Hamburg. Musikdokus und Antikriegsfilme: Arte ruft den „Summer of Peace“ aus. Schwerpunkt liegt auf den 60ern und 70ern.

„Ich weiß nicht, ob Musik die Welt verändert, aber Musik kann die Menschen verändern, und Menschen sind die Welt“, hat der amerikanische Filmemacher und DJ Don Letts einmal gesagt. Ein gutes Motto für den Arte-Themenschwerpunkt „Summer of Peace“, der an diesem Sonnabend startet und sich bis Ende August zieht.

Die Kraft der Musik, ihre Fähigkeit, dem Protest gegen gesellschaftliche Missstände eine Melodie zu geben, ist ein immer aktuelles Thema – auch wenn die große Zeit der Protestsongs wohl vorbei ist. Doch „We Shall Over­come“, „Give Peace A Chance“ oder „Keine Macht für Niemand“ sind natürlich generationenübergreifend ins Bewusstsein gedrungen und zu einem festen Bestandteil der Popkultur geworden. Nicht nur ihre Geschichte, auch die von Nummern wie „Blowin’ In The Wind“ oder „Do They Know It’s Christmas?“, erzählt die Dokumentation ­„Give Peace A Chance – Kann Pop die Welt retten?“, die an diesem Sonntag (22.10 Uhr) zu sehen ist. Zuvor gibt es gleich zwei Begegnungen mit einem der legendärsten Protestsänger, dessen Konterfei mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tod unzählige T-Shirts ziert: Bob Marley. Zu sehen ist an diesem Sonnabend zunächst Kevin MacDonalds großartige Filmbiografie „Marley“ (21.45 Uhr), die die Geschichte des charismatischen Reggae-Sängers von dessen Kindheit in bescheidenen Verhältnissen über den Aufstieg zum internationalen Superstar bis zum Krebstod 1981 erzählt. Im Anschluss läuft der Mitschnitt eines Konzerts in der Dortmunder Westfalenhalle (0.05 Uhr), das längst Kultstatus besitzt und trotz nicht idealer Bildqualität immer wieder das Einschalten lohnt. Von „I Shot The Sheriff“ bis „No Woman No Cry“ ist alles dabei.

Viele tolle Musikdokumentationen und Konzertaufnahmen schließen sich in den folgenden Wochen an, etwa „How Sweet The Sound“ (25.7., 21.40) über Joan Baez, die am 29. Juli mal wieder in Hamburg auftritt und in den 60er- und 70er-Jahren als Folksängerin zu den Leitfiguren der Antikriegsbewegung gehörte. Eine bemerkenswerte Frau, porträtiert mit ebenso bemerkenswertem Archivmaterial. Unbedingt ansehen. Gilt natürlich auch für die mit einem Emmy ausgezeichnete Doku über Jimi Hendrix, dessen beim Woodstock-Festival verzerrt gespielte Version des „Star-Spangled Banner“ Geschichte geschrieben hat. Ein wortloser Protest gegen die Vietnam-Bombardements der Amerikaner – aber nur ein kleines Puzzleteil im kreativen Kosmos dieses Genies, das bis heute Vorbild für Rockgitarristen ist und einen unverkennbaren Sound schuf wie nur wenige andere neben ihm. „Hear My Train Comin‘“ (1.8., 21.40 Uhr) erzählt seine Geschichte.

Die Doors, Eric Burdon, Bob Dylan, Paul Simon, Billy Joel, Lee Scratch Perry, George Harrison, John Lennon. An Musik herrscht beim „Summer Of ­Peace“ kein Mangel, zumal auch noch „Woodstock“ (16.8., 22.45 Uhr) und Milos Formans Musicaladaption „Hair“ (23.8., 23.10 Uhr) gezeigt werden. Doch es gibt einen weiteren Schwerpunkt: Antikriegsfilme unterschiedlichster Art. Dabei reicht das Spektrum von William Wylers „Lockende Versuchung“ (2.8., 20.15 Uhr) über eine Quäkerfamilie, die während des Bürgerkriegs ihrer pazifistischen Gesinnung treu bleiben will, bis zu Michael Ciminos sehr hartem Vietnamkriegsdrama „Die durch die Hölle gehen“ (23.8., 20.15 Uhr), das von amerikanischen Soldaten erzählt, die vom Vietcong gefangen genommen und gezwungen werden, russisches Roulette zu spielen. Ein unvergessliches Mahnmal gegen menschliche Verrohung und die Schrecken des Krieges.

Natürlich fällt auf, dass bei Arte der Schwerpunkt auf den 60ern und 70ern liegt, Heutiges kaum vorkommt. Nicht verwunderlich für „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis, die den Schwerpunkt moderiert und erklärt, unsere Welt sei inzwischen eben viel komplexer als vor 40 oder 50 Jahren. Durch soziale Medien verteile sich zudem die Macht, die früher von einzelnen Musikern ausging, auf die Massen. Und Regisseur Birgit Herdlitschke („Kann Pop die Welt retten?“) fügt hinzu: „Womöglich war es in den 1960ern und 70ern auch einfacher, gute Protest- und Friedenslieder zu schreiben, weil es noch nicht so viele Songs und Musiker gab und der Zynismus nicht so ausgeprägt war.“

Das hör- und sehbare Ergebnis dieser Hochphase kann nun auf Arte genossen werden.

„Summer of Peace“ 18.7. bis 23.8., Arte;
arte.tv/summerofpeace