Von Betrügern lernen: Bei Sandra Maischberger plauderten der Hamburger Mike Wappler und Hochstapler Gert Postel über ihre Tricks. Eine Farce.

Hamburg. So geht die Legende von Robin Hood heute: Ich nehme von den Reichen, denn die sind blöd. Die Armen würde ich nie ausnehmen. Das ist das Credo des Hamburger Ex-Betrügers Mike Wappler, genannt Milliarden-Mike. Er gab früher vor, reich zu sein, wollte den klammen FC St. Pauli kaufen, floh am Ende aber durch ein Klofenster aus dem Gefängnis. Dass sich nicht nur die Justiz, sondern auch die allgemeine Öffentlichkeit wieder mit dem Mann beschäftigen darf, ist das Verdienst von Sandra Maischberger. Die ARD-Moderatorin bat ihn, den Hochstapler Gert Postel, einen Experten, einen Kriminalbeamten und ein Abzock-Opfer in ihre Sendung. Es wurde eine Farce.

Der Höhepunkt der Talkshow: Wapplers Handy klingelte während der Sendung. Er meldete sich: „Ackermann, Deutsche Bank. Ich kann gerade nicht sprechen.“ Mehr geht nicht.

Wappler durfte in der Sendung behaupten: „Andere betrügen genauso wie wir auch. Die Banken verkaufen eine Anlage an alte Omas, ich habe reiche Leute betrogen, das ist der Unterschied.“

So boulevardesk und mit derartig vielen Gefängnisjahren auf dem Gäste-Sofa hatte man die Sendung der rehäugigen ARD-Moderatorin Maischberger noch nicht erlebt. Wo sich sonst die Polit-Senioren wie Norbert Blüm und Hans-Jochen Vogel die Mikrofone ans Revers heften, fläzten sich nun überführte und verurteilte Verbrecher in die Kissen. Statt Rentner-Talk gab’s mal eine Spur „Spiegel TV – von Rotlicht bis Blaulicht“. Und Maischberger grinste dazu.

Sicher, da kann man sich ein Lachen nicht verkneifen. Aber muss das sein, dass man früheren Verbrechern eine Plattform bietet? Nach dem Motto: So einfach hat man es uns gemacht. Nach dem angekündigten Abschied von Reinhold Beckmann mit seinem Verständnis-Bla-Bla geht Sandra Maischberger ganz aus sich heraus. Sie hat offenbar nichts zu verlieren – außer ein paar Zuschauern.

Die Sendung wollten am Dienstagabend 1,3 Millionen Zuschauer sehen. Der Marktanteil von 9,2 Prozent lag unter dem Senderschnitt. Gleichzeitig schalteten bei Markus Lanz im ZDF 1,5 Millionen Gucker ein, Marktanteil 10,2 Prozent.

Nun gut, eine Frau, die Opfer eines Hochzeitsschwindlers wurde, durfte länglich über die irren Ausreden ihres ehemaligen Partners berichten. Mehr als etwas Mitleid dürfte beim Zuschauer nicht aufgekommen sein. Maischbergers Redaktion wühlte aus den Tiefen der Hochstapelei auch Gert Postel wieder hervor. Der Postbote, der jahrelang als Arzt arbeitete. Motto: „Machen Sie sich mal frei.“ Er blendete alle: Ärzte, Professoren, Patienten. Und er hatte die juristisch einwandfreieste Ausrede: „Ich war in keiner guten psychischen Verfassung.“ Vermindert schuldfähig würde man sagen. So milde würde Maischberger an diesem Abend nicht davonkommen.

Postels Autobiografie „Doktorspiele“ lag auf dem Talkshow-Tisch, die Kamera fing es werbewirksam ein. So geht Buchreklame für Kriminelle auf Öffentlich-Rechtlich. Postel erklärte, wie er vor Ärzten einen medizinischen Vortrag über den berühmtesten Hochstapler der Literaturgeschichte hielt, wie er sie hinters Licht führte, dass auch er ein Mediziner sei. Der Gerichtsgutachter Prof. Hans-Ludwig Kröber sagte lapidar: „Warum sollte man nicht eine halbe Stunde einen Vortrag über Felix Krull halten? Da gibt’s viel Sekundärliteratur.“ Heißt: Soooo schwierig ist es nicht, auch Ärzte zu täuschen.

Postel brüstete sich: „Ich habe eine extrem entwickelte Intuition.“ Und das bisschen Fachwissen, das fliegt einem so zu. Spätestens hier hätte der Zuschauer um 23.07 Uhr seiner Intuition folgen und die Aus-Taste drücken müssen. Wenn man da nicht noch auf Wappler setzen wollte. Milliarden-Mike, seit längerem aus der Haft entlassen, löcherte mit professionellem Spürsinn das Opfer des Heiratsschwindlers: „Haben Sie ihm Geld gegeben? Waren Sie blind vor Liebe? War er schwul?“ So fragt ein Profi. Von Wappler hätte sich Maischberger eine Scheibe abschneiden können.

Opfer, sagte Wappler sinngemäß, seien gierige Leute. Ob gierig nach Geld, Ruhm oder etwas Liebe, macht da keinen Unterschied. Aber Maischberger kriegte nie die Kurve. Sie öffnete ihre Betrüger- und Betroffenheitsshow für ein ganz anderes Thema: Internetabzocke. Plötzlich ging es nach Hochstapelei, Heiratsschwindel und Opfer-Gespräch um falsche Internethändler. Da durfte ein WDR-Experte die Tricks der Netzbetrüger aufzählen und sagen, was im World Wide Web jeder tun sollte: Bewertungen studieren, Foren lesen. Was hatte das noch mit den Aufschneidereien eines Gert Postel zu tun?

Keine Richtung, kein Konzept, keine adäquaten Gäste – Sandra Maischberger kann froh sein, dass die ARD-Intendanten zuerst Reinhold Beckmann über die Klinge springen ließen und nicht sie. Die Begründung, warum man dieses Format einer einst stilbildenden Moderatorin noch braucht, dürfte dürftig ausfallen.