Das ZDF zeigt an drei Tagen die sechsstündige Thrillerserie „Blochin“ mit Jürgen Vogel, inszeniert von Matthias Glasner.
Das ZDF traut sich was. Am kommenden Wochenende zeigt es die Thriller-Serie „Blochin – Die Lebenden und die Toten“, erzählt in unüblicher Struktur. Im Zentrum stehen Polizisten der Berliner Mordkommission. Blochin (Jürgen Vogel) ist ein Mann, der nicht genau weiß, wo er herkommt und dubiose Erfahrungen in der Drogenszene gemacht hat. Sein Schwager und Vorgesetzter Dominik Stötzner (Thomas Heinze) ist ein völlig anderer Typ. Zusammengehalten werden sie durch Inka (Maja Schöne), Dominiks Schwester und Blochins Partnerin. In sechs Stunden entfaltet Regisseur Matthias Glasner seinen üppigen Erzählkosmos mit zahlreichen Charakteren. Das ZDF nennt es „ein Kaleidoskop der Stadt Berlin und ihrer Menschen“.
Es ist eine der ersten horizontal erzählte Serie im deutschen Fernsehen. Dieses Prinzip, nach dem die Handlungsstränge nicht mit dem Schluss einer Folge enden, sondern über sie hinausragen, war in jüngster Zeit schon die erfolgreiche Basis vieler TV-Serien in den USA, Großbritannien und Dänemark. Auch „Weissensee“ funktioniert nach diesem Erzählprinzip. Sie hat das Fernsehen für Filmemacher und Schauspieler gleichermaßen wieder interessant gemacht.
Kusiose Entstehungsgeschichte
„Man sollte die Serie als Chance für einen Anfang sehen“, sagt Jürgen Vogel über das neue Format. Die Entstehungsgeschichte war kurios. Ursprünglich sollte aus dem Stoff ein 90-Minuten-Film werden. Reinhold Elschot, beim ZDF für Fernsehfilme und Serien zuständig, reagierte ungewöhnlich auf den Film. „Was ist denn das, wie geht es denn weiter? Das ist doch kein abgeschlossenes Fernsehspiel, sondern wirkt eher wie ein Pilotfilm“, erzählt Vogel. Also konnten Glasner und Vogel, die seit 20 Jahren eine gemeinsame Produktionsfirma betreiben, noch mehrere Schippen nachlegen.
Der Titel wirkt ungewöhnlich, erinnert er doch an den ukrainischen Fußballer Oleg Blochin, der seine sportlichen Höhepunkte in den 70er- und 80er-Jahren erlebte. Dabei hat Vogel mit Fußball nicht viel am Hut. „Das war nicht so mein Ding. Ich war in den Schulmannschaften immer der ,Rupper‘. Aber mein Vater hat in der Seniorenmannschaft von St. Pauli gespielt. Wir sind mitgekommen und haben im Stadion die Pfandflaschen gesammelt.“
„Ich mag Titel, die man nicht gleich versteht“
Ursprünglich sollte die Serie „Der Schnee fällt auf die Lebenden und die Toten“ heißen, erzählt Glasner. Das ist der letzte Satz aus der letzten Erzählung von James Joyce’ „Dubliner“. Als ein Sommerfilm daraus wurde, verkürzte er sich auf „Die Lebenden und die Toten“. „Dann erschien im Herbst der gleichnamige Roman von Nele Neuhaus, und wir mussten einen neuen Titel suchen“, sagt Glasner. „Ich mochte das Wort gern, den Fußballer auch. Der HSV wollte ihn angeblich mal nach Deutschland holen.“ Der Hamburger ist HSV-Fan seit Teenagerzeiten. „Blochin war eine Kultfigur. Sein Name steht für ein Geheimnis. Ich mag Titel, die man nicht gleich versteht.“
Außerdem konnte er in einem anderen Erzählrhythmus als sonst arbeiten. „Er ist noch nicht so ausgelatscht. Bei 90-Minütern kann man doch schon 20 Minuten vor dem Ende oft raten, wie sie ausgehen. Irgendwie hat man alle diese Schlüsse schon einmal gesehen.“ Ein Vorbild war für die US-Serie „The Wire“, die in Baltimore spielt. „Sie fängt als Krimiserie an, geht dann zu den Dockarbeitern, in die Politik, thematisiert das amerikanische Schulsystem, die Medien. Da wird eine ganze Stadt kartografiert.“
Zusammen mit der neuen Form will der Regisseur auch neue Inhalte ausprobieren. „Ich gehe nicht journalistisch an Berlin heran, will keine Tagespolitik abbilden. Wir blicken auf die Staatssekretäre, den Verwaltungsapparat. Das ist das politische Handwerk. Ich frage mich, was es heißt, Politiker zu sein? Auf ihnen wird viel zu viel herumgehackt, dabei ist Politik für uns alle überlebensnotwendig.“
Glasner glaubt, dass sich das Fernsehen in einer Umbruchsituation befindet. „Die Menschen gehen immer mehr dazu über, Inhalte in ihrem eigenen Rhythmus zu sehen. Das können sie durch die Mediatheken, Netflix, mithilfe von DVD-Boxen, den Wiederholungen auf den Spartenkanälen. Das Programmheft hat bald ausgedient.“ Das ZDF hält offenbar große Stücke auf „Blochin“, denn man hat schon die zweite Staffel in Auftrag gegeben.
Glasner hat bislang Kinofilme gedreht, sein größter Erfolg war das Vergewaltiger-Drama „Der freie Wille“. Hauptrolle: Jürgen Vogel. Im Alter von 18 bis 22 Jahren hat der Regisseur als Filmvorführer im Abaton gearbeitet. „Das war sozusagen meine Filmhochschule“, erinnert er sich. Jim Jarmuschs Film „Down By Law“ habe er dort mehr als 50-mal gesehen. Abaton-Gründer Werner Grassmann habe ihn unterstützt und auch seine ersten Filme finanziert. Jetzt schlagen also zwei Herzen in seiner Brust, die des Kino- und die des TV-Serien-Machers. „Als Regisseur ist der Kinofilm spannender, als Autor die Serie“, sagt Glasner.
„Blochin – die Lebenden und die Toten“ Fr, Sa, So, jeweils 20.15 Uhr, ZDF