Ein Vierteljahrhundert Mord und Totschlag: Seit fast auf den Tag genau 25 Jahren spielt Ulrike Folkerts die inzwischen dienstälteste „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal. Am Sonntag ist sie in der Folge „Blackout“ zu sehen.
Das Markenzeichen von Lena Odenthal ist ihr Blick aus diesen fast schwarzen Augen: Nie schläfrig oder verhangen, sondern immer mit einer so energetischen Direktheit, dass sie Verbrecher damit mühelos verglühen könnte. Die erste Tatort-Kommissarin ist sie zwar nicht gewesen – das waren Oberkommissarin Buchmüller in Mainz (Nicole Heesters 1978) und Hanne Wiegand von der Mordkommission Baden-Baden (Karin Anselm 1981– 1988). Aber dafür ist Odenthal die Dienstälteste: Am 29. Oktober 1989 löste sie in Ludwigshafen ihren ersten Fall. Und nach einem Vierteljahrhundert gucken wir ihr heute noch zu, wie sie Mörder niederblickt. Das muss Ulrike Folkerts erst mal jemand nachmachen.
28 Jahre alt war sie bei der ersten Folge „Die Neue“. Eine junge Schauspielerin vom Staatstheater in Oldenburg, ausgebildet an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Der „Tatort“ war eine ganz große Chance, auch wenn er sie in die Pfalz verschlug. Ludwigshafen, da dachte man an Oggersheim und jenen Pfälzer, der damals von „blühenden Landschaften“ schwadronierte. An Ulrike Folkerts – schlank, sportlich, wilde Kurzhaarfrisur – wirkte alles total unpfälzisch. Nach den eher damenhaft verhaltenen Vorgängerinnen entsprach sie genau dem Typ, den Regisseur Peter Schulze-Rohr damals gesucht hatte.
Odenthal findet sich in den Industriekulissen des Rhein-Main-Gebiets ebenso zurecht wie in abgelegenen Dörfern. Sie ermittelt ohne Lippenstift, und macht sich nichts aus Mode. Männer gehören zu ihrem Alltag als „eine ausdauernde, vertraute Reibefläche“, befindet der „Tatort-Fundus“, das Lieblingsportal aller „Tatort“-Fans. Als sie vor einigen Jahren zur Hauptkommissarin befördert wurde, lud die neue Chefin nicht zum klassischen Stehumtrunk, sondern sie ließ die alte Stechuhr abmontieren: „Da ihr jetzt eh alle länger da sein werdet, brauchen wir die nicht mehr.“ Booiiing!
Über das Privatleben der Lena Odenthal wissen wir Zuschauer selbst nach 25 Jahren weniger als über das ihrer jüngeren Kollegin Charlotte Lindholm. „Lena hatte schon immer Anteile einer ‚einsamen Wölfin‘“, sagt Ulrike Folkerts dazu. Über ihr eigenes Privatleben wissen wir etwas mehr. Folkerts hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie lesbisch ist – bei Markus Lanz erzählte sie kürzlich, wie sie zum ersten Mal mit einer Frau im Bett landete. Seit elf Jahren ist sie mit ihrer Lebenspartnerin, der Künstlerin Katharina Schnitzler, liiert. „Ich werde aus der homosexuellen Community immer wieder gefragt, wann Lena Odenthal endlich lesbisch wird. Nie!“, stellte Folkerts in einem Interview klar. Vor 25 Jahren sei eine lesbische „Tatort“-Kommissarin undenkbar gewesen, heute sei es für die Figur zu spät. Und sie wolle sich nicht selbst spielen.
Odenthal bleibt also erst mal Single und geht in ihrem Job auf. Immerhin hat sie einen Kater namens Mikesch. Und seit 18 Jahren den Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe), ein wunderbar konträres Trampeltier, das Political Correctness für einen Zahnfehler hält und mit seiner Mamma eine erfrischend italienische Note in die Pfalz bringt. Seit 2000 wohnt er mit seiner Co-Ermittlerin in einer WG. Gut so, denn ohne ihn wäre Lena Odenthal manchmal ein bisschen zu grüblerisch. Erwähnt werden muss auch Frau Keller, die gute Pfälzer Seele des Kommissariats (Annalena Schmidt) – wenigstens eine spricht hier Dialekt.
Es gab Odenthal-Kult-Folgen wie etwa „Tod im All“ 1997 mit Dietmar Schönherr und Nina Hagen als Ufologen. Aber was ihre Fangemeinde an Odenthal besonders schätzt: Kein Fall lässt diese Frau kalt. Vor allem nicht, wenn Kinder und Jugendliche bedroht sind wie in der Folge „Der glückliche Tod“ (2008), in der es um ein unheilbar krankes Mädchen und das Thema Sterbehilfe ging. Oder in „Freunde bis in den Tod“ über den geplanten Amoklauf eines Schülers. 2012 wird Odenthal sogar selbst von einer Jugendgang gekidnappt. „Der Wald steht schwarz und schweiget“ ende im „Extrem-Kitsch“, befand der „Spiegel“. Aber wenn jemand für psychologisch starke Momente sorgte, dann Ulrike Folkerts.
Man kann ihr buchstäblich in jeder Odenthal-Folge ins nachdenkende Gehirn kriechen. Da ist es vielleicht kein Zufall, dass sie auch im wirklichen Leben einen nachdenklichen Ratgeber geschrieben hat („Das macht mich stark“) und zusammen mit Katharina Schnitzler das Buch „Glück gefunden“ – eine Spurensuche nach der Zufriedenheit, ganz ohne Esoterik.
Auf die „Tatort“-Jubiläumsfolge „Blackout“ habe sie sich gefreut, sagt Ulrike Folkerts: Zum ersten Mal seit Langem erzähle sie etwas Neues über Lena Odenthal. „Es gibt den Tag X, an dem die eine Leiche die eine zu viel ist und die Kommissarin in eine Krise gerät.“ Außerdem bekommt ihr Kommissariat Zuwachs: eine junge, neue Kollegin, „die für Reibung sorgt und den Laden aufmischt. Das brauchen auch wir.“
„Tatort: Blackout“, So 20.15 Uhr, ARD