Berlin. Bei Günther Jauch in der ARD traf sich ein illustrer Angela-Merkel-Fanclub. Der Gastgeber bekam Nachhilfe von einem schlagfertigen Gast.
Peter Altmaier in die Bredouille zu bringen, ist nicht einfach. Der CDU-Mann ist mit allen politischen Wassern gewaschen, gestählt in unzähligen Debatten und Talkrunden. Aktuell gibt er als Chef des Kanzleramts so etwas wie den Ausputzer der Bundesregierung. Jetzt sitzt Altmaier mit lila Socken in der ARD bei „Günther Jauch“ und bekommt vom Talkmaster all die Sprüche vorgeführt, mit denen CSU-Chef Horst Seehofer in den letzten Wochen die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin angriff:
„Kein Plan.“ „Ein Fehler.“ Und so weiter. Was er denn dazu sage, was der Vorsitzende der Schwesterpartei da so von sich gebe, will Jauch wissen.
Altmaier reagiert, wie man ihn kennt. Er redet weitschweifig über den Flüchtlingsandrang als solchen, über sichere Herkunftsländer und den „großen demokratischen Grundkonsens“ der C-Parteien. Seehofer weiche ja auch nur „in Nuancen“ von Merkels Linie ab. Und Altmaier bringt das Kunststück fertig, bei dieser haushohen Übertreibung nicht einmal rot zu werden. Was er dagegen locker schafft: die zaghaften Versuche Jauchs, den Redeschwall seines Gastes zu unterbrechen, seinerseits im Keim zu ersticken. Doch dann geht ein anderer dazwischen.
Grönemeyer trifft es auf den Punkt
„Das ist doch verbale Brandstiftung!“, empört sich der Deutschrocker Herbert Grönemeyer, der mit seinen orangen Socken nicht nur optisch den Widerpart zu dem CDU-Mann bildet. Seehofer gehe es in Wahrheit darum, „im rechten Lager zu fischen“, so Grönemeyer. „Der Herr soll sich mal überlegen, was er da macht.“ Das saß! Und selbst ein Peter Altmaier kann da nur noch halbherzig mahnen, Grönemeyer habe sich im Ton vergriffen. Tatsächlich aber hat der Musiker auf den Punkt getroffen - und das getan, was eigentlich Jauchs Job gewesen wäre: einem Dampfplauderer die Luft rauslassen.
Der verbale Schlagabtausch Grönemeyer-Altmaier ist der Höhepunkt einer Sendung, bei der in erster Linie die Fans der Kanzlerin das Wort haben.
„Ich bin stolz auf diese Angela Merkel“, sagt etwa mit verklärtem Blick Ranga Yogeshwar in die Kamera. Der Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator wird immer dann als Talkgast eingeladen, wenn es menscheln soll. Yogeshwar lässt noch wissen, er sei auch „stolz auf mein kleines Städtchen Hennef“, wo die Einwohner sich vorbildlich um Flüchtlinge kümmerten. Und er möchte auch gern „stolz sein auf Deutschland“. Überhaupt: „Die wahre Stärke Deutschlands liegt bei den Bürgern.“
„Die Gesellschaft hat der Politik diktiert wie es geht“
Das sieht dann auch Herbert Grönemeyer so, der Merkels Entscheidung zur Grenzöffnung am 4./5. September unterstützt. Aber, so der Sänger, eigentlich sei ja die Initiative vom Volk ausgegangen, das die Flüchtlinge mit offenen Armen empfing: „Die Gesellschaft hat der Politik diktiert wie es geht.“ Dies sei „sehr toll“ gewesen, je, geradezu „ein historischer Moment“.
Dass der Merkel-Vertraute Altmaier seine Kanzlerin lobt, ist wenig verwunderlich. Er betont, der schon legendär gewordene Satz Merkels „Wir schaffen das“ sei kein Zufall und keine spontane Bauchentscheidung
gewesen: „Angela Merkel überlegt sich in entscheidenden Momenten sehr genau was sie sagt.“ So wie 2008, als sie auf dem Höhepunkt der Bankenkrise den Bürgern versicherte, ihre Spareinlagen seien sicher, sagt Altmaier. Und vor sechs Wochen habe Merkel gehandelt, „als Europa als Ganzes gefordert war“.
„Sie müssen mich nicht korrigieren“
Bei so viel Jubel um die Kanzlerin tun sich die vermeintlichen Kritiker schwer. Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt erhebt zwar den mahnenden Finger, mit einem „Wir schaffen das“ allein sei die Aufnahme der Flüchtlinge nicht zu meistern. Und auch die Fürther Sozialamtsleiterin Michaela Vogelreuther, die tagtäglich neue Zuzügler unterbringen muss, hat mit ihren Sorgen keine Chance gegen die Merkel-Fans.
Das hätte es eigentlich sein können bei Jauch - wenn sich da nicht noch zwei etwas zu sagen hätten. Als Peter Altmaier in der Schlussrunde seinem Sitznachbarn Grönemeyer in die Parade fährt und ihm erklären will, wie Gastgeber Jauch eine Frage gemeint hat, giftet der Sänger zurück: „Sie müssen mich nicht korrigieren. Ich glaube, ich weiß was ich sage.“ Das Publikum applaudiert. Und Ranga Yogeshwar guckt, als sei er jetzt auch ein bisschen stolz auf Herbert Grönemeyer.