Am Freitagabend wurde der “Henri Nannen Preis 2011“ verliehen. Jury ehrte u.a. Bemühungen für Pressefreiheit und originelle Beiträge.

Heute Abend haben der Verlag "Gruner + Jahr" und der "stern" zum siebten Mal den "Henri Nannen Preis" vergeben, mit dem die Bestleistungen im deutschsprachigen Print- und Onlinejournalismus ausgezeichnet werden. Die insgesamt 18 Preisträger wurden im Rahmen einer festlichen Veranstaltung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg vor rund 1.200 prominenten Gästen aus Medien, Kultur, Politik und Wirtschaft geehrt.

Der "Henri Nannen Preis 2011" wurde verliehen an René Pfister (Reportage), Ulrike Demmer, Markus Feldenkirchen, Ullrich Fichtner, Matthias Gebauer, John Goetz, Hauke Goos, Jochen-Martin Gutsch, Susanne Koelbl, Shoib Najafizada, Christoph Schwennicke, Holger Stark (Dokumentation), Christine Kröger (Investigation), Hans Zippert (Humor), Stephan Vanfleteren (Fotoreportage) und Susanne Leinemann (Sonderpreis).

Wolf Schneider wurde vom Verlagshaus "Gruner + Jahr" und dem "stern" für sein publizistisches Lebenswerk geehrt. Der Preis für Pressefreiheit geht an die französische Zeitung "Le Canard enchainé".

In ihrer Sitzung am 5. Mai 2011 hat sich die Hauptjury entschlossen, den Preis für die beste Reportage (Egon-Erwin-Kisch-Preis) an René Pfister zu vergeben. Für den "Spiegel" portraitierte er Horst Seehofer „Am Stellpult“ seiner Modelleisenbahn, die Seehofer, so Jury-Mitglied Peter Matthias Gaede, „mit postbubertierendem Spieltrieb“ gestalte und bediene. Der Autor decouvrierte auf unterhaltende und gleichzeitig sehr präzise Weise die Herrschaftsmethoden des bayrischen Ministerpräsidenten und seinen politischen Herrschaftswillen.

Den "Henri Nannen Preis" für die „beste investigative Leistung“ vergibt die Jury an Christine Kröger vom "Weser-Kurier". Ihre Arbeit „Im Zweifel für den Staatsanwalt“ zeigt, dass nicht nur die großen Magazine die investigative Kontrollfunktion der Presse wahrnehmen können. Christine Kröger beweist mit ihren Dossiers auf bewundernswerte Weise, dass diese journalistische Kernaufgabe mit Ausdauer, Hartnäckigkeit und Mut auch von einer Regionalzeitung erfüllt werden kann.

Für den Beitrag „Ein deutsches Verbrechen“, im "Spiegel" erschienen, wurde ein elfköpfiges Autorenteam des Magazins in der Kategorie Dokumentation ausgezeichnet. Das Team analysierte in minutiöser Recherche die Abläufe, Vorgänge und Verantwortlichkeiten des von der Bundeswehr veranlassten Bombardements auf entführte Tanklaster bei Kunduz, das die politischen Koordinaten unseres Landes mit einem Schlag verschoben hatte. Die Journalisten haben hier die Kontrollfunktion der Presse als „vierte Gewalt“ in vorbildlicher Weise erfüllt.

In der Kategorie „Herausragende unterhaltsame, humorvolle Berichterstattung“ wird Hans Zippert für seinen Beitrag „Mich trifft der Schlag“, erschienen in der "WELT", ausgezeichnet. Herausragend an den Texten von Hans Zippert ist die berechenbare Unberechenbarkeit. Zuverlässig versorgt er seine Leser mit überraschenden Pointen. Sogar im Falle des eigenen Schlaganfalles ist er sich treu geblieben und hat den Schicksalsschlag zu einem selbstironischen Kabinettsstück verarbeitet.

Der Fotograf Stephan Vanfleteren wird für die "beste fotografische Autorenleistung" ausgezeichnet. Er portraitierte in seiner Fotoreportage „Es gibt was Neues hier seit gestern“, die in der Zeitschrift "DU" (Zeitschrift für Kultur) erschien, den Künstler Tomi Ungerer in seinem Studio in Irland. Der Fotograf erzählt mit nur wenigen Bildern die große und großartige Geschichte eines langen Lebens. Die Kamera blickt dem Künstler in die Seele und hält in präziser und schnörkelloser Schwarzweiß-Fotografie die besondere Atmosphäre fest, in der Tomi Ungerer lebt und arbeitet.

Den Sonderpreis vergab die Jury an Susanne Leinemann, die für das "ZEIT MAGAZIN" eine – ihre – ganz persönliche Geschichte aufgeschrieben hat. Sie wurde Opfer eines Raubüberfalls, den sie nur knapp überlebte. Die Jury zeichnet Susanne Leinemann dafür aus, dass es ihr gelang, ein brutales Verbrechen an ihrer eigenen Person kühl, klar und mit professioneller Distanz nachzuzeichnen. Sie erzählt nicht nur das eigene Schicksal, sondern auch eine exemplarische Geschichte über die abgründige Seite unserer Gesellschaft und ein brandaktuelles Thema.

Wolf Schneider, geboren 1925 in Erfurt, arbeitete nach dem Abitur und dem sich daran anschließenden Militärdienst zunächst als Übersetzer für die US-Army. Danach folgten Stationen bei der Nachrichtenagentur "Associated Press" und der "Süddeutschen Zeitung", deren Nachrichtenchef und US-Korrespondent er war. Henri Nannen holte Wolf Schneider im Jahr 1966 nach Hamburg zum "stern", bei dem er in der Redaktion als Chef vom Dienst und später auch als Verlagsleiter arbeitete. Es folgten Stationen beim "Axel Springer Verlag", unter anderem als Chefredakteur der Tageszeitung "DIE WELT". 1978 übernahm Schneider die Leitung der gerade gegründeten Hamburger Journalistenschule, die später nach Henri Nannen benannt wurde. Nach 16 Ausbildungs-Jahrgängen übergab Schneider 1995 die Schulleitung in andere Hände. Wolf Schneider ist Autor zahlreicher Bücher, darunter mehrerer Standardwerke über die deutsche Sprache. Außerdem moderierte er viele Jahre die "NDR-Talkshow" und setzte hier Maßstäbe als hartnäckiger Fragesteller gegenüber Politikern. Der 85Jährige arbeitet heute noch als Autor und gibt Sprachseminare, auch im Ausland.

"stern"-Chefredakteur Andreas Petzold: „Wolf Schneider prägte mit seiner Arbeit eine ganze Journalisten-Generation. Viele seiner Schüler gehören heute zu den führenden Köpfen unserer Medienlandschaft. Wir möchten ihn ehren als Doyen der Journalistenausbildung in Deutschland, als unverdrossenen Verfechter des Qualitätsjournalismus und als unerbittlichen Hüter der deutschen Sprache.“

Der "Henri Nannen Preis 2011" für einen besonderen Einsatz für die Pressefreiheit wird der Zeitung "Le Canard enchainé" aus Frankreich zuerkannt. Der Name des 1915 gegründeten Wochenblatts, der mit „Ente in Ketten“ übersetzt werden kann, ist Ausdruck des Protestes gegen staatliche Zensur. Die Zeitung, die gleichzeitig investigativ und satirisch ist, erscheint wöchentlich mit einer Auflage von ca.700.000 Exemplaren. Unter Leitung der Chefredakteure Claude Angeli und Érik Emptaz arbeiten 15 Redakteure, Sitz der Redaktion ist Paris. Der „Canard“ verfolgt seit seiner Gründung konsequent die Linie einer vollkommen unabhängigen, nur der Wahrheit und dem Leser verpflichteten journalistischen Berichterstattung. Die Zeitung verzichtet auf Einnahmen durch Werbung jedweder Art und hat allen Avancen von Finanz- und Werbegruppen sowie politischen Parteien stets widerstanden. Sie war im Laufe ihrer Geschichte mit vielen investigativen Recherchen und Berichten an der Aufdeckung zahlreicher Skandale in Frankreich beteiligt. So musste kürzlich die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie zurücktreten, nachdem "Le Canard enchainé" persönliche Verstrickungen der Ministerin mit dem tunesischen Regime nachgewiesen hatte.

"stern"-Chefredakteur Andreas Petzold: „Das Motto des Canard lautet übersetzt: 'Die Pressefreiheit verschleißt nur, wenn man sie nicht nutzt.' Diesem Leitsatz fühlt sich die Redaktion verpflichtet und deckt schonungslos politische Skandale und Korruption auf in einem Land, in dem laut Verfassung Pressefreiheit herrscht, die Wahrheit aber manchmal anders aussieht. Dafür gebührt den Kollegen Anerkennung und Respekt, den wir mit der Zuerkennung des "Henri Nannen Preises für Pressefreiheit" ausdrücken möchten.“

Mit dem "Henri Nannen Preis" stellen "Gruner + Jahr" und der "stern" die Bedeutung von anspruchsvollem Print und Onlinejournalismus heraus und erinnern zugleich an das Werk des "stern"-Gründers Henri Nannen (1913-1996). Der Preis ist mit insgesamt 35.000 Euro dotiert. Außerdem erhalten die Preisträger den „Henri“, eine von dem Berliner Bildhauer Rainer Fetting geschaffene Bronzeskulptur Henri Nannens im Andenken an dessen Lebenswerk. Ein aufwendiges Sichtungsverfahren sowie eine hochkarätige Jury, der erfahrene Journalisten, Autoren, Chefredakteure und Herausgeber großer Verlage Deutschlands angehören, gewährleisten die Unabhängigkeit der Auszeichnung. Um den „Henri 2011“ bewarben sich Journalisten mit 791 Arbeiten aus 196 Print- und Onlinepublikationen.

Der Hauptjury des Henri Nannen Preises gehören an: Anke Degenhard (Fotografie-Expertin und Galeristin), Peter-Matthias Gaede (Chefredakteur "GEO"), Elke Heidenreich (Journalistin und Schriftstellerin), Thomas Hoepker (Fotograf und langjähriger Präsident der Foto-Agentur "Magnum"), Kurt Kister (Chefredakteur "Süddeutsche Zeitung"), Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur "Die Zeit"), Helmut Markwort (Herausgeber "Focus"), Mathias Müller von Blumencron (Chefredakteur "Der Spiegel", der sich bei der Juryarbeit jährlich mit seinem Kollegen Georg Mascolo abwechselt), Jan-Eric Peters (Chefredakteur "Die Welt"-Gruppe), Andreas Petzold (Chefredakteur "stern", im jährlichen Wechsel mit seinem Kollegen Thomas Osterkorn), Ines Pohl (Chefredakteurin "taz"), Ulrich Reitz (Chefredakteur "Westdeutsche Allgemeine Zeitung"), Frank Schirrmacher (Herausgeber "Frankfurter Allgemeine Zeitung") und Gerhard Steidl (Foto- und Kunstbuchverleger).