Hamburg. Im Ohnsorg hat am Freitag Fatih Akins Hamburger Heimatkomödie Theaterpremiere. Ein Experiment auch für eine jüngere Zielgruppe.

Den Film? Da gibt es kein Vertun, kein Zögern – den haben die drei, die hier oben im zweiten Stock im Verwaltungstrakt im Bieberhaus-Neubau in einem Zweierbüro sitzen, alle im Kino gesehen. Und das nicht erst im Vorfeld ihres neuen Projekts. Cornelia Ehlers, Ingo Putz und Holger Dexne sind damit in guter und zahlreicher Gesellschaft. 1,3 Millionen Zuschauer hatten sich Fatih Akins „Soul Kitchen“ im Winter 2009/10 in den deutschen Kinos angeschaut. Die von ihm sowie seinem Freund, Helfer und Hauptdarsteller Adam Bousdoukos geschriebene Komödie rund um das von Schließung bedrohte gleichnamige Restaurant in Wilhelmsburg ist nicht nur Akins bis heute größter Kassenerfolg. Der bei der Biennale von Venedig ausgezeichnete Film gilt zugleich als Liebeserklärung des Regisseurs an seine Heimatstadt Hamburg, als eine Art moderner Heimatfilm.

Und spätestens bei den Begriffen Hamburg und Heimat kommt das Ohnsorg-Theater mit seinem einfallsreichen Chef Christian Seeler ins Spiel. Der Intendant hatte schon vor knapp zwei Jahren die Idee, aus der Filmkomödie eine Theaterfassung zu machen. Deshalb sitzen die drei eingangs erwähnten Personen am frühen Abend jetzt hier. „Der Film ist ein Muss für jeden Hamburger“, sagt Ingo Putz. Der 41-Jährige ist nicht bloß Regisseur des Stücks, er hat die Bühnenfassung auch geschrieben. Cornelia Ehlers, 33, Dramaturgin und Leiterin des jungen Ohnsorg Studios, hat sie ins Plattdeutsche übersetzt.

Der erste Probentag auf der großen Bühne liegt hinter Putz und seiner Crew. Am Freitag, 18. März, hat „Soul Kitchen“ im Ohnsorg-Theater Premiere. Erst das zweite Mal hätten sie heute zur Live-Musik geprobt, erzählt der Regisseur. Die Band wird angeführt von der in Hamburg bestens bekannten US-Sängerin und -Darstellerin Love Newkirk („Pasta e Basta“, „Sekretärinnen“). Das inspiriert. Auch die „Orgien-Szene“ hätten sie heute geprobt, fügt Hauptdarsteller Holger Dexne lächelnd hinzu.

Hier oben, im muckeligen Zweierbüro, mischt sich derweil der Geruch von Mettbrötchen und Quarkbällchen. Unten auf der Bühne hat sich das Ohnsorg-Theater inzwischen in eine Bar verwandelt, betrieben von Besitzer Sino alias Dexne. Wie die Episode aus dem Film mit dem aphrodisierenden Dessert, das der Koch zubereitet hat, nun aussehen wird, mögen die Beteiligten noch nicht verraten. Nur so viel: Seine Version hat Autor und Regisseur Putz von Wilhelmsburg nach St. Georg verlagert, mitten hinein ins Szene- und Theaterleben. Das Ohnsorg, in der Realität erst 2011 ins Bieberhaus eingezogen, muss im Stück noch mal umziehen, ins Gebäude des Deutschen Schauspielhauses schräg gegenüber. Die Stadt hat – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – alle Kultursubventionen gestrichen. Und Wirt Sino hat sich das lange leer stehende Bieberhaus unter den Nagel gerissen, um aus dem Ohnsorg erst eine Kneipe, dann ein Restaurant zu machen, das danach aber selbst von der Schließung bedroht ist. Gentrifizierung gibt es schließlich südlich und nördlich der Elbe.

Das Set im Film „Soul Kitchen“
Das Set im Film „Soul Kitchen“ © imago stock&people | imago stock&people

„Die Verlegung des Ortes war für mich sprichwörtlich naheliegend. Das Publikum soll so einen direkten Zugang zum Geschehen bekommen“, erläutert Putz. „Und die Musik ist Teil der Inszenierung.“ Das hatte Putz schon am Theater Kiel so gehandhabt, an dem er zuletzt „The Rocky Horror Show“ in Szene setzte. In Hamburg hatte er vor zwei Jahren auf sich aufmerksam gemacht: Für seine jugendgerechte plattdeutsche Inszenierung „Leonce un Lena“ von Georg Büchners Komödienklassiker erhielt er den Rolf-Mares-Preis. Und weil sich Putz und Cornelia Ehlers schon aus früheren Oldenburger Zeiten kannten – indes ohne dass sie am dortigen Staatstheater zusammengearbeitet hätten –, lag eine erneute Kooperation fürs Ohnsorg auf der Hand. Erstmals für die große Bühne.

„Soul Kitchen“ stehe zwar nicht auf dem Abo-Spielplan, sagt Cornelia Ehlers, und längst nicht jeder ältere Stammzuschauer kenne den Film, räumt sie ein. Das große Interesse im Vorfeld aber stimme sie froh. Froh, dass sich Seelers Idee, ein Stück im Stil des Ohnsorg Studios mit einem Bühnenbild aus Baugerüsten und Holztresen auf Rollen ins große Haus zu transportieren, lohnen werde. Gut ein Dreivierteljahr hat Putz an seiner Theaterfassung geschrieben; Cornelia Ehlers hat sich rangehalten, die plattdeutsche Übersetzung noch vor Weihnachten fertigzustellen, damit die Schauspieler ihre Texte rechtzeitig lernen konnten. Nur Oskar Ketelhut (in der Rolle des Kochs Hein) und Horst Arenthold (als Dauergast und Mieter Sokrates) gehören fest zum Ohnsorg-Ensemble.

Die größte Herausforderung war, den rauen Ton von „Soul Kitchen“ zu treffen

Der gebürtige Hannoveraner Holger Dexne, der die Hauptrolle spielt, hat sich Platt erst für seine Gastrollen angeeignet. Wie gut das klappt, hatte er etwa im Vorjahr im Ohnsorg Studio in „Goot gegen Nordwind“ gezeigt, der plattdeutschen Bühnenfassung von Daniel Glattauers Bestseller „Gut gegen Nordwind“. In „Soul Kitchen“ spricht Dexne als Sino auch mit seinem Bühnenbruder Linus (Tim Ehlert) platt, der wie im Film nach einer Haftstrafe Freigänger ist. Auf der Leinwand wurde der Part von Moritz Bleibtreu verkörpert und hieß Illias Kazantsakis.

Die größte Herausforderung für die Übersetzerin war, den rauen Ton von „Soul Kitchen“ zu treffen. „Das ist auf Plattdeutsch ungeheuer schwierig“, sagt Cornelia Ehlers. Doch sie habe „den Menschen noch mal besonders aufs Maul geschaut“. Nicht nur die Gäste und das Personal in „Soul Kitchen“ grenzen sich durch ihre Sprache vom ausschließlich Hochdeutsch sprechenden Immobilienmakler ab, der auf das Lokal scharf ist. Das Stück emanzipiere sich dadurch nach Auffassung des Regie-und-Übersetzerin-Duos auch vom Film. Im Mittelpunkt steht für Putz und Ehlers das Thema Loyalität am Beispiel der beiden Brüder.

Kein Dissens zum Film: Seinem Bruder Cem hatte Fatih Akin „Soul Kitchen“ nämlich ursprünglich gewidmet.

„Soul Kitchen“ Premiere Fr 18.3., 19.30, bis 3.4., 9.–17.7., Ohnsorg (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 23,- bis 31,50 unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de