Die spannende britische Gangster-Serie „Peaky Blinders“ mit Cilian Murphy und Sam Neil läuft ab dem heutigen Donnerstag bei Arte.

Birmingham im Jahr 1919: Die Industriestadt erscheint als grauer, freudloser Moloch. Zumindest für den Großteil der Bevölkerung. Wer allerdings ein Mitglied der „Peaky Blinders“-Gang ist, hat es leichter. Wenn Thomas Shelby durch das Elendsviertel Small Heath reitet, ziehen alle respektvoll den Hut – sogar die Polizisten.

Cilian Murphy spielt den kleinen König in Dreck und Qualm, der sich die Respektsbekundungen seiner „Untertanen“ abholt, der in Bars nicht bezahlt und vor dem alle kuschen. Vor ihm und seiner Familie. So weit die Ausgangs­lage. Und das Gangster-Idyll aus Wettbetrug, Diebstählen und Schutzgelderpressung hätte genauso weitergehen können, wenn da nicht ein geringfügig falsch gelaufener Raub wäre, der die Gang ins Visier von Politik und Polizei bringen würde: Statt einiger Motorräder haben die Herren versehentlich eine ansehnliche Menge Waffen und Munition aus der BSA-Fabrik mitgehen lassen. Waffen, die die IRA genauso gut gebrauchen könnte wie die Kommunisten. Waffen, die Kriegsminister Winston Churchill (Andy Nyman) unbedingt zurückhaben möchte.

Hässlichkeit war selten so schön wie bei „Peaky Blinders“

Also wird Chief Inspector Chester Campbell (Sam Neill), der sich in ­Belfast den Ruf als hartleibiger, fanatisch effektiver Ermittler erworben hat, nach Birmingham geschickt, um den Waffenraub aufzuklären – und bei der Gelegenheit auch gleich mit der Halbwelt der Stadt aufzuräumen. Dafür lässt er eine ganze Horde protestantischer Schläger nach Birmingham bringen, die in Polizeiuniformen gestopft werden. Gangster hier, Polizisten da, nichts Neues, möchte man meinen.

Trotzdem weiß „Peaky Blinders“ zu faszinieren: Das Setting der Indus-triestadt kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs ist unverbraucht, die Darsteller – allen voran Murphy mit seinen beunruhigend blauen Augen, den stets gemessenen Bewegungen und der Nonchalance eines Dressman – sind überzeugend, und die erzählten großen und kleinen Geschichten der Charaktere halten einen als Zuschauer bei der Stange. Und wenn sich doch einmal ein Moment der Länge einschleicht, kann man an den Schauspielern vorbeigucken und -hören.

Denn Hässlichkeit war selten so schön wie bei „Peaky Blinders“: Die Ausstattung der BBC-Serie, die Steven Knight entwickelt hat, ist exzellent, von den Kostümen bis zu den Kulissen ist schlichtweg alles sehenswert. Eine derartige Detailversessenheit kennt man sonst allenfalls von HBO-Großproduktionen oder Peter Jacksons Tolkien-Verfilmungen.

Und dann ist da auch noch die Musik. Der Titelsong „Red Right Hand“ kommt von Nick Cave and the Bad Seeds, die Australier sind auch während der sechs Folgen, die Arte auf drei Fernsehabende verteilt, immer wieder zu hören. Daneben hat man Titel der White Stripes und solche von Tom Waits und von The Raconteurs eingekauft, ebenfalls nicht gerade Mainstream. Ein gewollter und gelungener Stilbruch, der einen nicht aus dem frühen 20. Jahrhundert herausreißt.

Genauso modern wie die Musik ist auch einer der thematischen Grundzüge: Zwar war das Krankheitsbild Posttraumatische Belastungsstörung 1919 noch nicht bekannt, die Auswirkungen des Grabenkriegs in Flandern und Frankreich auf die Veteranen aber sehr wohl. Immer wieder trifft der Zuschauer auf die Vergangenheit der Charaktere in den Schützengräben, immer wieder werden die Figuren vom Krieg eingeholt. Thomas Shelby versucht, der Vergangenheit mit Opium zu entfliehen, sein ehemaliger Kamerad Danny (Samuel Edward Cook) kann längst nicht mehr zwischen den Bildern in seinem Kopf und der Realität unterscheiden. In einem Wahnanfall ersticht er einen italienischen Wirt. Und Shelby tut, was er meint tun zu müssen: Um ihn vor der vermeintlich schlimmeren Rache der Italiener zu bewahren, geht er mit Danny zum Kanal. Am einen Ufer stehen die ehemaligen Soldaten, am anderen die Brüder des Toten. „Ich bin ja schon da drüben gestorben, hab meinen Verstand da im Dreck gelassen“, sagt Danny, Ein Schuss knallt, Danny fällt vornüber in einen Kahn. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan.

Nein, das Leben in Birmingham ist nicht leicht. Auch nicht, wenn man ein kleiner König ist.

„Peaky Blinders“, heute, 20.15 Uhr, Arte