„Wie viel Islam gehört zu Deutschland?“ fragte Moderator Plasberg – und tat viel dafür, Vorurteile gegen Muslime zu befördern.
57 Prozent der Deutschen sehen im Islam eine Bedrohung. Das hat die Studie „Religionsmonitor 2015“ der Bertelsmann Stiftung ergeben. 61 Prozent der Bevölkerung finden, der Islam passe nicht zur westlichen Welt. Und Moderator Frank Plasberg gab sich mit seiner Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD (2,88 Millionen Zuschauer/9,8 Prozent Marktanteil) alle Mühe, diese Ängste weiter zu schüren.
Einen „unberechenbaren Faktor“ nannte er die Tatsache, dass „viele der Flüchtlinge, die zu uns drängen“ arabische Muslime sind: „Ihr Verständnis von Religion und Gesellschaft ist oft ein fundamental anderes“, erinnerte Plasberg sein Publikum, „das fängt bei der Freiheit des Wortes an, der Freiheit der Liebe, dem Wert der Gleichberechtigung.“ Und dann holte der Moderator erst richtig mit der Pathos-Keule aus: „Das sind Errungenschaften der aufgeklärten westlichen Welt, die es zu verteidigen gilt.“
Autor Abdel-Samad: „Die Angst vor dem Islam ist berechtigt“
Was er zu erwähnen vergaß: So richtig hat diese Errungenschaften noch niemand angegriffen. Und wenn es dazu käme, gehören zu den Errungenschaften Gesetze und eine Justiz, die Verstöße dagegen ahndet. Plasberg bemühte den Vorfall in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, in der ein Imam der CDU-Spitzenpolitikerin Julia Klöckner die Hand nicht geben wollte, weil sie eine Frau ist. Inakzeptabel, keine Frage – aber wohl auch kein größerer Angriff auf die Errungenschaften der westlichen Welt als der handelsübliche (ebenso inakzeptable) Alltags-Sexismus, der zugegebenermaßen meist eleganter verkleidet daher kommt.
Wer sollte die These vom bedrohlichen Islam besser belegen als ein muslimisch sozialisierter Mensch? Den Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad hatte Plasberg eingeladen. Der Sohn eines Imams, der als junger Mann nach eigener Aussage selbst noch sehr religiös war, hat ein Buch mit dem Titel „Mohammed. Eine Abrechnung“ geschrieben, das am Donnerstag erscheint und deshalb gut ein bisschen Werbung gebrauchen kann.
Und Abdel-Samad, der auch schon vor AfD-Gruppen Vorträge gehalten hat, lieferte: „Die Angst vor dem Islam ist berechtigt.“ Bezugnehmend auf ein Zitat zur Terrorgruppe „Islamischer Staat“ aus Abdel-Samads Buch fragte Plasberg: „Verstehe ich Sie richtig? Sie sehen eine direkte Linie zwischen dem Leben und dem Handeln Mohammeds und dem, was die Terroristen da im Namen Allahs anrichten?“ „Selbstverständlich“, antwortete der Politiologe, „es gibt nichts, was der IS heute tut, was Mohammed und seine Gefährten, seine erste Gemeinde und seine Nachfolger nicht getan haben.“
Das Problem sei nicht nur, was der Prophet damals gesagt und getan habe, führte der 43-Jährige aus, „das Problem ist, dass Mohammed bis heute unantastbar geblieben ist und als moralisches und politisches Vorbild für das 21. Jahrhundert“ gelte. In Islamverbänden würden junge Menschen mit einem konservativen Weltbild „gefüttert“: „Man jagt ihnen ein schlechtes Gewissen ein, dass sie nicht islamisch genug sind, dass sie Alkohol trinken, dass sie Freundinnen haben. Und der Wunsch, sich von der Sünde zu befreien, endgültig dem Propheten gerecht zu werden, treibt viele in die Hände des IS.“
Alle Untersuchen von Sicherheitsbehörden oder Aussteigerprogrammen legten das Gegenteil nah, verteidigte Zekeriya Altug aus dem NRW-Vorstand des größten Muslimverbandes DITIB die Arbeit der Vereine: „Die jungen Menschen, die in Moscheevereinen sozialisiert sind, sind gegen den IS und seine Rattenfänger-Slogans gefeit sind, dass sie dem nicht verfallen.“
Diese Erkenntnis betonte auch Sylvia Löhrmann, stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin (Grüne): „Wir wissen von unserem Innenministerium, dass die meisten Salafisten in Deutschland aufgewachsene junge Männer sind, und dass wir uns hüten sollten vor einfachen Kategorisierungen und einfachen Schuldzuweisungen.“ Löhrmann stellte noch einmal fest: „Für mich ist klar, dass das Grundgesetz gilt und über den Religionen steht.“
„Mit Juden und Schwulen wird nicht gerade zimperlich umgegangen“
Darin war sie sich mit dem parlamentarischen Staatssekretär Jens Spahn einig, der allerdings weniger Probleme mit griffigen Kategorisierungen zu haben scheint: „Das ist nicht nur eine Frage von Religion. Das ist eine Mischung aus Religion, Tradition, Kultur. Ob Afghanistan, Syrien, afrikanische Länder, Pakistan – die Zahl steigt“, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die ankommenden Flüchtlinge. „Und es ist ja zunächst mal ein klarer Befund, dass das meistens Länder sind, in denen es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht ganz so weit her ist wie bei uns, wo mit Juden und mit Schwulen nicht gerade zimperlich umgegangen wird, um es mal freundlich auszudrücken, und wo Religionsfreiheit auch nicht ganz oben auf der Tagesordnung steht.“
Journalist Dietmar Ossenberg, der mehr als 13 Jahre als Korrespondent aus dem arabischen Raum berichtet hat, wollte da mehr differenzieren: „Es gibt unter denen, die dem Propheten folgen, eine unglaubliche Vielfalt, eine große Herzlichkeit, eine große Gastfreundschaft – davon können wir uns eine Menge abschneiden.“
Journalist Ossenberg: Begriffe Islam und Terror trennen
Außerdem war Ossenberg wichtig, die Begriffe Islam und Terror zu trennen: „Was wir zurzeit an Konflikten haben in der arabisch-islamischen Welt hat doch mit Religion relativ wenig zu tun.“ Der „Islamische Staat“ und die Taliban seien Terror-Organisationen, die zwar für sich in Anspruch nähmen, im Namen des Islam zu morden, „aber das sind Terror-Organisationen, die zunächst einmal von sehr weltlichen Mächten gesponsert werden.“
Wie viel Islam zu Deutschland gehört? Die seltsam gestellte Frage beantworteten Plasberg und seine Gäste in bester Polit-Talk-Manier selbstverständlich nicht. Abdel-Samad, der dem Islam vorwirft, er predige Gewalt, griff immer wieder die Moscheevereine an. DITIB-Vertreter Altug versuchte einerseits, sich nicht provozieren zu lassen und andererseits, dessen Aussagen zu widerlegen und den Islam als in Deutschland längst verankert darzustellen. Aber: „Wir erwarten von den Muslimen immer Rücksicht auf unsere Werte, gleichzeitig muss man auch Rücksicht auf die Werte der Muslime haben.“ „Welche Werte meinen Sie?“, insistierte Abdel-Samad. „Zum Beispiel, dass man die Sachen, die man für heilig hält, wie den Koran oder den Propheten, respektiert und nicht provoziert mit diesen Symbolen.“ Ob er nicht das Recht habe, ein kritisches Buch über Mohammed zu schreiben, wollte der Politikwissenschaftler wissen. „Ein kritisches Buch ja, ein Pamphlet, wie Sie das gemacht haben – eher nicht.“
Da wurde CDU-Mann Spahn laut: „Fundamentaler Widerspruch! Sie müssen in einer liberalen, freiheitlichen Gesellschaft, in der unser Grundgesetz gilt, auch ein Pamphlet... Sie müssen’s nicht mögen, aber Sie müssen es tolerieren, und es darf geschrieben werden. Da darf keine Sekunde ein Zweifel bestehen.“