In der im Ersten ausgestrahlten Doku spricht Margot Honecker, Witwe des einstigen DDR-Chefs, erstmals seit mehr als 20 Jahren im TV.

Berlin/Hamburg. Zweifel oder kritische Einsichten haben in der Welt von Margot Honecker keinen Platz. Die einst mächtigste Frau der DDR verteidigt ihre alte politische Welt jetzt in einem Dokumentarfilm des Norddeutschen Rundfunks (NDR), der am heutigen Montag (21 Uhr) im "Ersten“ ausgestrahlt wird. Dafür hat die Witwe von DDR-Staats- und SED-Parteichef Erich Honecker erstmals seit mehr als 20 Jahren ein TV-Interview gegeben.

In dem 90-minütigen Streifen des preisgekrönten Dokumentarfilmers Eric Friedler ("Aghet – Ein Völkermord“, "Das Schweigen der Quandts“) bezeichnet die frühere DDR-Ministerin nach Angaben des Senders den Tod von DDR-Flüchtlingen als "Dummheit“. "Man hat sich vor allem auch immer gefragt: Wieso hat er das riskiert? Warum? Denn das braucht ja nicht sein. Der brauchte ja nicht über die Mauer zu klettern.“

Seit 1992 lebt Margot Honecker im politischen Asyl in Santiago de Chile, in der Nähe von Tochter und Enkeln. Am 17. April wird die schmale Witwe 85 Jahre alt. Ihr Mann Erich lebte dort nur kurz. Er starb 1994. Der schwer krebskranke Spitzenfunktionär konnte erst Anfang 1993 Deutschland verlassen, nachdem der Prozess wegen der Todesschüsse an der Mauer gegen ihn eingestellt worden war.

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Erich Honecker wäre am 25. August dieses Jahres 100 Jahre alt geworden. Die Dokumentation analysiere mit Zeitzeugen, darunter Helmut Schmidt, Wolfgang Schäuble und Michail Gorbatschow sowie mit Opfern des SED-Regimes Aufstieg und Fall des widersprüchlichen Politikers, heißt es. Aus Interviews und Original-Filmausschnitten sei ein umfassendes Bild der letzten Tage des SED-Politikers entstanden. Die Aussagen von Margot Honecker seien Teil des Films.

Die linientreue Telefonistin hatte in der DDR schnell Karriere gemacht. Mit 22 Jahren saß sie als jüngste Abgeordnete in der Volkskammer, dem DDR-Parlament. Rund 26 Jahre war Margot Honecker Chefin des Volksbildungsministeriums, von 1963 bis zu ihrem Rücktritt im Herbst 1989. Vielen galt die DDR-First-Lady mit dem Blaustich im Haar als dogmatisch und heimliche Machthaberin.

Über Jahre hielt sich Margot Honecker eisern die "Westpresse“ vom Hals. Nun weicht sie mit dem Fernsehinterview davon ab. Erst Anfang März erschien das Interview-Buch "Zur Volksbildung“. Honecker hatte dazu mit dem ostdeutschen Verleger Frank Schumann gesprochen, den sie von früher kennt. Ist diese neue Öffentlichkeit der Wunsch der Seniorin, ein politisches Vermächtnis zu hinterlassen und nicht in der Vergessenheit zu verschwinden?

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Während die Ex-Ministerin im Buch mit keiner kritischen Frage konfrontiert wird, halte es Friedler in seinem Film "Der Sturz - Honeckers Ende“ ganz anders, schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Freitag. Der Film sei eine atemberaubende Geschichtsstunde und bleibendes Unterrichtsmaterial, lobte das Blatt vorab.

Es ist nicht wirklich überraschend, was Margot Honecker zu Protokoll gibt. Interessant ist aber, mit welcher Vehemenz Fehler ausgeblendet und der politische Gegner aufs Neue verantwortlich gemacht wird für das Aus des Arbeiter- und Bauern-Staats. Schon im Buch "Zur Volksbildung“ beharrte sie darauf: Die DDR habe auf Gleichheit, Gerechtigkeit, Glück und Wohlstand gefußt.

Margot Honecker sehe in dem Film keinen Anlass, sich für die Staatssicherheit zu entschuldigen, erklärte der NDR. Die Stasi war nach Ansicht der Polit-Witwe eine legitime Notwendigkeit. Zu politischen DDR-Häftlingen sage sie, die seien kriminell gewesen. Traumatisierte Opfer, die in geschlossenen Jugendwerkhöfen litten, seien für sie "bezahlte Banditen“.