Gut fürs Klima, schlecht für Tiere: Im Bremer „Tatort“ geht es diesmal um Windparks, tote Umweltaktivisten und skrupellose Hedgefonds.

Wenn die Mächtigen der Welt in ­Elmau beschließen, jetzt endlich doch die Welt zu retten, dann kommt ein Umwelt-Thriller aus der „Tatort“-Reihe gerade recht. Besonders, wenn er die inneren Widersprüche und Interessenskonflikte offenlegt, die mit fast ­jedem Wellnessprogramm für angeschlagene und ausgebeutete Planeten verbunden sind. Und wenn er von ­Radio Bremen stammt, der ARD-Anstalt, die noch selten mit ihren Krimis gelangweilt hat.

Das ist auch bei „Wer Wind erntet, sät Sturm“ so. Da gibt es nämlich nicht nur weitere, nun ja, tiefsinnige Slogans („Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle“) zu hören, sondern auch einiges zu sehen, was in die Kategorie des unversöhnlichen Weltanschauungsgrusels gehört. Etwa tote Männer, die in Teiche stürzen oder auf Konferenztische. Im „Tatort“ ist der Kampf für den Umweltschutz ein Krieg, in dem es um unternehmerische Interessen, das Klima und die Tiere geht. Vögel, die von den riesigen Windparks, den „Vogelhäckselmaschinen“, wie der Tierschützer Henrik Paulsen (Helmut Zierl) sie zu nennen pflegt, in der Nordsee dahingemetzelt werden oder desorientiert an den Stränden verenden. Da wären die Schweinswale, die vom Lärm der Windräder irritiert werden und vom Kurs abkommen.

Paulsen ist ein brachialer Aktivist, der sich eine ebenso todesmutige wie schlagkräftige Truppe aufgebaut hat. Sie agiert immer am Rande der Legalität und manchmal auch schon in den Gestaden des Verbotenen, und dann ist auf einmal einer tot und der andere verschwunden: Ein Argentinier, todkrank vom Einsatz an der Gensojafront in Südamerika nach Bremen zurückgekehrt, wird in der Einsatzzentrale der Flora-und-Fauna-Rächer mit drei ­Kugeln in der Brust aufgefunden.

Und Paulsen ist verschwunden, verschollen in den ewiggrauen Weiten der Nordsee. Aus dem Off tönt seine um kein Pathos verlegene Stimme weiter, unterlegt von grausamen Bildern, in seinem Blog stets frisch aktualisiert. Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) müssen das forensische und weltverbesserische Tableau erst einmal ordnen. Ist ja durchaus verwunderlich für das Durchschnittshirn: Hat Paulsen mit seinen drastischen Statements („Hier draußen gibt’s keinen grünen Strom, hier ist er blutrot“) etwa recht? „Wie kann man als Umweltschützer gegen Windräder sein?“, fragt Stedefreund stellvertretend für uns Zuschauer. Und so werden in diesem Krimistück (Regie: Florian Baxmeyer) also ein paar Dinge geklärt, in einigermaßen überdrehten Dialogen, die alles, aber nicht unbedingt erwartbar sind. Der Wahnsinn jedenfalls hat Methode, weil die Lehrstunde über die Verstrickung von Umweltverbänden, Hedgefonds, Unternehmern und Aktivisten ja auch einen unterhaltsamen Touch bekommen muss.

Das gelingt hier mehr oder minder. Die Positionen sind entweder klar markiert: Da sind die mit Zertifikaten hantierenden Umweltverbände, hier repräsentiert von der Ex des vermissten Paulsen (Annika Blendl), die moderierenden Weichspüler. Und die global agierenden Firmen, hier repräsentiert von Milan Berger (ultrafreakig: Thalia-Mann Rafael Stachowiak), die seelenlosen Zyniker. Oder sie sind wie der ehemalige Paulsen-Schützling Lars Overbeck (überraschend okay: Thomas Heinze), der den von seinem ehemaligen Mentor jetzt so vehement unter Feuer genommenen Windpark betreibt, unklar in ihren Antrieben.

Overbeck, der als arroganter Visionär mit Verfolgungswahn und leichtmatrosiger Unternehmer mit Ökovergangenheit ins Visier der Ermittler rückt, ist lange der Haupthandlungsträger der zügig dahinwehenden Story, ehe überraschende Twists die Dramaturgie aus den Angeln heben.

Man soll sich bei diesem „Tatort“ fragen, wie weit Umweltschützer denn wohl gehen dürfen – und stöhnt dann auch manchmal bei Sätzen, die sich wie im Lehrbuch des Antikapitalisten ­lesen. Sehr berechnend ist es, eine schöne Umweltschützerin zu installieren, die privat mit allen männlichen ­Figuren irgendwie verbandelt ist. Und herrlich frech ist es, Stedefreund ausgerechnet dann demonstrativ gähnen zu lassen, als bei der Zeugenbefragung die Energiewende der Kanzlerin ins Spiel kommt. Es gibt insgesamt vielleicht einen Toten zu viel, vielleicht auch zwei, aber hey: Wer würde bestreiten, dass es beim Umweltschutz um Leben und Tod geht.

„Tatort: Wer Wind erntet, sät Sturm“, So 20.15 Uhr, ARD