Stefan Pucher inszeniert Molières „Tartuffe“ zum Saisonauftakt am Thalia Theater

Wie alle großen Komödien bestehen auch die Komödien von Molière aus ­Komik und Tragik zu gleichen Anteilen. Erbarmungslos reißt der französische Theaterautor dem Menschen mit all seinen Verfehlungen die Maske ab. Durchaus voller Gift und Galle. Aber es ist das Gift der Verführung, des Spiels, der Egozentrik. Und an ihm können sich Theaterbesucher weltweit nicht sattsehen. Wer könnte „Tar­tuffe“, diese große Betrüger-Parabel, besser inszenieren als Stefan Pucher, ein Mann, der Pop, Poesie, Traumwelten und Komik unerhört stilsicher zu verbinden weiß. Ab dem 8. September bringt er den französischen Klassiker – sicher wenig klassisch – zur Spielzeiteröffnung im Thalia Theater heraus.

Stefan Pucher zählt zu den wichtigsten Regisseuren der Gegenwart

Lange Jahre musste Stefan Pucher gegen sein Image als Pop-Regisseur an­inszenieren, dabei wurde häufig verkannt, welch genauer Arbeiter und Denker er ist, ausgestattet mit einem untrüglichen ­Gespür für Sprache. Pucher arbeitet fünf ­Wochen mit seinen Darstellern am Tisch und geht erst für die letzten zehn Probentage auf die Bühne. Diese Arbeitsweise hat sich bewährt , verlangt Puchers Darstellern aber auch ein stabiles Nervenkostüm ab. Überhaupt ist Pucher wichtig, dass der Text zunächst einmal verständlich ist und erst dann zum Nachdenken anregt.

In Hamburg ist Pucher beileibe kein Unbekannter. Sein „Othello“ am Schauspielhaus, aber auch seine jüngeren Arbeiten „Don Quixote“ oder „Ein Sommernachtstraum“ am Thalia Theater wurden Bühnen-Hits. Stets kann er mit dem Thalia-Ensemble auf eine ausgezeichnete ­Besetzung bauen. Das ist auch bei „Tar­tuffe“ nicht anders. Jörg Pohl, der zuletzt als „Richard III.“ begeisterte, ist Tartuffe, diese irrlichterne Gestalt, die große Blasen schlägt, hinter denen sich jedoch nur die heiße Luft der Heuchelei verbirgt. Der ­angebliche Edelmann gibt sich den Anschein besonderer Frömmigkeit und umwirbt die Tochter des Hauses Orgon, ­Mariane, die eigentlich Valère versprochen ist. Tartuffe mit seinem hemmungslosen Charme hat die Familie Orgon längst im Griff, er hat Orgon sogar dazu gebracht, ihm, Tartuffe, sein gesamtes Vermögen zu überschreiben. Doch es bleibt eine spannende Frage, ob ihm einige Zweifler, ­darunter eine ausgefuchste Dienerin, noch etwas entgegensetzen werden.

Die angebliche Liebe zu Mariane wird auf eine harte Probe gestellt – und fällt im Angesicht einer anderen attraktiven ­Anwärterin natürlich sofort durch. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Betrüger und Blender womöglich doch noch entlarvt wird. Molière hatte seinerzeit die Frommen vor Augen, aber auch das Bürgertum, das seine gesellschaftliche Stellung religiös zu untermauern suchte. Die erste 1664 uraufgeführte Fassung wurde von König Ludwig XIV. verboten, eine zweite ebenso. Fünf Jahre später 1669 wurde die dritte und endgültige Fassung uraufgeführt, die bis heute, in Zeiten, in denen die Welt den besonders Schillernden zu gehören scheint, nichts von ihrer zeitlosen Kraft eingebüßt hat.

„Tartuffe“ 8.9., 20.00, Thalia Theater (Premiere). Karten zu 15,- bis 74,- unter T. 32 81 44 44. Weitere Vorstellungen: 10., 17., 24.9., 4.10.