Mit der Eigenkomposition “Raus aus dem Nebel“ sang sich der Autodidakt zum Sieg. Doch das interessierte so wenig „Supertalent”-Fans wie nie.

Hamburg/Köln. Thomas Gottschalk hat es geschafft: Die erste Staffel der RTL-Castingshow "Das Supertalent" unter Mitwirkung des Neu-Jurors ist Geschichte. Geschafft hat es auch Jean-Michel Aweh. Der 20-jährige Sänger ist angekommen auf dem Casting-Olymp des Kölner Privatsenders. Mit einer seiner zahlreichen Balladen schmachtete sich der Kasseler Klavier-Barde am Sonnabendabend ganz nach oben und darf sich nun die RTL-Hausmarke "Supertalent" ans Revers heften.

Im Finale der sechsten Staffel erhielt Aweh notariell beglaubigte 25,39 Prozent der Zuschauerstimmen. Für Publikumskandidat Christian Bakotessa (19,56 Prozent) und Horror-Magier Dan Sperry (13,57 Prozent) blieb nur der Blick in die Röhre. Noch schlimmer kam es für Juliette Schoppmann. Das einstige "DSDS"-Enfant-Terrible beendete sein TV-Comeback auf Platz sechs. "Ich kriege keine Gänsehaut", urteilte Schoppmanns Schicksal Dieter Bohlen über die Interpretation von Arteha Franklins "Natural Woman".

Aura eines Gescheiterten und Geläuterten

Schmeichelndere Worte durfte dafür der spätere Gewinner vernehmen. "Du hast viel riskiert und viel gewonnen", sagte Bohlen zu Aweh und Jurorin Michelle Hunziker sagte: „Du bist ein richtiger Individualist." Von seinem ersten Auftritt an hatte Aweh dem geneigten Publikum alle erforderlichen Zutaten für einen Castinghelden serviert. Mit der Aura eines im Leben Gescheiterten und Geläuterten nahm der musikalische Herumtreiber den Weg ins Rampenlicht auf. Und so passte auch der Siegertitel Awehs letztlich wie die Faust aufs Auge. Mit der Eigenkomposition "Raus aus dem Nebel" sang sich der Kaufhauspianist endgültig frei. Freuen darf sich "Supertalent" Aweh neben neu gewonnener Anerkennung über einen Plattenvertrag und ein Siegersalär von 100.000 Euro.

Das neu gewonnene Selbstvertrauen demonstrierte Jean-Michel Aweh schon bei der Kür unter goldenem Konfettiregen. "Beim zweiten Mal singt Ihr mit", ordnete der Sänger vor dem Schlussrefrain seines Songs an. Undenkbar, eine vergleichbar selbstbewusste Aufforderung zu Beginn des Wettbewerb vernommen zu haben. Dass der Bitte des Siegersängers allerdings kaum hörbar nachgekommen wurde, geschenkt. Und während Gottschalk (Schockstarre?) und Dieter Bohlen (beleidigt, weil Aweh den Siegersong selbst komponierte?) dem Vortrag stocksteif hinter ihrem Pult lauschten, ließ sich Ko-Jurorin Michelle Hunziker immerhin zu einem Musikantenstadl-affinen Hin- und Herwiegen hinreißen. Die Chance, der schönen Schweizerin noch schnell wenigstens einen Leuchtstab zu reichen, versäumte Moderator Daniel Hartwich indes.

„Das Supertalent” weiter im Quotensinkflug

Aufgrund von technischen Pannen bei einigen Auftritten hatte die Sendung Überlänge. Im Studio kam zwischenzeitlich Unruhe auf. Doch der Abend endete versöhnlich mit der Klavier-Nummer von Jean-Michel Aweh und einem Kuss von Hunziker. Die spektakuläre Verpflichtung des früheren "Wetten, dass..?"-Pärchens Gottschalk und Hunziker konnte einen Trend nicht kaschieren: Immer weniger Zuschauer schalten sich mittlerweile dem RTL-Hochkaräter zu.

Darüber kann auch der Quotensieg der TV-Shows am Sonnabend nicht hinwegtäuschen. 4,35 Millionen Zuschauer (14,6 Prozent Marktanteil) verfolgten das Staffelfinale auf RTL. Damit siegte das „Supertalent” vor der ZDF-Spendengala „Ein Herz für Kinder“ (3,54 Millionen/11,9 Prozent) und „Schlag den Raab” auf ProSieben (3,25 Millionen/13 Prozent). Vor Jahresfrist wurde das „Supertalent”-Finale noch von 6,47 Millionen Zuschauern eingeschaltet, 2010 waren es 8,23 Millionen. Die absolute Top-Quote an diesem Sonnabend holte indes die ARD-Komödie „Die Abstauber“, die 5,23 Millionen Zuschauer (16,9 Prozent) vor die Bildschirme lockte.

Talente mit Internetzugang aufgepasst: Schon jetzt können sich Mutige bei RTL online für den nächsten Wettstreit um das "Supertalent 2013" bewerben. Für die gerade zu Ende gegangen Staffel hatten sich über 44.000 Talente beworben - so viel wie niemals zuvor. Im vergangenen Jahr wählten die Zuschauer den Panflötenspieler Leo Rojas zum „Supertalent“. Sein Album wurde mit Gold ausgezeichnet und war 17 Wochen in den Charts.