Der Hamburger Comedian Olli Dittrich hat ein neues Alter Ego: Mit Partnerin Cordula Stratmann deckt er pointiert das Schlechteste im deutschen Fernsehen auf.

Mit dieser Sendung verhält es sich wie mit Suchbildern, auf die man minutenlang starrt, ohne das fehlende Detail zu entdecken. Auch hier wirkt auf den ersten Blick alles vertraut. Der Toast hüpft so gut gelaunt aus dem Toaster, als er erwarte er vom Tag noch eine Überraschung. Gegen das grelle Studioorange hilft auch die Sonnenbrille wenig, und wie viele Pillen die Moderatoren eingeworfen haben, um derart überdreht gut gelaunt in die Kamera zu grinsen, möchte man lieber nicht wissen.

Das halbstündige Comedyformat „Frühstücksfernsehen“ ist eine Persiflage auf die öffentlich-rechtlichen Guten-Morgen-Magazine und dabei kaum von der Vorlage zu unterscheiden. Liefe „Frühstücksfernsehen“ tatsächlich nach dem Weckerklingeln und nicht erst kurz vor Mitternacht im Ersten – manch ein Zuschauer mit halb offenen Augenlidern über der Kaffeetasse würde den Unterschied nicht bemerken. Hinter der Sendung steckt der dreifache Grimme-Preisträger Olli Dittrich, der mit seiner Parodiebegabung schon für so manches Fernsehhighlight gesorgt hat. Dittrich schlüpft in neun verschiedene Rollen. Man ahnt die Mühe, die dahintersteckt – erst recht wenn man weiß, wie akribisch Dittrich sich in das Figurenstudium hineinversenkt —, sieht es den Auftritten aber nicht an. Es wirkt, als habe er quasi im Vorübergehen die phänotypischen Eigenschaften des Vorsitzenden des Landesschildkrötenverbandes oder des südamerikanischen Fußballgottes aufgesogen und vor der Kamera wie im Rausch abgespult.

Die Hauptrolle, wenn man so will, übernimmt dabei der Morgenmagazinmoderator Sören Lorenz, ein lustiger Fernsehonkel mit angestrengt verwuschelter Frisur, der aussieht, als sortiere er in seiner Freizeit Eierbecher nach Farbe. Seine Haltung ist eine unschlagbare Mischung aus Breitbeinigkeit und Verklemmtheit. Natürlich hat sich Dittrich beeilt zu versichern, Sören Lorenz sei keine Parodie auf einen bestimmten Moderator. Aber dass man sich einen wie ihn so perfekt im deutschen Fernsehen vorstellen kann, ist die bittere Note von „Frühstücksfernsehen“. „Die Erfundenen müssen daherkommen, als seien sie echt, um so glaubwürdiger ist der Nonsens“, sagt Dittrich.

Neben Alleswegmoderierer Lorenz quetscht sich Co-Ansagerin Claudia Akgün auf das beigefarbene Studiosofa, verkörpert von Cordula Stratmann. Wer bisher nicht wusste, wie die typische Fernsehfrontfrau der ersten Tageshälfte aussieht: Hier sitzt ihrer alle Doppelgängerin. Streifentop, gut sichtbare obere Zahnreihe, raumgreifende Gesten wie beim Ausdruckstanz. Der Haarschnitt ist kurz genug, um kess zu wirken und lang genug, um die Strähne mit einer gekonnten Bewegung aus der Stirn zu werfen. „Man starrt diese Claudia Akgün an und fragt sich, wie ein Mensch allein es nur schaffen kann, wie ganz Nordrhein-Westfalen auszusehen“, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Lorenz und Akgün beherrschen das frontale Ranwanzen an den Zuschauer genauso perfekt wie das gegenseitige Hochschaukeln zu immer besserer Laune. Es ist komisch und schmerzhaft zugleich.

Der Ton von „Frühstücksfernsehen“ ist hochkomisch und gleichzeitig schrill

Nicht von ungefähr gehören zu den lustigsten Sendungen dieser Tage ausgerechnet solche, die den eigenen Betrieb auf die Schippe nehmen. Prominentestes Beispiel ist die von Oliver Welke präsentierte „heute-show“, zuletzt machte die Sitcom „Lerchenberg“ vor, wie unterhaltsam sich das Innenleben der Mainzer Sendeanstalt aufbereiten lässt, wenn man es durch die Humorbrille betrachtet. Auch wenn der WDR an diesem Sonntag verkündete, dass „Frühstücksfernsehen“ fortgesetzt wird, ist dies kein Format, dass man sich als Langzeitserie vorstellen kann – anders als bei der „heute-show“, der die aktuelle Lage genügend Spielmaterial in die Hand gibt. Der Ton des neuen Magazins ist zwar teilweise hochkomisch, aber eben auch latent schrill und zum Nackenhaaraufstellen. Länger als 30 Minuten erträgt man das bunte Getue um ein großes Nichts kaum, die verkrampfte Lockerheit und die Moderatoren, die laut über ihre eigenen übermüdeten Scherze lachen.

Olli Dittrich ist in Fuhlsbüttel zur Schule gegangen und in Langenhorn aufgewachsen. Mit seiner Cowboyhüte-Band „Texas Lightning“ hat er es sogar zur Teilnahme beim Eurovision Song Contest geschafft, bei „Wetten dass..?“ durfte er die Außenwette anheizen. Fast zehn Jahre ist es her, dass er dem Publikum den Imbissphilosophen Dittsche schenkte, der bis heute am Sonntagabend seine Bierflaschenweisheiten verkündet, die immer einen Tick über die Stimmung der Nation verraten. Vielleicht ist es Dittrichs scheinbare Durchschnittlichkeit, die ihn zur idealen Projektionsfläche für Figuren aller Schichten und Berufe macht. Sein sachliches Gesicht kann sich in einen Trainingsjackenfuzzi verwandeln wie in die Oberbürgermeisterin mit Kassengestell und Seidenschluppenbluse.

Jener CSU-Bürgermeisterin namens Ingrid Höffelhuber (Dittrich) mit bayrischem Zungenschlag nämlich ist es mit einer absurden Aktion gelungen, ihr Dorf zu „Europas leisester Gemeinde“ zu machen. Die Lösung: ein Spielplatz unter Tage („Spielplatz 21“). Beiträge von regionaler Bedeutungshuberei wie diesem paaren sich im Morgenmagazin mit Verbrauchercheck für Volldeppen, absurden Gewinnspielen („Ist es a) b oder b) a?“) und der Spendenaktion „Ein Herz für Nieren“. Sören Lorenz und Claudia Akgün sind auch deshalb am rechten TV-Platz, weil sie es schaffen, mit demselben Gesichtsausdruck von Spendennieren und fleischfarbenen Stützunterhosen zu reden.

Moderator Reinhold Beckmann und Fußballer Lothar Matthäus treten auf

Erwähnenswert ist noch Dittrichs Performance als argentinischer Fußballstar Edson Santiago Piporente de la Paz, kurz Pipo, der unter viel Mediengetöse zum HSV wechselt. Ein komplizierter Handwurzelbruch jedoch lässt einen Einsatz in weite Ferne rücken. Schützenhilfe bekommt der Fußball-Einspieler von einem Trio bestehend aus Moderator Reinhold Beckmann, Ex-Fußballer Lothar Matthäus („Wenn Pipo spielt, ist er eine Verstärkung für jede Mannschaft“) und HSV-Trainer Thorsten Fink. Im Beitrag, in dem Dittrich einen Regisseur mit Künstler-Ego gibt, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Shakespeare mit Meerschweinchen auf die Bühne des Schauspielhauses zu bringen, untermauert Hellmuth Karasek die Theaterkritikeratmosphäre.

So könnte man munter mit der Aufzählung fortfahren, bei allen Beiträgen Dittrichs kongeniale Darbietung, die eher unter- als überspielt, zu loben. Seine Fähigkeit, Komik nicht durch lautstarke Haudrauf-Pointen, sondern durch minimales Verzerren der Realität herzustellen. Um „Frühstücksfernsehen“ angemessen zu würdigen, muss man aber auch anerkennen, wie viel Gegenwärtiges in der Sendung steckt, von Vetternwirtschaft à la Süddeutschland bis zum sich selbst umkreisenden Hamburger Kulturestablishment. Von dem einsamen Nerd, der es dank einer Kaffeepfütze mit dem Konterfei von Roy Black zur Fünf-Minuten-Berühmtheit schafft, bis zum Außenreporter, der immer sendebereit ist und ein paar Floskeln zur Hand hat, auch wenn es überhaupt gar nichts zu berichten gibt.

„Frühstücksfernsehen“ kehrt das Schlechteste im deutschen Fernsehen hervor und ist dabei unfassbar gut.

„Frühstücksfernsehen“, heute, 23.30 Uhr, ARD