Ihre Pfunde sind unübersehbar. Doch auch jenseits ihrer Körpermaße beweist Beth Ditto mit ihrer Band Gossip XXL-Format. Denn Tanzbareres, Schmissigeres und Wundervolleres wird man dieses Jahr nicht mehr oft auf Hamburgs Konzertbühnen erleben.

Hamburg. Der Hype gehört La Roux zurzeit nicht ganz, denn Beth Ditto ist ja neuerdings der füllige Liebling der Modebranche. Karl Lagerfeld nennt sie seine Muse, sie blickt von den Covern nicht nur der Fachzeitschriften für Musik, sondern auch denen für Kleidung. So weit, so gut. Mit dem, was die faszinierende Musikerin am Donnerstag im Docks veranstaltete, hat der neue Ruhm wenig zu tun.

Denn Ditto ist mit ihrer Band Gossip (das „The“ lassen die drei Musiker jetzt weg) eine Ausnahmeerscheinung. In allen Abhandlungen über das Charisma wäre sie ein profundes Lehrbeispiel. Unmöglich, nicht ihre Speckwülste zu betrachten, die über die Bühne wackeln, wenn Ditto tanzt wie eine dicke Robbe auf Speed. Im lila Glitzerfummel tut sie das, das Mikro fest in ihrer kräftigen Patschehand. Das klingt alles so wenig nach Rock’n’Roll und ist doch genau das. Ditto ist im ausverkauften Club am Spielbudenplatz fast so etwas wie eine Epiphanie. Eine, die die Leute ins Schwitzen bringt.

Viele weibliche Fans haben Kurzhaarfrisuren, andere sind dick, wieder andere durchaus schon über 50 und viele aus dem studentischen Milieu und natürlich auch männlich – Gossip sind eine People’s Band, und das völlig zurecht. Denn Tanzbareres, Schmissigeres und Wundervolleres wird man dieses Jahr nicht mehr oft auf Hamburgs Konzertbühnen erleben. Die fiesen, trickreichen Riffs von Gitarrist Brace Paine und das druckvolle Spiel von Schlagzeugerin Hannah Blilie legen das Fundament der Post-Punk-New-Wave-Soundlandschaft. Und darüber stolziert die Lesben-Ikone Ditto mit ihrer kräftigen Stimme, die sie mal zur Rockröhre, mal zur weihevollen Soul-Sängerin macht.

Lange ließ die Band das Publikum auf St. Pauli warten. So lange, dass es erste Pfiffe gab. Und dann war nach einer Stunde alles vorbei, Ditto hatte ihr Kleid einer Glücklichen im Publikum geschenkt. Die Hits „Heavy Cross“ und „Standing in the Way of Control“, diese prächtige Hymne der Selbstermächtigung, waren gespielt, und Beth, die Göttin, schon wieder weg. Keine Sekunde zu früh allerdings. In einer Stunde ist manchmal alles gesagt.