Wien. Er war Zuckerbäcker und Friedhofsgärtner. Heute ist Voodoo Jürgens fixer Bestandteil der Wiener Musikszene. Seine Dialekt-Songs faszinieren auch das Publikum in Deutschland.
Der österreichische Sänger und Songwriter Voodoo Jürgens ist gewissermaßen das Gegenteil von Udo Jürgens. Mit seinen wild zerzausten Locken, seinem Schnauzbart und seinem Faible für Vintage-Mode produziert der 39-Jährige sympathisch verlotterte Musik. Mit Wiener Schmäh, hinter dem sich Abgründe auftun - wie zum Beispiel in seinem bisher bekanntesten Song „Heite grob ma Tote aus“ (Heute graben wir Tote aus).
Am 2. Dezember bringen er und seine Band Ansa Panier ihr drittes Studioalbum „Wie die Nocht noch jung wor“ heraus, das mehr mit Tom Waits gemein hat als mit dem Unterhaltungssound von Udo Jürgens.
Voodoo schätzt einige Songs von Udo, erzählt der als David Öllerer geborene Musiker inmitten eines Haufens von Instrumenten in einem Wiener Tonstudio. Darüber hinaus gibt es keine Anknüpfungspunkte. „Ich wollte eigentlich nicht so die große Udo-Geschichte draus machen“, sagt er und will lieber über andere Dinge reden.
„Zirkusrumpelnummer“ und Liebespaar
Zum Beispiel über das neue Album, das teilweise rätselhafter und metaphernreicher daherkommt als die zwei Vorgänger. Da gibt es den Song „Hoiber Preis“ (Halber Preis), der mit Hilfe eines asthmatischen Harmoniums und einer Tuba die Verlockungen des Konsums besingt. Voodoo Jürgens nennt es eine „Zirkusrumpelnummer“. Einen hypnotisierenden Sound entfaltet das Lied „Fost wie ans“ (Fast wie eins), das nur scheinbar um ein vertrautes Liebespaar kreist. „Es geht um eine Sucht, die wie ein Partner wird und sich umhängt“, stellt der Songwriter klar.
Voodoo Jürgens' Musik ist aber nicht durchgehend düster, sondern wechselt oft zwischen Stimmungen - so wie „Federkleid“, in dem von einem rotweintrunkenen Sommer am Ende nur ein schwarzgefiederter Vogel übrig bleibt. Das Lied „Es geht ma ned ei“, klingt zwar fast wie ein fröhlicher Pop-Song, beschreibt aber eine ungesunde Beziehung.
Bevor David Öllerer als Teenager in die Wiener Kunst- und Musikszene eintauchte, begann er eine Lehre bei einer traditionsreichen Konditorei, die einst den kaiserlichen Hof der Habsburger belieferte. Die letztlich abgebrochene Ausbildung hat Voodoo Jürgens auf dem Album in dem aggressiv herumeiernden Walzer „Zuckerbäcker“ verarbeitet. Die Arbeit habe ihn damals depressiv gemacht, erzählt er. „Ich hab' mir gedacht, dass ich den falschen Weg eingeschlagen hab'“. Es folgte dann noch ein Job als Friedhofsgärtner in Wien, bevor sich die Karriere endgültig in Richtung Musik bewegte.
Er tourt ab Februar in Deutschland
Heute ist Voodoo Jürgens fixer Bestandteil der Wiener Szene, in der Musiker auf verschiedene Weise die Dialekt-Tradition des Austropop zu neuem Leben erweckt haben, von dem Sänger Nino aus Wien über die Wienerlied-Rapper Kreiml & Samurai bis zu den Stars der Band Wanda („Amore“). Voodoo Jürgens und Wanda-Leadsänger Marco Wanda gewannen voriges Jahr übrigens mit ihrem FC Mehrgehtned den Titel im Wiener Band Fußball Cup.
An die Spitze der österreichischen Charts spielte sich Voodoo Jürgens bereits 2016 mit seinem ersten Album. Mit dem Zweiten belegte er 2019 Platz zwei. Mit dem neuen Album tourt er ab Februar durch Deutschland. Seine Wiener Dialekttexte seien dort kein Hindernis, auch wenn das Publikum nicht jedes Wort verstehe, sagt er. „Ich finde es cool, dass das geht. Es geht ja auch mit englischer Musik, bei der ich unterstelle, dass sie auch nicht jeder versteht.“
Und manchmal geht es auch ganz ohne Worte. „Wie die Nocht noch jung wor“ endet mit einem Trauermarsch namens „Odessa“, der durch das Klarinetten- und Saxofon-Solo des ukrainischen Jazzmusikers Andrej Prozorov zum Klagelied wird. Das Stück kam ohne Gesang aus, sagt Voodoo Jürgens. „Da ist schon alles drin.“