Im Januar 1973 gingen Ernie, Bert und Co. zum ersten Mal in Deutschland auf Sendung. Wieso, weshalb, warum der Klassiker so erfolgreich ist.
Hamburg. Ernie, Bert und Co sind im Party-Stress: Die Sesamstraßen-Bewohner feiern ihren 40. Geburtstag in Deutschland mit mehreren TV-Sendungen. Das Kinderformat, das 1969 in den USA Fernsehpremiere hatte, trat am 8. Januar 1973 im deutschen Fernsehen seinen Siegeszug an. Sein Motto: „Der, die, das. Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.“
DER Puppenspieler Jim Henson wollte eigentlich nicht. „Er hasste die Idee, ein Kleinkinderstar zu sein, aber dann hat er an seine eigenen Kinder gedacht und zugesagt“, sagt Sesamstraßen-Gründerin Joan Ganz Cooney. Henson war mit seinen Puppen schon damals sehr erfolgreich, machte aber hauptsächlich Werbung. Die Idee zur Sesamstraße kam bei einer Dinnerparty 1966 auf. Die amerikanische TV-Produzentin Cooney und der Psychologe Lloyd Morrisett sprachen darüber, ob man Kindern nicht via Fernsehen etwas beibringen könnte.
DIE Helden der Serie waren von Anfang an die Puppen. Noch immer werden sie in New York gebaut. „Wann immer neue Geschichten für die „Sesamstraße“ gedreht werden, müssen die Puppen, die mitspielen, in New York beim Sesame Workshop, dem Mutterhaus der „Sesamstraße“, bestellt werden“, berichten die deutschen Macher. „Sie kommen dann in Kisten verpackt aus Amerika herübergeflogen.“ Und noch immer werden sie in Handarbeit gefertigt. „Das Schwierigste ist der Mund“, sagt Puppenbauerin Rollie Krewson. „Das ist Frickelarbeit.“
DAS berühmteste Puppen-Freundespaar aus der Sesamstraße sind Ernie und Bert. Ernie spielt, wenn er nicht gerade Kumpel Bert ärgert, am liebsten mit seinem Quietscheentchen – Bert hält sich für deutlich reifer und vernünftiger. Als 2011 ein Amerikaner Unterschriften für eine Hochzeit der beiden sammelte, lehnten die Macher ab: „Obwohl sie als männlich gekennzeichnet sind und menschliche Eigenschaften und Verhaltensregeln aufweisen, bleiben sie dennoch Puppen und haben keine sexuelle Orientierung.“
WER in der ersten Folge in Deutschland am 8. Januar 1973 zu sehen war, waren ebenfalls Ernie und Bert – das Duo, das Vorschulkindern zeigen soll, dass auch ganz gegensätzliche Menschen Freunde sein können. Beide streiten sich in der ersten Folge darüber, wer von ihnen größer ist. Außerdem isst Ernie heimlich ein Stück von Berts Kuchen, ein weiteres mampft das Krümelmonster. Ebenfalls dabei: Oscar Griesgram aus der Mülltonne und Herbert Leichtfuß. Die Sendung war eine Mischung aus deutschen und amerikanischen Szenen.
WIE kam die Sendung an? „Bereits wenige Wochen nach Sendestart kannten nahezu alle Kinder in Deutschland zwischen drei und sechs Jahren die Sendung“, betont der zuständige NDR. Vor allem die neue Machart begeisterte die Kleinen. „Über die Auswirkungen des populären Programms vermag freilich noch niemand Konkretes zu sagen“, schrieb der „Spiegel“ 1970 über das US-Format und zitierte den Pädagogen David Connell, der prophezeite: Wenn „die erste schnelldenkende Sesame-Street-Generation“ in die Grundschulen rücke, werde, „ein unerhörter Donner“ durch die Klassenzimmer grollen.
WAS störte den Bayerischen Rundfunk (BR), der die Puppen lange nicht auf den Bildschirm ließ? Auch andere ARD-Sender lehnten zunächst ab, waren aber einige Monate später dabei. Nicht der BR: „Ihm war die Machart des Kinderprogramms nicht geheuer, auch „entspräche die soziale Situation in Deutschland nicht der in der Sendung“, heißt es beim NDR. „Wir haben gesagt, das ist kein emanzipatorisches Programm, das ist ein Uralt-Programm, das ist ja Paukschule, das ist ja schrecklich“, erinnert sich Walter Flemmer, damals stellvertretender Fernsehdirektor, im Jubiläums-Film.
WIESO verschwanden die amerikanischen Straßenszenen aus den deutschen Ausgaben? Vor allem diese hatten Eltern, Erzieher und Wissenschaftler bemängelt, weil sie nicht viel mit der Lebenswelt deutscher Kinder gemein hätten. Also ließ man sie ab Januar 1976 weg. „Ein Sturm der Entrüstung, diesmal seitens der Kinder, brach los: Ihnen fehlten die Identifikationsfiguren, die bekannten Orte“, erinnern sich die Macher. Die Sendung wurde überarbeitet und startete am 2. Januar 1978 neu in der Kulisse von Studio Hamburg.
WESHALB demonstrierten Eltern und Großeltern vor zehn Jahren beim NDR? Er hatte beschlossen, die Sendung von ihrem angestammten Vorabendplatz um 18 Uhr zu verbannen und nur noch morgens 7.30 Uhr zu zeigen. Beim NDR verstand man die Aufregung nicht, da doch der inzwischen existierende KiKa am Vorabend eine Alternative biete und die Sesamstraße schließlich nicht aus dem Programm gestrichen werde. Derzeit läuft sie montags bis samstags (8 Uhr) im KiKa, dienstags bis freitags (6.15 Uhr) im NDR Fernsehen.
WARUM treten auch Prominente auf? Die Kinder lieben die Puppen, ihre Eltern die Promis. Und da waren schon einige mit von der Partie: Ob nun die Schauspieler Lieselotte Pulver oder Horst Janson in den früheren Jahren oder Komiker Dirk Bach von 2000 bis 2007 als Zauberer Pepe. Otto Waalkes und Barbara Schöneberger standen als Regenmann und Sonnenfrau in Ellas Wetterhäuschen und Olli Dittrich gab Rumpels Kratzbüste. Musiker wie Herbert Grönemeyer, Jan Delay und Xavier Naidoo sangen mit Ernie und Bert.