Die norwegische Erfolgsserie „Lilyhammer“ ist unbedingt sehenswert. Arte zeigt die erste Staffel ab diesem Donnerstag als deutsche Free-TV-Premiere.

Wenn sein Name das Einzige wäre, was Giovanni Henriksen Probleme bereitet, der Neu-Norweger wäre wohl ein glücklicher Mann. Aber irgendwie ist in „Lilyhammer“ einfach alles ganz anders als in New York. Und vor allem ganz anders als der durch das Zeugenschutzprogramm des FBI Umgesiedelte es sich vorgestellt hat.

In seiner Vorstellung ist Lillehammer ein Winterwunderland, wie er es von den Olympischen Spielen 1994 kennt. Deshalb zögert Frank Tagliano auch nicht, als ihn die Beamten fragen, wo er sein neues Leben führen möchte, nachdem er gegen seinen Boss ausgesagt hat. Dass er weder die Sprache spricht noch irgendeine Ahnung von der Kultur jenseits des Großen Teichs hat, ist dem Mafioso völlig egal. Zumindest so lange, bis er tatsächlich in der kleinen Stadt eintrifft, die sich von New York ungefähr so sehr unterscheidet wie der Lebensstil als bestens vernetzter Gangster von dem als arbeitsloser Einwanderer.

Und umgekehrt haben auch die Norweger so ihre Probleme mit der Art und Weise, wie ihr neuer Nachbar mit dem Alltag und dessen Herausforderungen umgeht: Beim Arbeitsamt versucht Henriksen als Erstes, den Beamten zu bestechen, um an eine Ausschanklizenz zu kommen, was zu indignierter Empörung auf der anderen Seite des Schreibtisches führt. Und Gespräche mit der örtlichen Polizei laufen auch ganz anders, als die norwegischen Ordnungshüter um die Polizeichefin und direkte Nachbarin von Henriksen, Laila Hovland (Anne Krigsvoll), das gewohnt sind. Nicht umsonst trägt die erste Folge der Serie „Lilyhammer“ den Titel „Kulturelle Unterschiede“.

Darsteller als Springsteen-Gitarrist bekannt

Steven Van Zandt, Musikfans bekannt als Gitarrist in Bruce Springsteens E Street Band und Serienfreunden als Tony Sopranos Berater Silvio Dante, spielt den vor Misslichkeiten geflüchteten Mafioso, den es an einen der unwahrscheinlichsten Orte verschlägt, den man sich als Ziel eines luxusverwöhnten Gangsters, der ein neues Leben anfangen möchte, nur vorstellen kann. Henriksen/Tagliano erscheint als irgendwie ehrpusseliger Krimineller, der überhaupt kein Problem damit hat, Leute zu vermöbeln, zu erpressen und seinem Willen zu unterwerfen; der aber andererseits auch immer wieder den Beschützer der Schwachen gibt – zumindest wenn es um die hübsche Sigrid Haugli (Marian Saastad Ottesen) und ihren Sohn geht.

Dank des augenscheinlichen Spaßes an der Übertreibung, an schrägen Wendungen und mindestens ebenso schrägen Charakteren ist den Norwegern eine außerordentlich unterhaltsame Serie gelungen. Giovanni, der sich lieber Johnny rufen lässt, sein dezent minderbemittelter Kompagnon Torgeir Lien (Trond Fausa Aurvåg), der strebsame Beamte Jan Johansen (Fridtjov Såheim) und die anderen Einwohner Lillehammers ergeben zusammen ein Panoptikum der Schrulligkeiten und genüsslich zelebrierten Stereotypen. Doch ergeht sich „Lilyhammer“ nicht bloß in brüllkomischen Merkwürdigkeiten, auch der Plot funktioniert – wenn man sich auf die Prämisse einlässt, dass mafiöse New Yorker Methoden im beschaulichen Norwegen funktionieren.

Erstaunlicher Erfolg in Norwegen

Drei Staffeln von „Lilyhammer“ sind abgedreht, die neueste zeigt der Pay-TV-Sender TNT Serie im kommenden Frühjahr. Die erste, die Arte ab Donnerstag als deutsche Free-TV-Premiere präsentiert, verfolgten in Norwegen beim Start fast eine Million Zuschauer. Für deutsche Verhältnisse eine keinesfalls aufsehenerregende Quote. In Anbetracht einer Gesamtbevölkerung von nur wenig mehr als fünf Millionen aber ein geradezu erstaunlich erscheinender Erfolg. Zumindest, bis man die Serie selbst gesehen hat. Dann versteht man schnell, was die Norweger an ihrem New Yorker Mafioso so mögen.

„Lilyhammer“, ab Do 21.00 Uhr, Arte