme einen anderen Blick auf die Dinge.
Bouillon erlebte aber auch einen anderen Blick auf Deutschland. "Wir haben eine Verwaltung wie im 18. Jahrhundert", musste der Minister erkennen. Computer von Bundes- und Landesbehörden seien nicht miteinander kompatibel, was etwa eine zügige Bearbeitung von Asylverfahren verhindere. Eine effektivere Verwaltung, so Bouillon, müsse her. Und dann "schaffen wir das". Doch von solchen Erfahrungen will Björn Höcke nichts wissen. Er spult lieber die nächste Phrase ab, diesmal die von der "zeitgeist-abgeschliffenen Partei" CDU, die von Angela Merkels Kurs zielsicher "in den Abgrund" geführt werde.
Und auch für Gastgeber Jauch hat Höcke zum Ende der Sendung noch einen Spruch parat: "Sie haben sich selbst konditioniert." Was genau er damit meint, bleibt sein Geheimnis. Jauch nimmt's gelassen - und bedankt sich für "die unverstellte Diskussion".