Die seit 1998 ausgestrahlte Krankenhaus-Serie „In aller Freundschaft“ bekommt mit „Die jungen Ärzte“ in der ARD einen Ableger. Aber sind die deutschen Fernsehproduktionen auch sehenswert?

Wer ausschließlich Serien wie „Homeland“, „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ schaut, hat es gut. Er gilt als Bessergucker, darf sich breiter Zustimmung im Freundeskreis sicher sein und kann auf Partys mit vierteloriginellen Sätze wie „Serien sind das neue Kino“ oder „So vielschichtig und komplex kann ja kein Film sein“ punkten.

Selbst „Lindenstraßen“-Fans müssen nicht in Sack und Asche gehen, immerhin ist der TV-Dauerläufer anerkannt gesellschaftskritisch und damit sakrosankt. Aber eine Arztserie? Und dann noch eine deutsche? Da stellen sich der intellektuellen Speerspitze des Fernsehproletariats schon mal ganz grundsätzlich die Nackenhaare auf. Wer, bitteschön, soll sich das denn ansehen? Und warum? „Flimmerndes Opium fürs Volk“, höhnt es. Aber: Auch Opiate können in der richtigen Dosierung therapeutische Wirkung haben. Vom allgemeinen Wohlgefühl mal ganz abgesehen.

Und um genau dieses eher unspezifische Wohlgefühl geht es bei „In aller Freundschaft“, einer Krankenhausserie, die seit 672 Folgen in Leipzig spielt und mit „Die jungen Ärzte“ nun einen Erfurter Ableger bekommt. Dramaturgisch vorbereitet wurde dieser Ableger, der wohl ein jüngeres Publikum erreichen soll, in Leipzig. Hier hat Dr. Niklas Ahrend (Roy Peter Link) ohnehin ein Dauerproblem. Er muss damit zurechtkommen, dass Krankenschwester Arzu (Arzu Bazman), mit der er eine Affäre hatte, nun doch bei ihrem Mann geblieben ist. Seinen Sohn Max, Ergebnis des Seitensprungs, darf Niklas zwar regelmäßig sehen, doch sein Herz ist schwer; er liebt Arzu nach wie vor. Als dann auch noch ein medizinischer Notfall eintritt, bei dem der Mann mit dem Dreitagebart einen Patienten aufgeben muss, um einen anderen zu retten, ist es endgültig Zeit, noch mal ganz neu anzufangen. Und zwar in Erfurt.

Als Oberarzt führt er sich am ersten Tag gleich perfekt ein. „Du hast in den letzten 24 Stunden drei Leben gerettet“ resümiert Anästhesistin Leyla (Sanam Afrashteh), personifizierte gute Laune und Ex-Studienfreundin. „Die Quote kann ich auf Dauer nicht halten“, so die trockene Antwort des dunkeläugigen Frauenschwarms, der, das ist schon nach der ersten Folge klar, noch für manch hormonelle Schwankung verantwortlich sein wird.

Natürlich unterscheidet sich die Problemlage in Erfurt nicht wesentlich von der in Leipzig. Hier wie da gibt es epidurale Hämatome und akute Abdomen, tauchen überengagierte Väter und verzweifelte Mütter auf, jedoch: Da ist stets auch Licht am Ende des Tunnels. Assistenzärzte wachsen angesichts eines Katastropheneinsatzes über sich hinaus, Misanthropen in der Ärzteschaft lassen sich von einer kleinen Patientin ein Lächeln ins Gesicht zaubern, und in der kargen Freizeit durchstreift der medizinische Nachwuchs die Krankenhauskantine – immer auf der Suche nach Angehörigen, die des moralischen Beistands bedürfen. Hier wird geheilt und nicht gestorben, geht kein Zuschauer mit einem schlechten Gefühl ins Bett. Wenn die Welt schon düster und unergründlich ist, in Leipzig und Erfurt findet sich ein Ausweg aus jedem medizinischen oder emotionalen Dilemma. Wie tröstlich.

Außerdem gilt: Wer „In aller Freundschaft“ oder jetzt „Die jungen Ärzte“ länger sieht, verliert jede Abneigung gegen Krankenhäuser und träumt sich schon bald die eigene Klinikeinweisung geradezu herbei. Es muss ja nicht gleich in die Notaufnahme gehen, aber ein ordentlicher Check-up bei Dr. Ahrend oder der nicht weniger attraktiven Chefärztin Professor Patzelt, dagegen wäre nun wirklich nichts einzuwenden. Wenn die was finden, werden sie’s heilen, und vielleicht ist ja auch noch ein kleiner Flirt drin.

Dem waidwunden Niklas Ahrend allerdings schmachtet bereits die halbe weibliche Belegschaft des Johannes-Thal-Klinikums hinterher, doch ihn zu erobern dürfte schwierig werden. Schließlich taucht – ein wunderbares Leipzig-Erfurt-Crossover – plötzlich Arzu auf. Das Wieso und Warum ist jetzt mal egal. Nicht egal: der kurze Moment, als sich die Blicke der beiden treffen. Verdächtig schnell sucht Arzu das Weite, verstört bleibt Niklas zurück. Jede Wette, da geht noch was.

Nichts gegen „Homeland“, „Game of Thrones“ und Co., aber manchmal muss es einfach ein wenig heile Welt auf öffentlich-rechtlichem Rezept sein.

„Die jungen Ärzte“ donnerstags, 18.50, ARD

„In aller Freundschaft“ dienstags, 21.00, ARD