Hamburg. Das Fachmagazin für Essen und Trinken, Der Feinschmecker, wird 40 Jahre alt und feiert seine ungewöhnlich Geschichte.

Am Anfang waren die Bedenkenträger. Geschäftsleute, ehrenwerte Kaufleute allesamt, denen die Zahl heiliger war als die Idee. Man schrieb den Beginn des Jahres 1975, war mitten in einem Jahrzehnt also, in dem zumindest politische Ideen und ein gewisser Wagemut hoch im Kurs standen.

Was den Mahnern damals den Schweiß auf die Stirn trieb, hatte jedoch weniger mit Politik, umso mehr aber mit Lebensfreude zu tun. Ein Magazin für Feinschmecker wollte der Hamburger Jahreszeitenverlag auf den Markt bringen, ein Novum im deutschen Sprachraum. Die Warnung der Kaufleute an den Verleger war unmissverständlich: Höchstens ein Jahr lang könne eine derart abwegige Sache gut gehen, dann sei das Projekt definitiv gegen die Wand gefahren und die Zahl habe über das Ideal triumphiert.

Um Tafelfreuden international ging es im ersten Heft

Im Herbst 1975 kam dann die erste Ausgabe „Feinschmecker“ heraus mit dem programmatisch-kuriosen Untertitel „Tafelfreuden international“, das ist jetzt 40 Jahre her. „Und natürlich ist allein das schon ein Grund zum Feiern“, sagt Madeleine Jakits, die seit 18 Jahren als Chefredakteurin die Geschicke des Magazins leitet. Gleich rechts neben der Tür ihres Büros im Verlagsgebäude am Poßmoorweg steht ein Glastisch, auf und unter dem sich Weinflaschen verschiedenster Herkunft stapeln. „Arbeitsmaterial“, sagt sie und lacht. Oben auf einem mit Büchern und Magazinen prall gefüllten Regal reihen sich kleine graue Kochtöpfe, aus denen ein lustiges Kerlchen mit einem Kochlöffel in der Hand ­herauslugt. Wolfram Siebeck, der deutsche Gastro-Kritikerpapst. „Es quietscht, wenn man drauf drückt“, sagt Madeleine Jakits. War mal als Werbegeschenk gedacht, natürlich mit Siebecks Zustimmung, in Sachen Humor weiß man ja nie.

DIe italiennische Küche liefert oft Inspiration

Die Leser des „Feinschmeckers“ haben eines gemein mit den Bedenkenträgern von einst: Experimentierfreudig sind sie nicht. „Pasta und Seafood! Italiens Süden“ prangt auf dem Titel der September-Ausgabe des Magazins. Klingt nicht über die Maßen originell, diverse „Feinschmecker“-Titel haben diese Region bereits in den Fokus gerückt. „Die Leute können nicht genug davon bekommen, speziell von Italien“, sagt Jakits. „Das ist ein großes Leidenschaftsthema, genau wie Mallorca.“ Man habe es mit den üblichen Verdächtigen zu tun: Florenz, Toskana, Piemont, vielleicht noch Istrien. „Wenn die Leute denn wissen, wo das liegt.“

Die Menschen sind halt konservativ. Was sie kennen und lieben, das kennen und lieben sie, und das bleibt auch so. „Wenn wir etwa eine Geschichte über Chicago groß auf den Titel nehmen – das Heft liegt dann wie Blei am Kiosk.“ Will heißen: Es verkauft sich gar nicht. Jakits sagt das und wirkt dabei gar nicht unfroh. Schließlich will sie die Menschen mit genau jenen Themen ansprechen, die sie auch wirklich interessieren. Und wenn es Italien ist, dann ist es eben Italien. „Die Leute möchten von uns Reiseziele oder Empfehlungen haben, die möglichst mit dem Auto zu erreichen sind oder in zwei Stunden mit dem Flugzeug.“ Da ist der Radius klar abgesteckt.

Die erste Ausgabe des Feinschmeckers
Die erste Ausgabe des Feinschmeckers © HA | MRauhe@wmg.loc

Auch wenn „Essen & Trinken“ aus dem Hause Gruner + Jahr bereits drei Jahre vor dem „Feinschmecker“ das Licht der medialen Öffentlichkeit erblickt hat, so verfügt das Magazin aus dem Poßmoorweg aus Sicht der Chefredakteurin nach wie vor über ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. „Wir sind eine kulinarische Reisezeitschrift, wir sind keine Kochzeitschrift.“ Obwohl es vom redaktionellen Konzept her gesehen keinen direkten Konkurrenten geben mag, gilt natürlich: Auch „Der Feinschmecker“ hat mit deutlichen Rückgängen bei der verkauften Auflage und bei den Anzeigen zu kämpfen. Gerade wenn Madeleine Jakits auf die 18 Jahre ihrer Leitungsfunktion zurückblickt. „Wirtschaftlich gesehen war in diesem Zeitraum der Anzeigenrückgang die entscheidende Veränderung. Wir haben zurzeit natürlich dieselben Probleme wie andere Printerzeugnisse auch.“ Und ein spezielles Problem musste sie zudem bewältigen. 2010 war es, als der Jahreszeitenverlag entschied, alle Redakteure freizustellen und nur noch Ressortleiter und ihre Stellvertreter in der Redaktion zu behalten. „Das war ein Schock, ein Trauma“, sagt Jakits. Jetzt arbeitet das Magazin mit einem festen Stamm von freien Mitarbeitern. „Es hat lange gedauert, Mitarbeiter zu finden, denen man vertraut, und die auch verstehen, was wir hier wollen.“

Essen gehört heute zur Lebensart

Verändert hat sich aber vor allem eines in ihrer Amtszeit, und das ist ein gesellschaftliches Phänomen. „Das Thema Essen ist ein Teil der Lebensart geworden, es ist eine Art neue Welt, entstanden durch die vielen Kochsendungen im Fernsehen, die Kochzeitschriften, die kulinarischen Straßenfeste, die Kochschulen – diesen Boom hätte ich mir nicht träumen lassen, als ich damals beim ‚Feinschmecker’ anfing.“

Der Begriff Genuss war und ist das Credo des „Feinschmeckers“, Essen als innere Haltung. „Genuss heißt immer mehr: Ich möchte etwas essen, das fantastisch schmeckt und mir auch noch gut tut. Das Misstrauen gegenüber der Lebensmittelindustrie ist ja in den letzten 30 Jahren immens geworden und das völlig zu Recht.“ Darauf reagiert „Der Feinschmecker“ mit Reportagen über Produzenten, die qualitativ hochwertige Waren erzeugen – die nicht immer teuer sein müssen, denn „Bioware gibt es ja mittlerweile auch im Supermarkt“. Ob aber auch immer Bio drin ist, wo Bio drauf steht? Schulterzucken. „Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.“ Und veganes Essen? „Das ist eine Religion, keine Frage der Ernährung.“ Da ist die Feinschmeckerin kompromisslos. Gleichwohl gibt es im nächsten Heft ein Pro und Kontra zum Thema.

Chefredakteurin Madeleine Jakits
Chefredakteurin Madeleine Jakits © HA | MRauhe@wmg.loc

Für die Zukunft hofft Jakits, den „Feinschmecker“ ein wenig mehr in die Gesellschaft „hineintragen“, ihn in der Mitte des sozialen Miteinanders platzieren zu können, damit „deutlich wird, dass wir kein Blatt für Snobs sind, sondern dass wir uns mit allem beschäftigen, was qualitativ gut ist, vom Bier bis zum Brot, vom Salz bis zum Rinderfilet“. Um dann gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: „Ein Feinschmecker ist ja nicht notgedrungen ein arroganter Schnösel, der sich in Gänseleber wälzt.“ Dies würden mittlerweile wohl auch die Bedenkenträger von damals unterschreiben.