Hamburg. Die britische Sängerin begeistert bei ihrem Benefizkonzert ihre Fans – und zeigt sich regelrecht verknallt in den Großen Saal.

Lässt sich die Handy-Dichte in der Elbphilharmonie noch erhöhen? Und mit ihr das ungenierte Posieren, Schnutenziehen und Lächeln vor und in Konzerthausarchitektur? Ja, es geht. Denn Freitagabend zogen – neben einem britischen Popstar – die Youtuber in den Großen Saal ein. Youtube, das ist jene Videoplattform im Internet, derentwegen die Jugend kein Fernsehen mehr schauen mag. Und alle, die dort erfolgreich in kurzen Clips zu unterhalten wissen, sind die neuen Superidole. Mehr Populärkultur und Zeitgeist ging also nicht in diesem noch jungen, dem zweiten Jahr der Elbphilharmonie.

Doch wer nun naserümpfend endlose Schminkfilmchen und Blödelszenen vor Augen hat, die Youtube zuhauf bietet, dem sei gesagt: Das Medium kann auch anders. Geladen hatte zu diesem Abend Fabian Narkus, ein junger, eher schüchtern wirkender Typ mit markanter Haartolle, der auf seinem Youtube-Kanal „Channel Aid“ Künstler und deren Clips für die gute Sache versammelt. Die Erlöse der vorgeschalteten Werbung gehen an die Hamburger FABS Foundation, die bedürftige Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit Behinderung unterstützt.

„Du klickst, wir spenden“ lautet dann auch der einfache wie clevere Slogan dieses Charity-Projekts – deren nächster Schritt nun ein erstes großes – und höchst professionell aufgezogenes – Livekonzert war (am 2. Juli soll Rapper Cro folgen, ebenfalls in der Elbphilharmonie).

Covern – eine Kunst für sich

Klicks sind die neue Einschaltquote und die ultimative Währung, wie der Moderator des Abends, Christian Stübinger von Radio Energy, nicht müde wurde zu erwähnen. Da war zunächst der junge italienische Pianist Costantino Carrara mit einer halben Million Abonnenten, der am roten Steinway-Flügel gewitzt und gefühlvoll Pop- und Kinohits von Coldplay über Queen bis zu „La La Land“ interpretierte. Es folgte Nicole Cross (eine Million Abonnenten): Die Nürnbergerin sang mit samtdunkler Stimme eigene Popsongs, aber auch Nummern von Ed Sheeran und Adele. Überhaupt das Covern: In Youtube-Kreisen ist es nicht verpönt, sondern eine Kunstform für sich. Das Fremde wird mit dem eigenen aufgeladen. Und gut ist, was gefällt.

Auch der dritte Youtuber des Abends, Max aus New York (1,5 Million Abonnenten), huldigte einem seiner Helden: Michael Jackson. Er begeisterte aber vor allem mit eigenen Funk-Nummern. Und mit einer Party-Energie, die sich in Spagatsprüngen und Radschlägen entlud. Das Medium mag digital sein, das Talent ist real.

Während der erste Teil des Abends solo oder mit Akustik-Begleitung bestritten wurde, pustete der Part nach der Pause um, als hätte jemand im Kino die Soundanlage hübsch aufgedreht. Was nichts Schlechtes sein muss.

Rita Ora ist in die Elbphilharmonie verknallt

Auftritt Rita Ora, ihres Zeichens 28 Jahre junger Popstar mit diversen Nummer-eins-Hits in ihrer Heimat Großbritannien. Zum satt pulsierenden Überwältigungssound ihrer Band schickte sie ihre starke, warme, sehnsuchtsvolle Stimme ins Rund. Auf der Bühne flackerte ein futuristisch anmutender Wald aus Leuchtstäben. Und im weiß-gold glitzernden Kleid verausgabte sich Ora zu impulsiveren Songs wie „Hot Right Now“ und „Black Widow“, erzeugte bei ruhigeren Nummern wie „Coming Home“ andererseits eine konzentrierte Präsens.

Regelrecht verknallt war die Sängerin in den Ort des Geschehens: „Ich bin beeindruckt, wie intim sich der Saal anfühlt. Als wäre ich in meinem Wohnzimmer. Möchte mir jemand eine Tasse Tee oder einen Wodka Tonic bringen?“, fragte sie lachend. Und als Rita Ora dann zur Zugabe ihre High Heels auszog und barfuß über den Holzboden hüpfte, während die Zuschauer längst zwischen den Sitzen tanzten, da schien die Welt des Internets einen Moment lang sehr weit entfernt.