Beim live im Ersten übertragenen Musikpreis Echo werden die Künstler prämiert, die den größten Erfolg beim Publikum hatten.
Um es mit Deichkind zu sagen: „Denken Sie groß“. Für Zuschauer, Zuhörer und überhaupt alle, die irgendwie mit der Verleihung verbandelt sind, hat der Echo den Vorteil, dass man sich kaum neue Namen merken muss. Denn am Donnerstag werden – live im Ersten – nicht etwa irgendwelche obskuren Bands ausgezeichnet, von denen eine Fachjury meint, dass sie dringend einen Preis brauchen. Sondern die großen Namen, die man ohnehin schon kennt. Um auch nur nominiert zu werden, muss man sich am Markt bereits durchgesetzt haben, es zählen kalte, harte Verkaufszahlen.
Wer unter den fünf kommerziell erfolgreichsten Künstlern ist, landet auf der Liste der möglichen Preisträger, eine Jury aus Mitgliedern des Bundesverbands Musikindustrie und ehemaligen Preisträgern vergibt in den Hauptkategorien zusätzliche Punkte, die mit dem Charterfolg verrechnet werden: Fertig ist der Künstler, das Album oder die Band des Jahres.
Über die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens lässt sich ausführlich streiten. Zwar gehört Deutschland zu den weltweit wichtigsten Musikmärkten (nach den mit weitem Vorsprung führenden USA, darauf folgen Japan und Großbritannien). Doch wird die Gleichsetzung von Verkaufszahlen und künstlerischer Qualität von vielen als Misston wahrgenommen: Helene Fischer, die in diesem Jahr in gleich vier Kategorien auf eine Auszeichnung hoffen kann, ist das beste Beispiel. In punkto Omnipräsenz und kommerziellem Erfolg ist die Schlagersängerin unbestritten ganz weit vorn auf dem deutschen Musikmarkt. Und „Atemlos durch die Nacht“ frisst sich unbarmherzig als Ohrwurm in den Gehörgang eines jeden, der diesen Song schon einmal gehört hat. Ob sie sich mit den Künstlern in der einzig gänzlich nach Jury-Gutdünken besetzen Kategorie „Kritikerpreis National“ messen kann, steht auf einem gänzlich anderen Blatt.
Auch dort sind keine ganz großen Überraschungen zu finden, mindestens drei der fünf Nominierten sind aus dem nationalen Musikbusiness kaum wegzudenken. Doch bestechen die beiden Hamburger Bands Deichkind und Trümmer, sowie Kraftklub, Marteria und The Notwist durch eine Identität, die nicht auf maximale Massenkompatibilität ausgerichtet ist. Sondern durch angewandten Blödsinn mit ernsthaften Hintergedanken (Deichkind, Kraftklub), eine zutiefst lyrische Ader (Trümmer), schieres Beharrungsvermögen (die 1989 gegründeten The Notwist) oder als Vorzeigebeispiel dafür, dass deutscher Rap auch abseits von Gangster-Attitüde oder reiner ironischer Brechung funktionieren kann (Marteria).
Neben der frohen Hamburger Hoffnung auf den Kritikerpreis für Trümmer oder Deichkind – weitere sind darüber hinaus in der Kategorie „Dance national“ nominiert und treten als Showact auf – ist die Wahrscheinlichkeit zudem hoch, dass die Auszeichnung als „Künstlerin national“ nach Hamburg kommt: Neben Ina Müller sind auch Annett Louisan und Y’Akoto in der engeren Wahl. Die Auszeichnung streitig machen könnte ihnen entweder Alexa Feser oder die Ethno-Popmusikerin Oonagh. Außer Konkurrenz – schließlich hat sie im vergangenen Jahr kein Album veröffentlicht – tritt die Hamburgerin Ann Sophie auf, die Deutschland im Mai beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Je nach Erfolg in Wien könnte sie aber 2016 dabei sein, wer weiß. Den Wettbewerb um den „Künstler national“ machen derweil Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Andreas Bourani, Rea Garvey und Adel Tawil unter sich aus. Im internationalen Bereich haben unter anderem Taylor Swift, Shakira, James Blunt und Pharrell Williams Chancen.
Dass die sich als unpolitisch verstehende Gala doch wieder einen politischen Beigeschmack bekommt, dafür sorgt die Kategorie „Musik-DVD national“: Dort stehen die Böhsen Onkelz und Frei.Wild auf der Nominiertenliste. Bands, die durch die Nähe zu Nationaltümelei und zumindest rechtskonservativen Inhalten auffallen. Wie als Gegenpol sind die Altpunks von den Toten Hosen in der gleichen Kategorie ebenfalls nominiert, genau wie – und da wären wir wieder so weit im unpolitischen Bereich, wie es nur geht – Andrea Berg und Helene Fischer.
Und natürlich gibt es auch einige Preisträger, die auch vor Galabeginn bekannt sind: Udo Lindenberg wird für sein soziales Engagement und die Schlagersängerin Nana Mouskouri für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
„Echo 2015“, Do 20.15 Uhr, ARD